Neviges. Karl-Heinz Möller sitzt täglich am Schreibtisch seines Verlags in Tönisheide. Am 13. September wird er 100 Jahre – und feiert im Büro.
Dieser Mann ist in jeder Hinsicht ein Phänomen. Mit 63 Jahren, wenn andere sich langsam auf ihren Ruhestand freuen, machte sich Karl-Heinz Möller selbstständig und gründete den Fachverlag Möller. Am Montag, 13. September, wird der Diplom-Ingenieur 100 Jahre alt, die Gäste empfängt er in seiner Firma an der Neustraße – bloß nicht den Alltag durcheinander bringen: Auch mit 99 Jahren zieht es den Firmengründer jeden Vormittag an seinen Schreibtisch. Sein Verlag bringt Fachzeitschriften für die Branche Werkzeugmacher und Formenbauer heraus, sieben an der Zahl, eine in englischer Sprache. In Deutschland sei man Marktführer, international erreichten die Fachblätter eine Leserschaft in mehr als 30 Ländern, so hatte er in einem früheren Gespräch erzählt.
Die Zügel fest in der Hand
Gratulation vom Bürgermeister
Zum 100. Geburtstag erwartet Karl-Heinz Möller am Montag, 13. September, auch Bürgermeister Dirk Lukrafka in dem Familienunternehmen an der Neustraße 163Zu den Zeitschriften des Fachverlags Möller gehören neben „Der Stahlformenbauer“ unter anderem die Titel „Drehteil- und Drehmaschine“ und „Der Schnitt- & Stanzwerkzeugbau“. Mehr im Netz auf www.fachverlag-moeller.de.
Inzwischen schreibe er aber nicht mehr selbst, schränkt Karl-Heinz Möller ein, dafür sei sein achtköpfiges Team zuständig. „Ich bin hier Halbtagskraft“, sagt er vergnügt und seine Augen blitzen unternehmungslustig. „Ich wundere mich selbst, mein Herz schlägt und schlägt, wie eine Maschine. Sogar nachts.“ Blitzgescheit, körperlich fit, immer den Schalk im Nacken – und wer in der Firma die Zügel fest in der Hand hält, ist keine Frage.
Der Heimtrainer hält fit
So seien die Söhne Harald (64) und Erik (63) natürlich mit im Betrieb, „aber der Chef bin ich. Und ich könnte Ihnen auch noch unsere Kontostände sagen. Mach ich aber nicht“. Wieder dieses spitzbübische Lächeln, und ja, der Verlag mache ihm noch immer Freude. Jeden Morgen Punkt 9 Uhr holt ihn einer der Söhne von zuhause ab, „dann fahren wir zur Post, manchmal auch zur Bank“. Gegen 12 Uhr geht es wieder heim. „Dann mache ich mir zu Hause etwas zu essen, aber nichts Aufwendiges.“ Nach einem kurzen Nickerchen strampelt der 99-Jährige täglich eine halbe Stunde auf seinem Heimtrainer, „später bisschen Fernsehen, alles nichts besonderes, was man so macht.“ Was man so macht mit fast 100 Jahren...
Examen im Krieg absolviert
Schaut er zurück auf sein Leben, empfindet der Senior Dankbarkeit und auch Demut: „Wir haben in Deutschland seit 76 Jahren Frieden. Das ist nicht selbstverständlich, das muss man sich immer wieder sagen.“ Der gebürtige Essener kennt auch andere Zeiten: „Als ich 1946 aus englischer Gefangenschaft kam, ging es erstmal in den Bergbau. Das musste jeder, der nach Hause kam. Ich war damals als Maschinensteiger über Tage in der Zeche Emscher-Lippe in Datteln.“ Da hatte er nach einem abgeschlossenen Maschinenbau-Studium schon den Diplom-Ingenieur in der Tasche, „die Prüfung hab ich während des Krieges gemacht“.
Gefragt als Sachverständiger
Nach dem Krieg arbeitete Karl-Heinz Möller zunächst in einer Maschinenfabrik in Essen, „dort habe ich mich intensiv in die Branche Werkzeug und Formenbau gekniet“. Beruflich verschlug es ihn zwischenzeitlich nach Norwegen, dort lernte er seine Frau Solveig kennen, mit der er 48 Jahre glücklich verheiratet war. Zurück in Deutschland, kaufte die Familie ein Haus in Velbert. Karl-Heinz Möller, der unter anderem als vereidigter Gerichtssachverständiger tätig war, schrieb nebenbei auch immer technische Aufsätze. „Und dabei fiel mir auf, dass Themen, die den Formenbau betreffen, in polytechnischen Zeitschriften nur sehr selten vorkamen.“ Also kam er auf die Idee, einen Fachverlag zu gründen. „Der Stahlformenbauer“ hieß die erste Zeitschrift, mit der 1984 die Erfolgsgeschichte begann. „Ich hab das erst von Zuhause gemacht, dann wurde uns das Grundstück hier in Tönisheide angeboten.“
Stets Maß halten im Leben
Schaut der Verlagsgründer, der noch mit 90 Jahren ein Buch geschrieben hat, zurück, lautet seine Bilanz: „Die schlimmste Krise war zweifelsfrei Corona, da gab es auch bei uns Einbrüche. Das Heftigste ist vorüber, aber die Normalität ist noch nicht erreicht.“ Auch in seinem Geburtsjahr habe es Katastrophen gegeben, Naturkatastrophen und große wirtschaftliche Einschnitte. „1921 hatten wir noch die Spanische Grippe, nicht zu vergessen die Inflation, die bis 1923 andauerte.“ Karl-Heinz Möller – er spielte noch mit 88 Jahren regelmäßig Tennis – erzählt all dies, ohne einmal zu stocken. Ein Geheimrezept für seinen unglaublich fitten Zustand? Gebe es nicht, aber dann sagt er doch mit spitzbübischem Lächeln: „Maß halten. Beim Essen, beim Trinken, und auch sonst so im Leben.“