Velbert. Violinistin Nina Reddig begeisterte bei der Wintersession in der Eventkirche, Michael Mendl las, leider teils schwer zu verstehen, aus „Krabat“.
Sie lässt uns nicht warten bis in den Herbst: Nina Reddig, die Violinistin, die sich in Langenberg niedergelassen hat und das bereits renommierte herbstliche „Langenberg Festival“ gegründet hat. Mit einem Faible für die Langenberger Räumlichkeiten, die sich als Konzertsäle eignen, wählte sie diesmal die Eventkirche aus für ein Konzert, das an Hochkarätigkeit den Festivalkonzerten nicht nachstand – sozusagen als Zwischenaktmusik mit Blick auf das große Ereignis im Herbst.
Reddig hatte den Schauspieler Michael Mendl eingeladen, der schon zweimal die Festivalkonzerte rezitatorisch bereichert hatte und stand selbst als Solistin im musikalischen Mittelpunkt. An den Beginn setzte sie Adagio und Fuge aus der ersten Violin-Solosonate von Johann Sebastian Bach und überzeugte schon mit der ersten Passage. Fern aller akademischen Erwägungen barocker Aufführungspraxis gestaltete sie den Eingangssatz voller Poesie und geheimer Ahnung, ohne in schwärmerische Romantik zu verfallen – wohl wissend, dass Bach sich stilistisch nicht zwanghaft einordnen lässt, sondern aus Grenzen hinausragt.
Die darauf folgende Fuge – was heißt Fuge: Ein Wunderwerk an Kraft und Eindringlichkeit, die die Möglichkeiten auf der Geige auslotet und dem Solisten alles abverlangt. Meisterhaft hat Nina Reddig diesen Satz zur Darstellung gebracht.
Musiker machen Vivaldis klirrende Kälte in Velbert spürbar
Unterbrochen mit Rezitationen aus Ottfried Preußlers „Krabat“ folgte in der Eventkirche Vivaldis Violinkonzert „Der Winter“; der erste Satz rasant, impulsiv vorgetragen, Blitz und klirrende Kälte spürbar gemacht, dann voller Süße der Mittelsatz – eine Art Träumerei am Kamin. Der letzte Satz mir seinem Wechsel von sanft und derb geriet dann zum wahrlichen Renner. Der Effekt dieser Musik von Vivaldi ist nicht zu verfehlen, aber in diesem Fall muss man den Musikern zugestehen, dass sie mit besonderer Freude und Intensität die Großartigkeit dieser Musik erleben ließen. Abschluss und Höhepunkt bildete das Violinkonzert a-moll von Bach.
Nina Reddig hatte Schüler um sich geschart – Schüler (bzw. einer ist Co-Leiter) der ebenfalls von ihr gegründeten Langenberger Festival-Akademie. Und obwohl es sich nur um eine Quartettbesetzung handelte, spielten Johannes Gehring, Emily Leitgeb, Hannah Eichholz und Luca Miedek dermaßen engagiert und volltönend, stets aber differenziert und mit ausgefeilter Tongestaltung, dass man ein begleitendes Orchester nicht vermissen brauchte.
Nina Reddig bringt die Bachsche Musik in Langenberg zum Strahlen
Nina Reddig als Solistin blühte noch einmal zur Hochform auf und brachte die Bachsche Musik zum Strahlen, so dass man Komposition wie Interpretation nur als beglückend empfinden konnte. Nicht unerwähnt soll dabei bleiben, dass Nina Reddig auch ein ausgezeichnetes Instrument zur Verfügung steht – ein Werk des Geigenbauers Josef Kasak –, das Schmelz und Gewichtigkeit vorteilhaft verbindet.
Was dem Geiger die Geige, ist dem Schauspieler die Stimme. Und auf diesem Instrument kann Michael Mendl in Höhen und Tiefen, in ausgefeilter Sprachmelodie und umfangreicher Phonetik agieren. Man spürte, wie sehr er dem Text verbunden war und erlebte einen lebhaften, facettenreichen Vortrag.
Leise „Krabat“-Passagen sind in der Eventkirche nicht überall zu hören
Das Langenberg Festival 2022
Nach der Wintersession können sich Klassik-Fans nun auf das Langenberg Festival freuen. Es findet diesmal am ersten November-Wochenende statt. Mit Maximilan Hornung ist einer der besten Cellisten Deutschlands zu Gast, dazu kommt Gareth Lubbe. Er ist Professor an der Folkwang-Uni und wird – wie schon beim allerersten Festival – Oberton-Gesang darbieten.
Ob allerdings der Text des Kinder-Zauberbuches „Krabat“ an Bedeutung und Kunstfertigkeit der dargebotenen Musik ebenbürtig war und die überbordende Länge berechtigt war, kann wohl bezweifelt werden. Leider waren – obwohl Mendl auf der Kanzel in der Schallmuschel stand – die leisen Passagen nicht überall zu hören.
So mögen manche Gedanken abgeschweift sein, was aber auch durch Eingangsworte angeregt worden war, die zur Kontemplation aufgerufen hatten. Ein Friedenslicht auf dem früheren Altar machte nachdenklich über die Kriegswirren, die wir zu beklagen haben. Abschließende Lieder von John Dowland – vom Streicherensemble vorgetragen – vertieften diese Empfindung: „Flow my tears…“