Düsseldorf/Kreis Mettmann. Im Handwerk ist das Baugewerbe weiter die Konjunktur-Lokomotive. Trotz Wachstums ist dieser Wirtschaftssektor aber keineswegs frei von Sorgen.
Das Handwerk hierzulande hat im Vorjahr seinen Umsatz per saldo um etwa zwei Prozent gesteigert. Das heißt allerdings nicht, dass es ihm durch die Bank und ausnahmslos wirklich gut geht. Der Zuwachs ist dem Boom im Baugewerbe zu verdanken, das „weiterhin die Konjunktur-Lokomotive“ in diesem großen Wirtschaftssektor ist, wie Andreas Ehlert berichtet. „Mit hoher Nachfrage, hoher Auslastung, großem Fachkräftebedarf und steigenden Preisen“, fügte der Präsident Handwerk NRW und auch Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf jetzt beim Jahresauftakt-Gespräch hinzu. Hingegen seien einige Gewerke von der Corona-Pandemie arg gebeutelt.
Privates Geld reingesteckt
Ehlert nennt explizit Kosmetiker, Friseure, Fotografen und das Lebensmittelgewerbe. Sie alle hätten zumeist sehr starke Einbußen und steckten privates Geld in ihre Betriebe. Es bestehe die ernste Gefahr, das ihnen „die Puste ausgeht“. Weiter hätten andere Bereiche mit strukturellen Themen wie der Lieferketten-Problematik zu kämpfen oder seien durch das sich verändernde Mobilitätsverhalten gefordert. Mit Blick auf 2022 halte man insgesamt Umsatzzuwächse von drei bis vier Prozent für möglich. Unterm Strich werde davon aufgrund inflationärer Faktoren jedoch nichts übrig bleiben.
Mehrere Monate Wartezeit
Bei größeren Aufträgen müsse man sich derzeit auf drei bis vier Monate Wartezeit einrichten, schilderte Torben Viehl auf WAZ-Anfrage die Lage im Neanderland. „In allen Bau- und Ausbaugewerken sieht es gut aus, die Auftragsbücher sind voll.“ Aber es gebe mehrheitlich Material-Probleme, setzt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mettmann fort. Die Betriebe warteten teils acht Wochen auf Material, das sie früher „spätestens“ binnen vier bekommen hätten, und seien wirklich ausgelastet: „Für kleinere Aufträge kommt eigentlich keiner raus.“
Wieder Erprobungskurse in Mettmann
Nachwuchsprobleme? „Definitiv“, antwortet Viehl, „es wird immer schlechter.“ Das ganze Feld der Rekrutierung und Orientierung liege infolge der Pandemie und Corona-Regeln leider weitgehend brach. Hinzu komme, dass das Handwerk im Wettbewerb mit dem Studium stehe, das einen unverändert hohen Nimbus genieße. Die Kreishandwerkerschaft habe sich das Ziel gesetzt, mehr Schüler ins Handwerk zu bringen. Hierzu gehe man u. a. eine Kooperation mit der Velberter Martin-Luther-King-Hauptschule ein „und wir versuchen trotz Corona wieder Erprobungskurse durchzuführen“. Diese sollen dann erneut am Sitz der Kreishandwerkerschaft – ihr Motto lautet „Bei uns zählt nicht, wo man herkommt. Sondern wo man hin will“ – in Mettmann stattfinden.
Bei Ausbildung kräftig aufgeholt
„Fachkräfte sind der große Engpass“ für alle Herausforderungen, vor denen dieser Wirtschaftssektor stehe, sagt auch Andreas Ehlert und fordert in diesem Kontext eine neue Wertschätzung für die berufliche Bildung. Die offiziellen Ausbildungszahlen zum Ultimo von 2021 lägen zwar erst Mitte Februar vor, doch sei anhand der Daten der Kammern erkennbar, dass man im Vorjahr kräftig aufgeholt habe, obschon die Verluste aus dem ersten Corona-Jahr nicht allenthalben ausgeglichen worden seien.
Mehr als 1000 Betriebe mehr
Die Zahl der Betriebe ist der Bilanz zufolge NRW-weit um mehr als 1000 auf nunmehr knapp 196.000 gestiegen. Ja, es gibt sogar leichte Zuwächse bei den Fleischern. Kein gutes Jahr hat jedoch die Beschäftigung hinter sich. Sie ist vermutlich um ein halbes Prozent zurückgegangen. „Wir könnten viel mehr Fachkräfte einstellen, wenn sie denn auf dem Markt vorhanden wären.“ Der Fachkräftemangel sei unverändert eine massive Wachstumsbremse.
Pieks für mehr Freiheit
Die Corona-Regeln seien für Teile des Handwerks „schmerzhaft“, aber prinzipiell richtig. Letzteres gelte auch für flexiblere Quarantäne-Regeln, erklärt der Präsident: „Nur Impfungen bieten den Weg in die Freiheit.“ Das sei jedenfalls klar.
Im Neanderland arbeiten 25.000 Menschen im Handwerk
Die Kreishandwerkerschaft Mettmann betreut und vertritt das selbstständige Handwerk im hiesigen Kreisgebiet. Das sind fast 4200 Betriebe im Vollhandwerk und im zulassungsfreien Handwerk sowie zusätzlich mehr als 1100 handwerksähnliche Gewerbebetriebe.Sie alle zusammen beschäftigen 25.000 Menschen, bilden zudem fast 1900 Lehrlinge aus und erwirtschaften einen Jahresumsatz von bald drei Milliarden Euro.