Oberhausen. Der Fachkräftemangel ist seit Jahren bekannt. Besserung scheint nicht in Sicht. Bündnis will Firmen in Oberhausen und Mülheim helfen.

  • Fachkräftebündnis in Mülheim und Oberhausen lädt zu Auftaktveranstaltung
  • Firmenchefs schildern ihre Erfahrungen und sagen, woran es hapert
  • Fachkräftemangel hält an. Weiterbildungen als Alternative

Rund hundert Verbände hatten am 29. Januar 2025 den „Wirtschaftswarntag“ ausgerufen. Es sollte ein Weckruf an die Politik sein und Aufmerksamkeit auf die schwächelnde Wirtschaft lenken. Die Sorgen sind groß, Stellenabbau bei VW und Thyssenkrupp machen Schlagzeilen.

Trotz der seit zwei Jahren andauernden Wirtschaftskrise, in der Beschäftigte entlassen werden, finden Unternehmen nach eigener Darstellung zu wenige gute Arbeitnehmer, die sie für ihre Branche dringend benötigen. Deshalb versuchen die Oberhausener und Mülheimer Unternehmen, sich nun selbst zu helfen, um den immer noch anhaltenden Mangel zu beheben. Sie folgen dem Aufruf der Arbeitsagentur zum Auftakt für das „Fachkräftebündnis“. Rund 50 Vertreterinnen und Vertreterinnen haben sich im „B3“ an der Mülheimer Straße in Oberhausen versammelt, um Informationen aus erster Hand über Weiterbildungen zu erhalten. Getreu dem Motto: Wenn sich kaum noch einer bewirbt, kümmern wir uns selbst.

Im November 2024 hatten die Oberbürgermeister von Mülheim und Oberhausen eine Charta unterzeichnet, die mit mehreren Maßnahmen durch Netzwerkarbeit dem Fachkräftemangel entgegentreten soll. Extra-Geld aus der Stadtkasse gibt es zwar nicht, aber in der Arbeitsagentur wurde eine Fachabteilung eingerichtet. Erstes sichtbare Zeichen: Eine Homepage soll Unternehmen schneller den Weg zu Ansprechpartnern und Fördermöglichkeiten weisen.

So werden etwa die Kosten für Weiterbildungen bis zu 100 Prozent erstattet. „Wir alle sehen zunehmend, wie schwierig es ist, Fachkräfte zu gewinnen“, sagt Lisa Wrobel von der Arbeitsagentur. Der Blick in die eigenen Reihen kann helfen.

Fachkräftemangel in Oberhausen und Mülheim: Arbeitsklima soll Mitarbeitende binden

Michaela Rosenbaum von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Mülheim.

„Vor zehn Jahren hatten wir auf freie Stellen einen Stapel an Bewerbungen. Das hat sich drastisch verändert.““

Michaela Rosenbaum
Geschäftsführerin der AWO Mülheim

Dabei muss es nicht immer eine mehrjährige Ausbildung sein. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Mülheim setzt beispielsweise auf das Arbeitsklima, um die Zugehörigkeit zu den Teams und zum Arbeitgeber zu festigen. „Die Mitarbeitenden müssen sich wohlfühlen“, beschreibt Geschäftsführerin Michaela Rosenbaum das Ziel. Bei der Dienstplangestaltung werde daher Wert auf Individualität gelegt. Wünschen werde Rechnung getragen, der Dienstplan an persönlichen Situationen wie Kinderbetreuungszeiten angepasst. „Im Moment sind alle Stellen besetzt“, sagt Rosenbaum.

Aber auch die AWO-Chefin weiß vom Fachkräftemangel zu berichten. „Vor zehn Jahren hatten wir auf freie Stellen einen Stapel an Bewerbungen. Das hat sich drastisch verändert.“ Beispielhaft sind stationäre Pflegeeinrichtungen, in denen Menschen rund um die Uhr versorgt werden müssen. Der Schicht- und Nachtdienst schrecke viele ab. „Generationen verändern sich“, sagt Rosenbaum.

Fachkräftemangel in Mülheim: Sanierungsfirma erlebt „Dilemma“

Zukunkt braucht Fachkräfte
Sieht Sanierungsfirmen in einem Dilemma: Reiner Schäfer von svt. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Das spürt auch Reiner Schäfer. Er ist für den Vertrieb der „Schadensanierung svt“ zuständig. Das überregionale Unternehmen hat eine Niederlassung in Mülheim. Das Berufsfeld benötige zwei Gruppen: Geringverdiener für einfache Abrissarbeiten und hoch qualifizierte Fachkräfte wie Techniker und Bauingenieure. Beide seien auf dem Arbeitsmarkt schwer zu bekommen, berichtet Schäfer. Sein Unternehmen sei auf Zuwanderung von Arbeitnehmern angewiesen, denn einfache Arbeiten fänden in der deutschstämmigen Bevölkerungsgruppe kaum noch Anklang: „Sie wollen sich nicht die Hände schmutzig machen.“

Für die höher qualifizierten Posten hingegen gebe es zu wenige Fachkräfte. „Da gilt es, die wenigen Leute, die sich in dem Zweig tummeln, herauszusuchen.“ Das Unternehmen Svt mit Hauptsitz in Seevetal und 1800 Beschäftigten gehe deshalb an Hochschulen, um Praktikanten zu gewinnen. Die Sanierungsbranche befinde sich „in einem Dilemma“, meint Schäfer.

Zukunkt braucht Fachkräfte
Eigene Kompetenzen fördern: Eliana Salber (rechts) vom Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim (WOM) hilft Menschen, sich zu qualifizieren. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

In einem Dilemma stecken aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen, die sich nach Arbeit umsehen. Eliana Salber vom Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim (WOM) berichtet von Klienten, die in andere Branchen und Berufe umsteigen wollen, aber nicht die Voraussetzungen mitbringen. „Viele wollen nicht mehr im Handwerk arbeiten. Sie wollen ins Büro - aber wie?“

Konkret berate der Verein frühere Beschäftigte des geschlossenen Vallourec-Werkes in Mülheim. Die Bewerber müssten sich weiterbilden, scheuen aber vor dem nochmaligen Lernen zurück: „Ich sage ihnen dann: ,Das ist nicht wie in der Schule. Das ist Erwachsenen-Lernen‘.“ Man werde genau auf die Prüfung vorbereitet, könne virtuell lernen - für den Job, aber auch für sich selbst.

Arbeitsmarktexperte: Fachkräftemangel wird noch schlimmer

Zukunkt braucht Fachkräfte
Peter M. Urselmann vom Weiterbildungsinstitut WBI sieht noch größere Probleme auf den Arbeitsmarkt zukommen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Menschen tun sich grundsätzlich schwer, wenn es um Veränderungen geht“, beobachtet Peter M. Urselmann vom Weiterbildungsinstitut WBI. Dabei verändert sich nicht nur die persönliche Situation, sondern auch der Arbeitsmarkt mitunter rasant. Künstliche Intelligenz droht in Zukunft, viele Berufsfelder überflüssig zu machen, dazu kommen neue Auffassungen über die Work-Life-Balance. Der größte Faktor im Fachkräftemangel sei aber ein anderer, findet Urselmann. „Die Künstliche Intelligenz alleine ist es nicht. Der Fachkräftemangel wird durch die Demoskopie verschärft.“

>>> Hilfreiche Übersichten

Informationen über Weiterbildungen gibt es im Internet dieser Übersichtseite: www.mein-now.de

Das Fachkräftebündnis stellt für Unternehmen Informationen auf diesen Seiten bereit: unternehmen.bildung-oberhausen.de

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