Oberhausen. Der Chef der Oberhausener Arbeitsagentur schlägt Alarm, bezeichnet die Lage als dramatisch schlecht. Warum es nicht mehr rund läuft.

Der Chef der Oberhausener Arbeitsagentur schlägt Alarm: „Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist dramatisch schlecht“, sagt Jürgen Koch. Die mahnenden Worte sind einer brisanten Entwicklung geschuldet. Es fehlen Ausbildungsstellen, aber auch die Zahl der Bewerber nimmt ab.

Zahl der Ausbildungsstellen in Oberhausen deutlich geschrumpft

Aktuelle Zahlen bereiten dem Geschäftsführer der Agentur große Sorge, wie er es bei der Bilanz zum Ausbildungsmarkt zum Ausdruck brachte. Die Jugendlichen hatten in diesem Jahr 202 Stellen weniger zur Auswahl als 2023 - mit damals noch 1045 Plätzen. Das macht ein Minus von 16,2 Prozent aus. Aber auch das Interesse der jungen Menschen an einer Ausbildung schrumpfte und lag um 151 Bewerber niedriger als im Vorjahr mit insgesamt 1381 jungen Menschen. Das sind 9,9 Prozent weniger.

Nach Worten von Koch fehlt es in Oberhausen an einer Lobby für Ausbildung. Auf der einen Seite bräuchten Firmen mehr Unterstützung, um Lehrstellen zu schaffen oder zu halten, aber auch die Jugendlichen sollten mehr oder auch bessere Chancen bekommen, die Vielfalt an Ausbildungsberufen mit ihren Möglichkeiten kennenzulernen. Die Praktikumsbörse im Internet, initiiert von Agentur, Jobcenter und Stadt, mit einem umfassenden Angebot an Berufspraktika sei beispielweise ein Schritt in die richtige Richtung.

Bilanz zum Ausbildungsjahr 2024 in Mülheim an der Ruhr
Jürgen Koch, Chef der Oberhausener Arbeitsagentur: Es fehlt an einer Lobby für Ausbildung. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Erheblich weniger Ausbildungsverträge in Oberhausen abgeschlossen

Dass sich wiederum Firmen von der Ausbildung verabschieden, habe ganz unterschiedliche Gründe. Beispiele: Mitunter sei die Ausbildungsreife der Jugendlichen nicht gegeben. Oder ein Firmenchef denke ans Aufhören und stelle deshalb keine jungen Menschen mehr ein. Manche Unternehmer haben sogar über längere Zeit mit viel Engagement Nachwuchs ausgebildet, in der Hoffnung, die jungen Leute würden auch bleiben. Doch stattdessen sei der frisch gebackene Geselle zu einem anderen Betrieb abgewandert oder habe es vorgezogen, anschließend ein Studium zu beginnen.

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Die Einbrüche auf dem Ausbildungsmarkt zeigen sich auch an den Zahlen der Industrie- und Handelskammer. Bis Ende September hatten die Oberhausener IHK-Unternehmen mit 508 etwa 11,5 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als noch im Vorjahr. Während es in Branchen wie Metall eher zu keinen Einschnitten kam, gingen die Zahlen im Elektrobereich oder vor allem auch im Handel deutlich zurück. Geschäftsaufgaben und Stellenabbau wirken sich entsprechend aus, erläuterte IHK-Fachmann Robert Schweizog.

Gleichwohl appellierte er an die Unternehmen im Kammerbezirk zu prüfen, inwieweit sie nicht doch noch jungen Menschen eine Chance geben können. Für kleinere Betriebe würde es sich durchaus anbieten, im Verbund auszubilden, um den Aufwand gemeinsam zu schultern.

Bilanz zum Ausbildungsjahr 2024
Vertreter der Agentur für Arbeit, der IHK, des Handwerks, des DGB und des Unternehmerverbandes Ruhr-Niederrhein zogen Bilanz zum diesjährigen Ausbildungsmarkt in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Manchen Bewerbern fehlt es an Wissen über den Beruf ihrer Wahl

Durchaus erfreulicher sieht hingegen die Lage im Handwerk aus, wie Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, erläuterte. Die Oberhausener Firmen haben bei den Verträgen draufgesattelt und mit 330 rund 30 mehr Verträge abgeschlossen als noch im Vorjahr. Viele Betriebe zeigen durchaus Bereitschaft, auch schon mal mit Jugendlichen zu arbeiten, deren Lebensweg bislang „nicht ganz so gradlinig verlaufen ist“. Eine Reihe Firmen wolle auch ganz gezielt den Altersdurchschnitt in der Belegschaft senken und frühzeitig Nachwuchskräfte schulen.

Zugleich beklagen Handwerker aber auch, dass zahlreiche Stellen unbesetzt bleiben und Bewerber unzureichende Vorstellungen haben, was auf sie kommt. Bei der Berufsorientierung müsse man noch stärker nachlegen, so die Geschäftsführerin.

Bilanz zum Ausbildungsjahr 2024 in Mülheim an der Ruhr
Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft für Mülheim und Oberhausen: Firmen beklagen Fachkräftemangel. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Viele Unternehmen in Oberhausen stehen enorm unter Druck

Elisabeth Schulte vom Unternehmerverband Ruhr-Niederrhein verwies auf das vielfältige Engagement von Firmen, um jungen Leuten eine berufliche Zukunft zu bieten. Aber zugleich stellte sie heraus, wie sehr die Wirtschaft unter Druck stehe, angefangen bei den Konjunkturdaten über die Belastung durch Bürokratie, Personal- und Energiekosten bis hin zu den politischen Unsicherheiten. Dennoch würden Betriebe große Anstrengungen unternehmen, um gegen den Fachkräftemangel anzukämpfen.

Diese Aussage wollte indes der heimische DGB-Chef Dieter Hillebrand so nicht stehen lassen. Dass Fachkräfte fehlen, sei in weiten Teilen ein hausgemachtes Problem. Zu viele Betriebe hätten sich aus der Ausbildung zurückgezogen, unterstrich der Gewerkschafter und forderte ferner, eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen einzuführen.

Nach aktuellem Stand haben in Oberhausen bislang 232 Jugendliche noch keine Stelle gefunden und 150 Plätze sind unbesetzt. Allerdings heben Agentur, Handwerk und IHK hervor: Im laufenden Ausbildungsjahr können Firmen auch weiterhin noch Verträge mit Bewerbern abschließen.

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