Oberhausen. In Oberhausen sammelt eine Cleanup-Gruppe Müll, der achtlos weggeworfen wird. Was Mitglieder bei der Aktion finden, ist kurios und erschreckend.
- Eine Oberhausener Gruppe an freiwilligen Helfern, trifft sich regelmäßig, um Müll zu sammeln, den Fremde achtlos weggeworfen haben.
- Sie finden Autoreifen, Küchenunterschränke oder Telefone.
- Im letzten Jahr kam ein Gewicht von mehr als 16 Tonnen Müll zusammen.
Vorsichtig kämpft sich Wibke Maaß am Absperrzaun vorbei. Mit ihrer 17-köpfigen Gruppe betritt sie den Bereich des ehemaligen Fußballvereins Spielclub 1920 Oberhausen an der Knappenstraße. Eigentlich ist der Zutritt für Unbefugte verboten. Doch ein Nachbar, der den Zaun einst aufgestellt hatte, erlaubt der Gruppe Cleaning-Green, an diesem Samstagmittag hier Müll zu sammeln.
Seit 2022 kommen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer alle zwei bis drei Wochen zusammen. Sie treffen sich an einem ausgewählten Ort in Oberhausen und sammeln Müll. Müll, den die Menschen achtlos und illegal in der Natur entsorgt haben. „Der Standardspruch am Anfang lautet immer: `Hier liegt ja gar nichts rum.´“, sagt Teilnehmer Markus Bosch. Doch diese Annahme wird bei jeder Aktion schnell verworfen. Im letzten Jahr brachte der gesammelte Unrat mehr als 16,4 Tonnen auf die Waage.
Teilnehmerin brach sich bei einer Sammelaktion die Hand
Mit Handschuhen und Warnwesten gekleidet und Müllzangen und blauen Säcken in der Hand, bahnt sich die Gruppe ihren Weg durchs Gestrüpp. Unachtsamkeit wird direkt bestraft. Einmal nicht nach vorne geschaut, peitschen einem die spitzen Äste ins Gesicht. Eine der Cleanup-Aktionen endete für eine akribische Helferin sogar in der Notaufnahme. Sie war ausgerutscht. Diagnose: Mittelhandbruch.
Kaum hat die große Aufräumaktion diesmal begonnen, schwirren die Sammler in alle Ecken des heutigen Hotspots aus. Mal reichen zwei starke Hände, um die eingebuddelte Plastikplane aus der Erde zu zerren. Bei Küchenunterschränken werden dann doch mehrere Handschuhe dreckig, um diese über den Zaun zu hieven. Kleinteile wie alte Spülmittelflaschen oder Telefone landen in den mitgebrachten blauen Säcken.
Müllsammeln als Meditation
„Vorsicht, ich werfe“, schallt es aus dem Dickicht. Kaum haben die anderen Teilnehmer den Weg frei gemacht, segelt eine schwarze Sporttasche im hohen Bogen durch die Luft. Diese scheint wohl vor einiger Zeit den Weg vom Spielclub 20 nicht mehr nach Hause gefunden zu haben.
„So, gleich habe ich einen halben Quadratmeter sauber. Und das nach einer Stunde“, scherzt Markus Bosch. Etwas mehr hat er in dieser einen Stunde dann doch geschafft, wie sich am Ende zeigen wird. Für ihn sei die Aufräumaktion wie Meditation. Während die Plastikschläuche oder Tomatenmarkpackungen den Weg in seinen Mülleimer finden, entspannt er sich. Aber er weiß auch: „Wir müssen dahin, wo es wehtut.“ Eine andere Teilnehmerin pflichtet ihm bei, während sie über einen Baumstamm steigt, der ihr den Weg versperrt. „Das ist wie in der Muckibude. Da brauchst du keinen Sport mehr.“
„Die Gruppe ist optimal für alle, die nicht gerne alleine sind und gerne was Gutes tun“
Auch Gelsenkirchener helfen bei der Sammelaktion in Oberhausen
Einen weiteren positiven Nebeneffekt haben die regelmäßigen Treffen außerdem. Der soziale Austausch in der Gruppe lässt sogar Unterstützer aus Gelsenkirchen oder Castrop-Rauxel nach Oberhausen kommen. Müll gäbe es auch in diesen Städten sicherlich genug, aber die Gemeinschaft und Organisation der Oberhausener Truppe sei einzigartig, schildern mehrere Mitglieder. „Die Gruppe ist optimal für alle, die nicht gerne alleine sind und gerne was Gutes tun“, sagt Initiatorin Maaß.
In der Teilnehmerliste finden sich auch schon Fünfjährige, die sich als echte Umweltschützer erweisen. Der älteste Teilnehmer ist 82 Jahre alt. Zu einem Cleanup kommen im Schnitt 15 Personen, in der Whatsapp-Gruppe sind über 40 Personen. Auch, wenn mal eine kurzfristige Aktion startet, „irgendwer findet sich immer, der anpackt“, weiß Maaß.
Spülmittelflasche aus den 60er-Jahren ist der älteste Fund in Oberhausen
Bei ihren Cleanups ist die Truppe schon auf die verrücktesten und vor allem ältesten Fundstücke gestoßen. In einer Box sammelt Maaß besondere Exemplare. Die älteste Errungenschaft: Eine Pril-Spülflasche aus den 1960er Jahren. Auch das erste Modell einer Fanta-Getränkedose verrottete über Jahrzehnte in Oberhausener Büschen. Eine Sammelaktion an der Knappenhalde erwies sich als reine Fundgrube. An einem Tag konnte der Haldenhang von mehr als 500 Bierflaschen befreit werden.
Zum Ende jeder Sammelaktion werden die Säcke, Eimer und größerer Unrat gewogen. An diesem Tag bringen die Fundstücke ein Gewicht von 673,4 Kilogramm auf die Waage. Zusammen mit dem ersten Cleanup an dieser Stelle fischten die Ehrenamtler insgesamt 1,6 Tonnen Müll aus der Dreckecke an der Knappenstraße.
Für die 17-köpfige Helfermannschaft ein Erfolg. Auch wenn jeder Helfer freiwillig in die Büsche kriecht und Spaß daran hat, sich die Finger schmutzig zu machen, ist es doch immer wieder erschreckend, wie achtlos die Menschen ihren Müll in die Umwelt schmeißen. Und was passiert jetzt mit den Fundstücken?
Der gesammelte Müll wird im Anschluss von der WBO abgeholt. Pfandflaschen und Altglas werden gesondert entsorgt. E-Zigaretten, Batterien und Handys bringt Maaß zum Schadstoffmobil. Mit Hilfe des eingenommenen Pfandgeldes pflanzt Maaß in Oberhausen neue Bäume. Um der Umwelt ein Stückchen Leben für das zurückzugeben, was ihr durch die illegale Müllentsorgung genommen wurde.
Über den Instagram-Account @cleaning_green_oberhausen informiert Maaß über die Erfolge der Cleanups und die nächsten Termine. Interessenten können sich über diese Seite bei Maaß melden.