Oberhausen. Einen preiswerten Baustoff haben Oberhausener Forscher entwickelt. Die Erfindung müsste ein Renner sein. Warum der Durchbruch schwierig ist.
Für den Häuserbestand in Deutschland ist es eine Mammutaufgabe: Die meisten Gebäude müssen in nächster Zeit neu gedämmt werden. In Oberhausen haben Fachleute längst einen Stoff entwickelt, mit dem sich die Herausforderung im wahrsten Sinn recht leicht bewältigen ließ. Denn das Material, poröse Perlen, besteht zu 99 Prozent aus Luft und ist für Dämmtechnik wie geschaffen. Es lässt sich gut verarbeiten und macht Styroporplatten überflüssig.
Oberhausener Forscher ist eine preiswerte Produktion gelungen
Mittlerweile haben die Fachleute vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) hoch dotierte Auszeichnungen dafür erhalten, dass sie die sogenannten Aerogele deutlich preiswerter herstellen können als alle Vorgängermodelle. Damit ist die Zeit eigentlich reif, das Produkt in Serie herzustellen. Doch momentan kommen Institutschef Manfred Renner und Abteilungsleiter Nils Mölders nicht weiter.
Dem wissenschaftlichen Institut selbst sind die Hände gebunden. Denn im Kern handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der nun mal keine Gewinne erzielen darf. Deshalb suchen die Experten händeringend Firmen, die den Stoff auf den Markt bringen, und zwar in Masse. Doch bislang hat kein Unternehmer eingeschlagen.
Wenn es um Investitionen geht, halten sich viele Firmen offensichtlich zurück
Nach den Gründen muss der Institutsleiter nicht lange suchen, sie liegen auf der Hand. Da ist zum einen die allgemeine Lage in der Baubranche. Die Zinspolitik hat - und das will Renner keinesfalls wertend verstanden wissen - die Preise steigen und die Bereitschaft zu Investitionen sinken lassen. Das kann man bedauerlich finden, aber es ändert nichts daran, dass Unternehmen sich zögerlich verhalten, wenn sie für Vorhaben im besonderen Maße Geld in die Hand nehmen sollen.

Doch nicht nur das allgemeine Geschäftsklima wirkt wie eine Bremse. Auch die Art des Produktes erschwere die gewünschte Entwicklung, erklärt Renner. Wenn es sich heutzutage um digitale Entwicklungen handelt, die ein Unternehmen auf den Markt bringt, sind die Investitionen verhältnismäßig gering im Vergleich zu den potenziellen Gewinnen, die sich meist in kürzester Zeit einstellen und zügig nach oben schnellen.
Oberhausener Institutschef spricht von lohnenswerten Investitionen
Im Fall der Aerogele verhält es sich komplett anders: Eine Firma, die den Stoff in Masse produzieren will und die sich vorzugsweise in Verfahrenstechnik auskennt, muss, mindestens eineinhalb bis zwei Jahre für den Bau der Anlagen einplanen, ein üblicher Zeitrahmen für solche Projekte. In dieser Zeit fallen aber erst einmal nur Ausgaben an, mit ersten Einnahmen ist erst danach zu rechnen. Und „bis es Spaß macht“, also gutes Geld verdient wird, geht noch einmal einige Zeit ins Land.

Schließlich bedarf es Unternehmen, die Mitarbeiter einstellen, die gesamte Organisation, Produktion und Vermarktung übernehmen, ergänzt Renner. Das sei natürlich mit Kosten und Aufwand verbunden. Doch alle die Mühen sind nach Worten des Institutschefs durchaus lohnenswert.
Erster Platz beim NRW-Innovationspreis für das Produkt aus Oberhausen
Denn derjenige Unternehmer, der die Lizenz und die Beratung durch Fraunhofer Umsicht erhält, ist zunächst einmal als einziger mit dem Produkt am Markt vertreten. Eine Konkurrenz oder einen Mitbewerber werde es vor allem in den Anfangsjahren auf keinen Fall geben. Zudem liege der besondere Wert des Materials nach Art des Forschungsinstituts darin, dass es sich im Vergleich zu Vorgängerprodukten deutlich preiswerter herstellen lasse, etwa 70 Prozent günstiger.
Dafür wurden Renner und sein Team bereits mit zwei hochdotieren Preisen ausgezeichnet: 50.000 Euro im vergangenen Jahr von der Fraunhofer-Gesellschaft und 100.000 Euro als Innovationspreis (1. Platz) des Landes NRW in diesem Jahr.

Produkt aus Oberhausen ist vielseitig verwendbar
Dass sich mit den Aerogelen große Märkte erschließen lassen, zeichne sich auch schon deutlich ab, untermauert Renner. Es stehe ein breit gefächerter Abnehmermarkt bereit: Dazu gehört die Baubranche, die angesichts der Energiewende gern solche umweltfreundlichen Produkte verwendet. Doch Aerogel kommt auch für Kühlschränke und Batterien als Isoliermittel in Betracht. Weitere Anwendungsgebiete gibt es in der Luft- und Raumfahrt.
Um für das Produkt zu werben, kann der Institutsleiter durchaus schon auf Referenzprojekte verweisen, bei denen allerdings Aerogelputz zum Einsatz kam, der auf herkömmliche Art in einer Pilotanlage entstand. Dazu gehören 136 denkmalgeschützten Wohnungen im historischen Hanseviertel in Lübeck und das Rathaus in Hohen Neuendorf nördlich von Berlin