Oberhausen. Peter Kersken begeistert in ausverkauftem Saal die Sterkrader Krimi-Liebhaber mit „Die Tote aus der Emscher“ - und mit Bratkartoffel-Anekdoten.

Auf verschlammten Feldern nur fußhohes Getreide, halbverfaulte Kartoffeln von der Größe einer Kirsche und Regen ohne Ende im September 1816 – es konnte einem bei der ersten großen Lesung des wunderbaren „Sterkrader Lesesommers“ im ausverkauften „Klumpen Moritz“ schon verdammt kalt den Rücken herunterrinnen. Kein Wunder also, dass jenes „Jahr ohne Sommer“, das den vor 208 Jahren wohl als Sterkrader Heimatdichter gerühmten Krimi-Autor Peter Kersken zu seinem historischen Roman „Die Tote in der Emscher“ (Emons-Verlag) inspirierte, im Volksmund als „Achtzehnhundertunderfroren“ in Erinnerung blieb.

Natürlich konnte damals niemand, geschweige denn die bäuerliche Bevölkerung der kleinen Siedlung nördlich der Emscher, auch nur entfernt ahnen, was der Grund für den verdunkelten Himmel über halb Europa sowie Nordamerika war, der zu massenhaftem Elend und Hungersnöten führte. Erst hundert Jahre später gab es eine wissenschaftliche Erklärung für die folgenreiche Klimaveränderung: Ein gewaltiger Ausbruch des Vulkans Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im April 1815 hatte die Erdatmosphäre mit unvorstellbaren Mengen an Staub und Asche verschleiert.

Schloss Oberhausen in einer frühen Ansicht aus dem Bestand des Stadtarchivs: Die dortige Poststation macht Peter Kersken zum Roman-Schauplatz.
Schloss Oberhausen in einer frühen Ansicht aus dem Bestand des Stadtarchivs: Die dortige Poststation macht Peter Kersken zum Roman-Schauplatz. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gottesfürchtig, wie die Sterkrader weiland waren, hadern sie mit ihrem Schicksal und kommen rasch auf die Idee, die selbstbewusste Kräutersammlerin Anna Hasenleder sei eine Hexe und an allem Elend schuld. Und da Aberglaube bekanntermaßen Unglück bringt, findet sich diese bald als „Die Tote in der Emscher“ wieder.

Erfolgsrezept: „Den Finger eines Gehenkten am Bindfaden ins Bierfass senken“

Was folglich den Kriminalrichter Anton Demuth, einen 62-jährigen Witwer aus Werden, wo das preußische Inquisitorialgericht ansässig war, an seinen Geburtsort führt, um den Todesfall aufzuklären. Verständlich, dass man davon während der Lesung nichts erfuhr: „Vielleicht wollen Sie das Buch ja noch lesen“, so Peter Kersken augenzwinkernd. Stattdessen kredenzte er mit Blick auf Ermittler Demuth zahlreiche historische Fakten, von den wechselnden Herrschaftsverhältnissen in Sterkrade bis zur zeitweise parallel existierenden preußischen und französischen Rechtsprechung im rheinischen Revier.

Nur eine schöne Erfindung ist allerdings die (historisch durchaus mögliche) Begegnung des Kriminalrichters mit einem Düsseldorfer Kaufmannssohn, Harry Heine, in der Poststation am neugebauten Schloss. Als das Gespräch auf Hexen kommt, berichtet der Knabe von wunderlichen Erfahrungen mit einer „Die Gocherin“ genannten Witwe eines Scharfrichters. Die zehrt nämlich bei den Düsseldorfer Brauern vom grausigen Erbe ihres Gatten: „Wenn man den Finger eines Gehenkten an einem Bindfaden in ein Bierfass senkt, wird das Bier wohlschmeckender und man gewinnt viermal soviel aus dem Fass.“ Da schluckte so mancher im „Klumpen Moritz“ beim Blick auf sein Kaltgetränk.

Heinrich Heine (1797 bis 1856), hier in einem Porträt aus seinen letzten Lebensjahren im Pariser Exil: Peter Kersken erfindet in seinem Roman eine schauerliche Szene mit dem damals 18-jährigen Harry Heine am Schloss Oberhausen.
Heinrich Heine (1797 bis 1856), hier in einem Porträt aus seinen letzten Lebensjahren im Pariser Exil: Peter Kersken erfindet in seinem Roman eine schauerliche Szene mit dem damals 18-jährigen Harry Heine am Schloss Oberhausen. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance

Die Pause kam da gerade recht, nach der Peter Kersken an seine literarische Inanspruchnahme der bekannten Gaststätte erinnerte: In seinem Roman „Tot an der Ruhr“ hieß sie 1866, da gab es den Sterkrader Bahnhof schon, „Zum dicken Klumpen“, in der sich der Polizei-Diener Martin Grotkamp Bratkartoffeln – „mit zwei Handvoll Speck“ lockt der schmierige Wirt – nach einigem Zögern servieren lässt.

1912 ist die ehemalige Bauernsiedlung auf 42.000 Bewohner angewachsen und ein veritabler Industriestandort, erzählte Kersken, der in seinem Krimi „Im Schatten der Zeche“ nun den dicken „Zum grünen Klumpen“ mutiert hat. Klar, dass auch sein Kriminalwachtmeister Zomrowski dort einkehrt und (zur Überraschung des Autors!) ebenfalls Bratkartoffeln bestellt – „mit zwei Handvoll Speck“ jubelten die begeisterten Zuhörer im aufgeheizten Saal, dessen Lokalkolorit bestens zu Peter Kerskens historischen Kriminalromanen passte, die nach seiner unterhaltsam-lehrreichen Lesung reißenden Absatz fanden.

Die weiteren „Lesesommer“-Termine sind kostenlos

Nach dem grandiosen Auftakt, ein voller Erfolg für die Gastgeber vom Literaturhaus Oberhausen, gilt für alle weiteren Termine beim „Sterkrader Lesesommer“: Eintritt frei. Eine Übersicht online bietet sterkrader-lesesommer.de - gedruckt auch als Flyer, der an zahlreichen Orten in Sterkrade ausliegt.

Der Lesesommer ist ein Sterkrader Gemeinschaftsprojekt: Ein Team aus Citymanagement, Kulturflur e.V., Literaturhaus, Bücherleben e.V. und Stadtteilbibliothek stellt das Programm zusammen.