Oberhausen. Helene Fischer ist längst in die Champions League der Volksmusikstars aufgestiegen. Am Dienstagabend beklatschen 10.200 Fans ihre dreistündige Show in der Oberhausener König-Pilsener-Arena. Die 28-Jährige zeigt dabei jedoch eher die Show eines Popstars - mit ebenso vielen Klamottenwechseln.
Oje! Alles läuft glatt für Helene Fischer in Oberhausen, nur das nicht. Als ein Fan ihr einen Schal am Bühnenrand überreicht, passt die Künstlerin für einen Moment nicht auf. Sie zeigt das Mitbringsel in die Kamera und die projiziert den Gegenstand sofort auf die Videoleinwand: „FC Schalke 04!“ Die Folge: Ein kurzzeitiges Pfeifkonzert.
Helene Fischer kann man monotones Einerlei ansonsten nicht unterstellen. Die 28-Jährige überrascht 10.200 Fans in der ausverkauften König-Pilsener-Arena am Dienstagabend mit einer feudal anmutenden Wechselgarderobe. Vorurteile gehören bei ihr in die Mottenkiste. Von wegen altbacken: Das dreistündige Konzert bleibt an Abwechslung und Spielwitz kaum etwas schuldig.
Schon nach den ersten Minuten hat die Sängerin auch muffelige Skeptiker mit einem breiten Lächeln auf ihrer Seite gebracht. „Ich freue mich sehr, dass ihr alle gekommen seid!“ Das hört sich an, wie ein Standardgriff ins große ABC der Schmeichelbegrüßungen, aber bei Helene Fischer klingt es fast so, als wolle sie damit jedem Gast einzeln die Hand schüttelt. Mit so etwas verschafft man sich Gehör. „Sehr höflich“, räuspert ein älterer Herr in den Sitzreihen seiner Partnerin zu. Das Publikum ist sonst alterstechnisch völlig gemischt. 10.200 Gäste klatschen sich schnell ein.
Im Klatsch-Kanon ging es bei Helene Fischer von Hit zu Hit
Auf die übliche Aufwärmphase verzichtet die Freundin von Volksmusik-Ikone Florian Silbereisen. Im Klatsch-Kanon geleitet sie die Fans von Hit zu Hit. Schnell schallt ihr Mitsinghit „Mitten im Paradies“ durch die komplett gefüllte Halle und selbst Ehegatten, die nur schweren Herzens auf die zeitgleich stattfindende Champions- League-Begegnung des FC Bayern München verzichten, kommen langsam in Laune.
Bunte Leuchtstäbe schwenken über die Köpfe in den Sitzreihen, die wegen des großen Anhangs sogar eine halbe Stunde früher als gewöhnlich eingenommen werden konnten. „So viele Menschen. Das ist ein Wahnsinn!“, findet denn auch die Protagonistin. Die gewaltige Mitsing-Laune beeindruckt selbst eine Künstlerin, die mit Echo, Goldener Kamera und Goldener Henne eigentlich so ziemlich alles gewonnen hat, was in ihrem Genre von Bedeutung ist. Fischer und ihr Chor – das passt.
Flirt mit dem Sitznachbarn, Palavern über Alltagswehwehchen
Die 28-Jährige zeigt sich wandlungsfähig: Sie zieht im knappen Abendkleid die Blicke auf sich, wechselt dann ins elegante Ausgehensemble und zeigt sich danach sportlich fesch. Showeffekte wie bei den Popstars. Das klingt nach Volksmusik modern und doch wertetreu. Der Plausch mit dem Publikum, der Flirt mit dem Sitznachbarn und das Palavern über kleine Alltagswehwehchen. Dieses Rezept ist vorhersehbar - die Nähe zum Publikum verliert Helene Fischer trotz der monströsen Halle aber nicht.
Doch eigentlich ist es kaum echte Volksmusik oder Schlager – Helene Fischer wird zu Whitney Houston („I Will Always Love You“), markiert Tina Turner („Goldeneye“), mischt hauptsächlich Pop hinzu für ein Genre-übergreifendes Konzert. Eine völlig kantenfreie, aber nicht seichte Unterhaltungsshow – mit Backgroundtänzerinnen, grellen Lichtkegeln, über die Bühne hinaus ausfahrender Plattform und protziger Glitzerleinwand bestückt. Das Publikum feiert seinen Star mit lange anhaltendem Applaus – und Helene Fischer lächelt herzlich zurück.