Oberhausen.. Eine neue Selbsthilfegruppe im Johanniter-Krankenhaus in Sterkrade wendet sich ausschließlich an Frauen. Es ist eine Ortsgruppe des Deutschen Frauenbunds für alkoholfreie Kultur, auch bekannt unter dem Namen „Weiße Schleife“. Als Weggefährtinnen geben sich die Teilnehmerinnen den nötigen Halt. Damit aus Angst Hoffnung wird.
Ein Leben ohne Alkohol ist lebenswert. Vera Kufferath weiß das und viele ihrer Mitstreiterinnen vom Deutschen Frauenbund für alkoholfreie Kultur wissen das auch. Für Frauen, die noch auf dem Weg dorthin sind, die Rat, Hilfe und Halt suchen, hat die 53-Jährige eine Ortsgruppe des Vereins im Johanniter-Krankenhaus in Sterkrade gegründet. Um einander praktische Lebenshilfe zu geben – und vor allem Hoffnung.
Es gebe eine ganz einfache Übung, erzählt Vera Kufferath, mit der sich Menschen, die in Abhängigkeit leben, darüber bewusst werden könnten. Man zeichnet einen Kreis auf ein Blatt Papier, der die 24 Stunden eines Tages symbolisiert. Dann trägt man ein, wie viel Zeit der Alkohol einnimmt. Wie viele Stunden trinke ich, bringe Leergut weg, habe ich einen Kater, kreisen meine Gedanken ums Trinken? „Da bleibt manchmal nix übrig“, sagt Kufferath. Und dann, wenn es geschafft ist, die Abstinenz, die laut der Leiterin der Selbsthilfegruppe so unglaublich viel mit Freiheit zu tun hat, dann wüssten viele plötzlich gar nicht mehr, wohin mit sich selbst. Was mache ich mit all der ungefüllten Zeit? Wie fülle ich den Raum? Das seien Fragen, die sich dann aufdrängten. „Viele kennen sich selbst gar nicht mehr“, sagt Vera Kufferath. „Das macht Angst.“
Was hinzukommt: Auch der Partner kennt diesen „neuen“ Menschen nicht; den, der nicht trinkt. Kufferath: „Manchmal kommen die Männer nicht damit klar. Plötzlich haben sie eine selbstbewusste, hochmotivierte Frau.“
"Der betrunkene Mann wird gelobt"
Die trinkende Frau hingegen mache sich häufig klein. „Der betrunkene Mann wird gelobt und bewundert“, sagt Vera Kufferath, „da heißt es dann ,Haste gesehen, der Kalle gestern, ne ganze Pulle Schnaps“. Bei Frauen wirke es immer gleich billig und schlampig. Zu trinken gelte als gesellschaftliches Unding. Deshalb würden Frauen häufig heimlich trinken und litten stark darunter. Sie müssten auch unheimlich viel Energie aufbringen, ihre Sucht zu verstecken. Kufferath beschreibt klassische Scham-Situationen wie die im Supermarkt: „Manche gehen in fünf verschiedene Läden und führen Kalender darüber, wann sie zuletzt wo etwas gekauft haben.“
Besinnung auf innere Stärke
In der Selbsthilfegruppe müssen die Frauen sich nicht groß erklären. „Da weiß jede, wovon die andere redet“, sagt Vera Kufferath. Und dass manche Dinge einfach unmöglich zu besprechen seien, wenn das andere Geschlecht dabei ist. So zum Beispiel Missbrauch, der im Zusammenhang mit Alkohol steht.
Viele seien sehr verzweifelt, könnten sich nicht vorstellen, wie sie ohne den Alkohol klarkommen sollen, sagt Kufferath, die gelernte Altenpflegerin ist, und sich zur Suchtkrankenhelferin hat ausbilden lassen. In der Gemeinschaft mit Leidensgenossinnen, die Kufferath lieber „Weggefährtinnen“ nennt, hätten sie eine Chance, sich auf ihre eigene, innere Stärke zu besinnen. „Es wird besser! Diese Hoffnung können wir den Frauen geben.“