Oberhausen.. Vor Jahren hatten sie Hochbetrieb, die Selbsthilfegruppen der Guttempler für Alkoholabhängige. Heute werden sie nur noch in Einzelfällen nachgefragt, würden ihre Erfahrungen aber gerne weitergeben.
In Oberhausen scheint es kaum noch Menschen mit Alkohol-Problemen zu geben. Jedenfalls finden sie allenfalls vereinzelt zu den beiden Selbsthilfegruppen der Guttempler. „Dabei würden wir Betroffenen so gerne aufzeigen, dass es auch ohne geht“, sagt Cäcilie Hoffmann, die Leiterin der Sterkrader Gruppe.
Und so treffen sich in Alt-Oberhausen und in Sterkrade fast nur noch Alt-Mitglieder, die ihr Alkoholproblem schon vor Jahrzehnten überwunden haben. In all den Jahren sind sie zusammengewachsen, reden heute über ganz andere Dinge.
Wie jemand ohne Selbsthilfegruppe den Kampf gegen die Sucht gewinnen will, ist den Guttemplern schleierhaft. Denn die Grundsätze, die sie in Jahrzehnten entwickelt haben, haben sich bewährt: Der Verzicht auf Alkohol muss total sein, der Haushalt alkoholfrei. Der jeweilige Partner muss mitziehen und ebenfalls abstinent leben. Dann sind die Chancen am größten, die Sucht hinter sich zu lassen.
Verzicht: das scheinbar größte Opfer
„Alle, die früher bei der Gutehoffnungshütte, der Hoag oder bei der Bundesbahn auffällig wurden, wurden zu uns geschickt“, berichtet ein Mitglied. Manchmal habe man den Andrang gar nicht bewältigen können. Diese großen Betriebe gibt es alle nicht mehr. Und so beschränkt sich die Hilfe heute auf Einzelfälle. Berufs-Therapeuten haben sich der Suchtkranken angenommen, würden nach wie vor aber die Teilnahme an Selbsthilfegruppen empfehlen. Aber die Menschen lebten heute viel stärker vereinzelt, erst recht im Zeitalter des Internets, würden auf Medikamente vertrauen.
Das aber sei ein Trugschluss. „Ich habe bei meiner Therapie gelernt: Du alleine kannst es schaffen. Aber alleine schaffst du es nicht“, sagt Cäcilie Hoffmann. „Wer zu uns kommt, merkt schnell, dass wir wissen, wovon wir reden. Denn wir alle haben es selbst durchgemacht.“
"Was danach kam, waren die schönsten Jahre"
Dass der Schritt in eine Selbsthilfegruppe schwerfällt, steht außer Frage. „Die Erkenntnis, Alkoholiker zu sein, ist erschreckend“, sagt Erich Sonntag, der die Gruppe Alt-Oberhausen leitet. „Ich war 34 Jahre alt, als man mir sagte: Nie mehr Alkohol.“ Das sei ihm damals wie das größte denkbare Opfer seines Lebens vorgekommen. Heute, 36 Jahre später, kann er darüber nur noch lachen. „Was danach kam, waren die schönsten Jahre.“
Viel leichter, als ursprünglich erwartet, erweise es sich auch, als Abstinenzler gesellschaftlich anerkannt zu werden. „99 Prozent der Leute klopfen einem auf die Schulter, dass man es geschafft hat“, sagt Sonntag. Und das gehe nur in einer gewaltigen persönlichen Kraftanstrengung – für die der Beistand anderer Betroffener wichtig sei.