Oberhausen. Jugendvertreter Sven Diedenhofen setzt große Hoffnungen in den am Samstag beginnenden „Dialogprozess“ der katholischen Kirche.

Rückläufige Katholikenzahlen, immer deutlicher spürbarer Priestermangel, großflächige Pfarr-Strukturen, in denen viele die Kirche nicht mehr als Heimat empfinden, wiederverheiratete Geschiedene, die sich ausgegrenzt fühlen, und und und: Die Unzufriedenheit „an der Basis“, in den Gemeinden, ist groß. „Wie können wir in Zukunft lebendige Kirche unter völlig veränderten Bedingungen sein?“ ist die Frage, der sich Bischof Franz-Josef Overbeck deshalb jetzt stellen möchte.

In einem breit angelegten Dialogprozess soll ab heute „Zukunft auf katholisch“ diskutiert werden. Unter Leitung des ehemaligen Oberhausener Stadtdechanten Michael Dörnemann, der Beauftragter für diesen Dialogprozess ist, gibt es zum Auftakt am Samstag ein erstes Forum in Essen, an dem rund 300 Katholiken aus dem gesamten Bistum teilnehmen. Mit dabei ist auch der Oberhausener Sven Diedenhofen (30). Die NRZ sprach mit dem Vertreter des Bundes der Katholischen Jugend (BDKJ) über Hoffnungen und Erwartungen.

Herr Diedenhofen, die Veranstaltung am Samstag soll die gegenwärtige Diskussion der katholischen Kirche im Ruhrgebiet in den Blick nehmen, um eine Ausgangsbasis für den Dialogprozess zu schaffen – Standortbestimmung, sozusagen. Wie sieht’s denn aus?

Sven Diedenhofen: Nicht gut. Wir als katholische Kirche insgesamt befinden uns derzeit in einer der größten Krisen der Nachkriegszeit. Und dabei sind die Skandale wie die schwerwiegenden Missbrauchfälle nur das, woran die meisten vordergründig erstmal denken.

Und hintergründig? Woran machen Sie die Krise im Bistum fest?

Diedenhofen: Wir drehen uns zu viel in eigenen Strukturen. Wir müssen langsam wieder auf Inhalte gucken – darauf, wie wir gemeinsam in den Gemeinden, in Oberhausen und im Bistum verantwortlich Kirche sein wollen. Wir müssen den Menschen wieder in den Mittelpunkt rücken.

Können Sie das ein bisschen konkretisieren?

Diedenhofen: Wir haben hier eine radikal veränderte Wirklichkeit. Die Katholikenzahlen gehen – schon durch den demografischen Wandel bedingt – zurück, darüber hinaus wenden sich enttäuschte Menschen von uns ab. Darauf haben wir als Bistum noch nicht richtig reagiert. Wir diskutieren eher: Welche Kirche machen wir zu? statt: Wie können wir Menschen für unsere Sache begeistern?

Wie könnte das funktionieren?

Diedenhofen: Durch einen Haltungswechsel. Wir müssen anders auf Menschen zugehen, nicht Moral und Dogmatik voranstellen, sondern den Menschen. Lebenswege wie zum Beispiel die von wiederverheirateten Geschiedenen brauchen Respekt, keine Ausgrenzung. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir zu einem Kommunikationsstil finden, durch den sich jeder wertgeschätzt fühlt. Das erste Bistumsforum könnte den Startpunkt setzen, wie wir zu einem neuen Miteinander finden können.

Sie setzen große Hoffnungen in den Dialogprozess?

Diedenhofen: Die Erwartungen sind allgemein groß. Wir müssen das alle gemeinsam hinkriegen, partnerschaftlich: Amtskirche und Laien.

Stichwort Laien: Auf die wird die katholische Kirche, auch in Oberhausen, angesichts der Altersstruktur ihrer Priester und des Mangels an klerikalem Nachwuchs schon in sehr absehbarer Zeit noch stärker angewiesen sein, um Gemeindestrukturen und -angebote aufrecht erhalten zu können, oder?

Diedenhofen: In der Tat. Glücklicherweise sind aber auch viele bereit, Verantwortung mitzutragen. Man muss ihnen diese Verantwortung aber auch geben.

Wenn die Auftaktdiskussion vorbei ist – wie geht’s dann weiter? Wer trägt die Ideen, Fragen und Denkanstöße in die Gemeinden?

Diedenhofen: Aus jeder Pfarrei sind Vertreter vor Ort. Aus Oberhausen werden etwa zehn Leute da sein. Die müssen ganz viel Stimmung transportieren. Denn ich glaube, darauf kommt’s im ersten Schritt vor allem an: Das Neue muss spürbar werden, die Aufbruchstimmung.

Apropos Aufbruchstimmung: Von Oberhausen sind, was Kirche angeht, früher schon einmal mehr Impulse ausgegangen als derzeit.

Diedenhofen: Das stimmt – innovative Projekte wie die Jugendkirche Tabgha, zum Beispiel. Die hat sich seit ihrer Gründung auch immer flexibel weiterentwickelt. Nur deshalb ist sie heute noch so erfolgreich, ein wirklicher Anziehungspunkt. Flexible Entwicklung brauchen wir auch in den Gemeinden. Wir müssen auf die jeweiligen Herausforderungen des Stadtteils reagieren – und Vielfalt zulassen. Das kann uns enorm bereichern.

Das Gespräch führte Martina Nattermann