Oberhausen. Jörg Becker hätte als Stadtprinz von Oberhausen durch die Session gefeiert. Doch dann kam Corona. Ein Interview über Züge und Verzicht.
Jörg Becker sollte eigentlich aus dem Grinsen nicht mehr herauskommen. Doch der 52-Jährige aus Oberhausen-Styrum musste die tollen Tage anders verbringen als vorausgeplant. Am Rosenmontag ist der Karnevalist aus der Ehrengarde der Stadt Oberhausen kein Prinz, sondern ein ausgebremster Zivilist. Ein Interview ohne Pappnase.
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Herr Becker, was werden Sie fühlen, wenn Sie am Rosenmontag aufwachen?
Becker: Das wird ein komisches Gefühl, aber anders als man jetzt vielleicht denkt. Ich schwanke zwischen Lachen und Weinen. Wir sollten glücklich sein, dass wir alle gesund sind. Aber natürlich habe ich mir die tollen Tage ganz anders vorgestellt.
Karnevalsprinz ist man nur einmal im Leben. Wann haben Sie sich innerlich mit dem Sessions-Aus abgefunden?
Becker: Zunächst muss ich sagen, dass es richtig ist, dass wir ohne Saalkarneval und Karnevalsumzüge auskommen müssen. Das sollten wir akzeptieren. Und ich selbst hatte ja auch großes Glück.
Warum?
Becker: Ich kann meine Prinzenzeit um ein Jahr nach hinten verschieben. Da bin ich meinem Nachfolger in diesem Amt sehr dankbar. Der Name ist zwar noch nicht verkündet, aber die Person steht bereits steht. Auch dieser künftige Prinz muss ja selbst seine Session vorausplanen. Dass wir beide um ein Jahr nach hinten rücken, hat er sofort begrüßt. Auch die „Blauen Funken“, die den Regenten in der kommenden Session stellen sollten, hatten früh zugesagt.
Trotzdem waren Sie im November startklar. Wie viel der Vorbereitung war für die jecke Mülltonne?
Becker: Wir waren fertig! Denken Sie an das Wurfmaterial für die Karnevalszüge. Das kann man nicht auf den letzten Drücker anschaffen. Sonst wird es zu teuer. Und größere Mengen bekommt man irgendwann nicht mehr problemlos geliefert. Wir haben jetzt 200 Säcke Stofftiere trocken eingelagert. Hinzu kommen weitere 30 Kartons mit Überraschungen — zum Glück ohne Mindesthaltbarkeitsdatum.
Karnevalsprinz ist kein Hauptberuf, sondern ein zeitaufwendiges Hobby. Hat die Verschiebung ihr Arbeitsleben beeinflusst?
Becker: Oh ja! Ich arbeite als Berufskraftfahrer. Das betrifft meinen Urlaub für das Jahr 2020 und für 2021. Insgesamt kommen für die Prinzenzeit sieben Wochen Urlaub zusammen. Der muss natürlich frühzeitig eingereicht werden. Im November 2020 konnte ich leider nicht mehr zurück tauschen. Für Januar und Februar 2021 hat es zum Glück noch geklappt.
Was schmerzt Ihnen persönlich am meisten?
Becker: Es geht ja nicht nur darum, dass ich mein Ornat nicht tragen kann. Viele Menschen aus meinem Team haben sich ihre Gedanken gemacht. Daran habe ich an Altweiber gedacht. Dann hätten meine Paginnen das Kommando übernommen und das Prinzenteam überrascht. Das war natürlich alles schon vorbereitet.
Die Prunksitzungen sind alle ausgefallen. Darunter auch ihre eigene Kürung in der Stadthalle. Wie lässt sich der Saalkarneval verschieben?
Becker: Wir konnten das Programm der Prinzenkürung ebenfalls um ein Jahr nach hinten verlegen. Da haben die Künstler zum Glück mitgemacht. Auch die Interpreten aus dem Karneval haben ja ihre Probleme. Daher ist es gut, wenn man zusammenhält. Auch die Tanzgarden, die lange nicht wie gewohnt trainieren konnten, sollen bei der Kürung dabei sein. Zum Beispiel beim Gemeinschaftstanz der Oberhausener Garden, der über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Aber grundsätzlich gilt: Sitzungen sind momentan schwer zu planen, weil noch keiner weiß, in welcher Größe Karneval künftig möglich sein wird. Viele hängen in der Luft.
Haben Sie Sorgen, dass es auch für den nächsten Elften im Elften nicht reichen könnte?
Becker: Natürlich denkt man manchmal daran. Aber ich blicke positiv und zuversichtlich voraus. Der Karneval hat ja seine gesellschaftliche Bedeutung. Und auch während der Pandemie haben sich die Karnevalisten ausgetauscht. Einige Vereine verschicken ihre Orden per Post. Über Facebook posten Karnevalisten schöne Fotos und Videos aus den vergangenen Jahren. Darauf waren manchmal Menschen zu sehen, die leider schon verstorben sind. Der Karneval hat während des Stillstands die Gelegenheit zurückzuschauen und sich zu erinnern.
Hätten Sie daran nicht gerne doch schon als Karnevalsprinz teilgehabt?
Becker: Ich wollte kein Corona-Prinz sein. Daher ist es richtig, so wie es jetzt läuft und dass wir als Prinzenteam noch etwas warten.
>>> Tolle Tage beginnen in Oberhausen früher als in anderen Städten
Der Rosenmontag ist in Oberhausen normalerweise nicht der Start, sondern der Abschluss des Straßenkarnevals. Der Kinderkarnevalszug am Nelkensamstag und der Umzug durch Alt-Oberhausen am Tulpensonntag sind die großen närrischen Paraden mit vielen zehntausend Zuschauern und bis zu 100 Wagen, Kapellen und Fußgruppen. Die knapp fünf Kilometer lange Karnevalszug durch Alt-Oberhausen gilt als Heimspiel für die Stadtprinzen.
Die Stadtteile feiern dann etwas kleiner am Rosenmontag. Der Pöstertreck in Alstaden und der Umzug durch Vondern beenden den jecken Reigen an der frischen Luft. Durch die Corona-Krise und den Lockdown blieben die Straßen in diesem Jahr überall leer.