Mülheim. Westkapelle auf Walcheren ist seit 50 Jahren ein Sehnsuchtsort für einige Mülheimer. Die Magie des Ortes? „Wir reden, lachen, weinen gemeinsam.“
„So habe ich mir immer schon das Leben vorgestellt!“ Was ein Junge aus der Evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn über seine Freizeit in Westkapelle gesagt hat, kann Jürgen Chodura aus vollem Herzen und eigener Erfahrung bestätigen. „Ich zehre bis heute von den menschlich wertvollen Erfahrungen und Begegnungen, die ich in Westkapelle habe erleben dürfen“, erklärt der Mitt-Siebziger.
Bis heute sorgt er dafür, dass sich seine Freunde aus dem Con (Club ohne Namen), zu denen inzwischen auch deren Kinder und Kindeskinder gekommen sind, in einem ehemaligen Schulhaus in Westkapelle treffen, das auf der niederländischen Halbinsel Walcheren in der Provinz Zeeland liegt und vor 80 Jahren in der Endphase des Zweiten Weltkrieges und seiner deutschen Besatzung völlig zerstört wurde.
Alte Freundschaften sogar über Landesgrenzen werden in Westkapelle gepflegt
Auch seine gleichaltrigen Con-Jugendfreunde Klaus Hoffmann und Hans Willi Strohschein gehören zu den 34 Teilnehmern der inzwischen generationsübergreifenden Clubs ohne Namen. „Dass wir durch unsere Novemberfreizeiten in Westkapelle unsere in der evangelischen Jugendarbeit begründete Freundschaft über 50 Jahre haben aufrechterhalten können, obwohl einige aus unserem Con inzwischen über ganz Deutschland verstreut leben und zum Teil sogar aus den USA, aus Australien und aus Japan nach Westkapelle kommen, ist für mich ein großes Geschenk“, sagt Hoffmann.
„Indem wir uns immer im November in Westkappelle treffen, nehmen wir keinen anderen Gruppen das Haus weg, das 1960 von der Evangelischen Kirchengemeinde Saarn angemietet und 1971 von ihr gekauft worden ist“, erklärt Jürgen Chodura, warum sich die Con-Familie, die 1970 als erste koedukative Jugendgruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Saarn ins Leben gerufen wurde, ausgerechnet im November am niederländischen Westkap trifft, um ihre Freundschaft zu pflegen und alles miteinander zu besprechen, was das Leben im Laufe der Jahre für jede und jeden mit sich gebracht hat.
Der gute Geist von Westkapelle
„Wir haben kein festes Programm. Wir sind einfach zusammen, reden, lachen und weinen gemeinsam und lassen uns unsere Lungen und Seelen durchpusten“, beschreibt Chodura den Geist von Westkapelle.
„Es ist ein guter Geist, der immer wieder eine gute Gemeinschaft bildet“, sagt der ebenfalls Westkapelle-erfahrene und inzwischen pensionierte Pfarrer und Superintendent Gerald Hillebrand. Er leitet inzwischen das Kuratorium der gemeinnützigen Trägergesellschaft des Freizeithauses in Westkapelle. „Wir haben auch im kommenden Jahr schon wieder 24 Gruppen, die das Haus gebucht haben. Es könnten noch zwei oder drei dazukommen“, erklärt der pensionierte Kirchenmusiker und Ko-Geschäftsführer der Westkapelle gGmbH Detlef Hilder.
Gemeinde- und Konfirmandengruppen, Schulklassen, Bildungsträger, Seniorenkreise, Frauen- und Chorgemeinschaften wissen das vom Saarner Pastor Ewald Luhr und seinem Westkapeller Amtsbruder Dominee Willem Oosthoek 1960 im Geiste der deutsch-niederländischen Versöhnung eröffnete Haus zu schätzen. Den Tageskurs berechnet Hilder, je nach Gruppe, mit 40 bis 50 Euro pro Tag. „Dafür sorgt aber auch ein ehrenamtliches Kochteam für eine Vollpension auf Hotel-Niveau“, wirbt Hilder für „gute Tage im beschaulichen und gemütlichen Westkapelle!“
Pankoks Mädchen mit Ball steht als Kopie auch in Westkapelle
Erst kürzlich hat Hilder beim Bürgerfest in Westkapelle den Besuchern vom Versöhnungswerk der Pastoren Luhr und Oosthoek berichtet, und davon, was es mit dem „Mädchen mit Ball“ auf sich hat. Die vom Saarner Bildhauer Otto Pankok geschaffene Skulptur, die an der Düsseldorfer Straße vor der Evangelischen Dorfkirche steht, wurde 1992 als Duplikat auch vor dem Haus in Westkapelle aufgestellt. Mit seinem „Mädchen mit Ball“ hat Pankok auch einen Appell für Toleranz, Frieden und Menschlichkeit verbunden.
„Kinder, ihr müsst dafür sorgen, dass sich so etwas nie wiederholt“, erinnert sich Jürgen Chodura an die Mahnung seines Vaters Heinz, der als ehemaliger Kriegsteilnehmer und Lehrer zur Gründungsgeneration Westkapeller Völkerverständigung gehörte,
Der im Saarner Con sozialisierte Hans-Willi Strohschein, der nach seinem Berufsleben als Pfarrer in Essen nach Saarn zurückgekehrt ist, war auch mit seinen Gemeindegruppen immer wieder gerne in Westkapelle. Deshalb kommen seine Frau Gudrun und er bis heute nicht nur als Teil der Con-Familie, sondern auch als ehrenamtliche Koch- und Küchenkräfte immer wieder mit nach Westkapelle, „um etwas von dem zurückzugeben, was wir hier selbst für unser Leben an Gutem erfahren und mitbekommen haben.“
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