Mülheim. Christian Tetzlaff fesselt mit bravouröser Technik und hochemotionalem Spiel. Wie das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra zu begeistern weiß.


Auch wenn die Reihe der Mülheimer Sinfoniekonzerte mittlerweile in die 68. Spielzeit geht, gibt es noch Premieren. So gastierte jetzt beim Eröffnungskonzert in der Stadthalle erstmals ein japanisches Orchester, mit einem deutschen Chefdirigenten. Seit 2019 leitet Sebastian Weigle das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra und konnte es in dieser Zeit zu einem bemerkenswerten Klangkörper mit Sinn für westliche Musiktradition formen.

Einen tönenden Gruß aus der Heimat hatten die Tokioter (bei ihrem einzigen Auftritt in NRW) freilich auch im Gepäck. Neben einem melancholischen Walzer von Tōru Takemitsu als Zugabe überraschte das Orchester mit dem „Tanz der sieben Schleier“. Nicht aus der bekannten Feder des Operntitans Richard Strauss, sondern aus einem Ballett von Akira Ifukube. Der gelernte Förster und musikalische Autodidakt hat in Japan als Filmmusikkomponist („Godzilla“) einen quasi hollywoodartigen Kultstatus erworben. Davon ist bei ihm auch die verführerische Salome affiziert: sinnliche, tonale Musik ist das mit ausladendem Melos, orientalischer Würze und farbsicher eingesetzter Instrumentation.

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Den Höhepunkt des Abends setzte aber zweifelsohne Christian Tetzlaff mit einem zentralen Werk von Johannes Brahms – als Solist in dessen einzigem Violinkonzert, über das Hans von Bülow einst geurteilt hatte, es sei nicht für, sondern gegen die Violine geschrieben. Tetzlaff indes, der Stargeiger ohne Starallüren, vermochte das Statement schon mit den ersten Takten zu widerlegen. Selten erlebt man den Solopart derart packend, kompromisslos und präsent wie bei diesem charismatischen Vollblutmusiker. Er lässt sein Instrument Vibrato-gesättigt singen, zeichnet das filigrane Rankenwerk und die nicht enden wollenden Doppelgriffe in technischer Bravour, reißt die Rhythmik messerscharf an. Und damit inspirierte er auch das Orchester zu hoch expressivem Spiel, zu einem von Kampf und Lebenslust kündenden Seelengemälde, das im Adagio-Satz mit geradezu himmlischer Schönheit in eine andere Welt entführte.

Erstes Sinfoniekonzert der Saison in Mülheim: Das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra aus Tokio spielt unter der Leitung des deutschen Dirigenten Sebastian Weigle.
Erstes Sinfoniekonzert der Saison in Mülheim: Das Yomiuri Nippon Symphony Orchestra aus Tokio spielt unter der Leitung des deutschen Dirigenten Sebastian Weigle. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Tschaikowskys vierte Sinfonie schließlich, das ewiges Lied von Sehnsucht und Verzweiflung, ergriff den Zuhörer gleich mit dem Schicksalsthema in schneidender Präzision der Blechbläser, um nach einem delikaten Pizzicato-Scherzo den Bogen im Finale mit rasanter Steichervirtuosität zu schließen: vom Dunkel zum Licht. Druckvoll wusste Weigle Tragik und Leidenschaft in kristallinem Klangbild zu entfachen, sodass es bisweilen fast den Saal aus den Angeln heben wollte. Riesenapplaus nach einem Konzert, das Appetit auf mehr macht.

Das 2. Konzert findet am 10. November (So, 17 Uhr) statt. Zu Gast sind das Dogma Chamber Orchestra und die Saxophonistin Asya Fateyeva.

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