Mülheim. Die neue Ausstellung in der Mülheimer Camera Obscura zeigt „Tiere im Rampenlicht“. Wie uns die Fotografie dazu bewegt den Mensch im Tier zu sehen.

Der Blick ist bestimmt und nach vorne, der Kopf etwas erhoben, die Züge entschlossen – „er hat etwas Rebellisches. Che Guevara“, kommt Christian Meermann in den Sinn. Doch der Fotograf hat hier nicht die Ikone des marxistischen Revoluzzers im Fokus gehabt, sondern einen Löwen. Der Mensch im Tier oder das Tier im Menschen? Die neue Foto-Ausstellung in der Camera Obscura führt vor, wie wir uns selbst in anderen Lebewesen zu erkennen versuchen: „Tiere im Rampenlicht“.

Tierfotos zwischen großen Posen und faszinierendem Mimenspiel


Seit gut acht Jahren beschäftigt sich der Amateurfotograf und Autodidakt mit der Tierfotografie, streifte durch die großen Zoos von Köln bis Hamburg und Leipzig. „Ich warte auf den entscheidenden Moment, wenn die Tiere in die Kamera gucken, auf den intensiven Ausdruck, die besondere Pose – ein Gähnen des Löwen“, schildert der 47-jährige Lehrer und lacht: „Aber Tiere machen, was sie wollen.“

Stück für Stück kam Meermann zur Portrait-Fotografie in Schwarz-Weiß. Sein Pavian im Profil scheint andächtig zu sinnieren, fast ein religiöses Bild, empfindet es der Fotograf. 36 solcher Motive hat er vor einem schwarzen Hintergrund freigestellt und auf AluDibond-Platten gezogen: Zebras, Raubkatzen, Affen.

Tiere erscheinen wie skurrile Persönlichkeiten

Medium und der Fokus auf den Kopf verleihen den Tieren gerade diese faszinierende Ausstrahlung, der einen verleitet, in den detailreich eingefangenen Gesichtern lesen zu wollen wie im Mimenspiel eines Menschen. Auch Museumsleiter Jörg Schmitz ist von der Inszenierung beeindruckt: „Die Tiere erscheinen teils wie ,Freaks’, also skurrile Persönlichkeiten.“

Warum interpretieren wir, warum vermenschlichen wir Tiere so? Vermutlich liegt es auch an tiefsitzenden, archaischen Mustern in unseren Köpfen, mutmaßt Schmitz. In Sekunden müssen wir entscheiden: Freund oder Feind, annähern oder flüchten? Meermann ist fasziniert von der Schönheit der Tiere, die erst oder gerade durch die Inszenierung und Momentaufnahme der Kamera entsteht.

Zurück zu den Anfängen der Fotografie


Der Medienwissenschaftler Schmitz fühlt sich an die Anfänge der Fotografie erinnert: Es war Eadweard Muybridge, der es 1878 mit der Chronofotografie erstmals möglich machte, etwa ein Pferd in seinen Bewegungsabläufen aufzuzeichnen. Damit wurden einzelne Phasen überhaupt für die Wissenschaft sichtbar, die für das menschliche Auge nicht erkennbar waren.

Ganz ähnlich wäre wohl auch das vermeintliche Mimenspiel eines Löwen ohne die Fotografie nicht zu beobachten – „oder nur mit dem Risiko, dass der Löwe das Anstarren als Aggression wertet“, merkt Schmitz augenzwinkernd an.