Mülheim. Sarah Alalwan hat es endlich geschafft: Sie kann nun an der HRW in Mülheim studieren – dank des Studienintegrationsprogramms für Geflüchtete.

Das viele Lernen hat sich gelohnt - Sarah Alalwan darf nun in Deutschland studieren. Sie hat den Studieneingangstest an der Hochschule Ruhr West (HRW) gerade bestanden und möchte sich nun einschreiben für den Masterstudiengang Bauingenieurwesen. Ein Ziel hat die 2016 aus Syrien geflüchtete junge Frau dabei auch schon vor Augen: Sie möchte später einmal Brücken bauen.

Bauingenieurin macht jetzt Masterstudiengang

Die Brücke ins Studium war für die 28-Jährige das Studienintegrationsprogramm (SIP) der HRW. Es ermöglicht Geflüchteten, die in der Heimat eine Hochschulzugangsberechtigung erworben oder ein Studium begonnen oder abgeschlossen haben, Zugang zu einer deutschen Hochschule zu finden. In dem Vollzeitlehrgang absolvieren die Teilnehmer nicht nur einen Sprachkurs (Ziel: C1-Abschluss) sowie Orientierungsseminare zum Leben und Studieren in Deutschland, sondern werden auch umfassend begleitet bei ihrer Neuorientierung.

„Wir beraten die Teilnehmer ganz individuell, beleuchten gemeinsam Fragen wie: Was möchte ich erreichen? Was muss ich dafür tun? Wie realistisch ist es, dass ich das schaffe“, sagt Dr. Juliane Rytz, Leiterin des seit 2015 bestehenden Vorbereitungsprogramms. Mancher SIP-Kandidat sei in einem halben Jahr fit fürs Studium, andere bräuchten ein oder anderthalb Jahre und wieder andere schafften es nicht, weil die Sprachbarriere zu groß sei oder ein Studium nicht zur Lebenssituation passe.

Nicht alle schaffen es, wegen sprachlicher Probleme oder ihrer Lebenssituation

„Einem 30-jährigen Familienvater würde ich vielleicht nicht unbedingt zu einem jahrelangen Studium raten“, gibt Rytz ein Beispiel. In solchen Fällen helfe das – kommunal gut vernetzte – SIP-Team bei der Suche nach Alternativen weiter. „Die Flucht ist ein Bruch in der Biografie, aber man darf nicht verharren“, meint Juliane Rytz. Es könne notwendig sein, in der neuen Lebenssituation ganz andere Wege einzuschlagen.

Sarah Alalwan allerdings kann aufbauen auf das, was sie an der Universität in Aleppo gelernt hat. Ihr Bachelor-Abschluss als Bauingenieurin wird hier in Deutschland anerkannt. „Aber um auf dem Arbeitsmarkt einen guten Job zu finden, brauche ich einen deutschen Abschluss, und zwar den Master“, glaubt sie. Ihr Mann, der schon vor ihr geflüchtet war, hat es ihr vorgemacht: Er hat an der Uni Essen das Masterstudium in Bauingenieurwesen durchgezogen und einen Arbeitsplatz bei einer Stahlbaufirma in Gelsenkirchen gefunden. Seine Frau dagegen findet Statik und Verkehrswesen interessanter.

Dr. Juliane Rytz ist Leiterin des Studienintegrationsprogramms an der HRW.
Dr. Juliane Rytz ist Leiterin des Studienintegrationsprogramms an der HRW. © FUNKE Foto Service | Martin Möller

Deutsch konnte die junge Syrerin nicht, als es sie nach Mülheim verschlug. „Deutsch zu lernen, ist wirklich schwer“, sagt sie rückblickend. Auf das SIP war sie im Internet aufmerksam geworden. Und obwohl sie 2017 einen Sohn bekam, konnte sie ab 2018 am Programm teilnehmen, in Ruhe daheim lernen, an ihrer Bildungskarriere weiter stricken. Das SiP-Team und das HRW-Familienbüro konnten ihr einen Betreuungsplatz für den kleinen Elias bei den „Forscherkids“, der Kita des Studierendenwerks Essen/Duisburg, vermitteln. So war es sogar möglich, ein vierwöchiges Praktikum in einem Ingenieurbüro zu absolvieren.

42 Geflüchtete studieren jetzt an HRW

Seit 2015 haben etwa 200 Menschen mit Flüchtlingshintergrund das Studienintegrationsprogramm genutzt. 42 davon haben tatsächlich ein Studium an der HRW begonnen, die anderen haben sich an anderen Universitäten immatrikuliert oder ganz umorientiert. Frauen sind im SIP-Projekt bislang unterrepräsentiert.. „Wir versuchen, das zu ändern durch gezielte Ansprache oder spezielle Aktionen“, sagt Juliane Rytz. Weibliche Teilnehmerinnen seien meist hochmotiviert und erfolgreich. Es gebe unter den geflüchteten Männern leider auch solche, die ihre Frauen bewusst zu Hause halten wollten.

Sarah Alalwan hat sich mit den drei, vier anderen Frauen in ihrem Kurs zusammengetan. Vermutlich haben sie sich dann auch über die Unterschiede zwischen ihren Heimatländern und Deutschland unterhalten. „Es gibt hier viele nette Leue, die einen respektvoll behandeln. Und in Deutschland geht alles sehr geordnet zu“, hat die Syrerin festgestellt. Das sei gut, manchmal aber auch etwas lästig. „Ständig wartet man auf Briefe und Papiere.“

Vier Stipendien für den Studieneinstieg

Vom Studium erhofft sie sich neben einer guten Ausbildung, dass sie weitere Freundschaften schließt – auch mit deutschen jungen Frauen. Nun möchte sie sich über die HRW auch noch für das Studieneinstiegsstipendium NRWege bewerben, das vom Land vergeben wird. „Ein Fachstudium in Deutsch wird schwer. Wir können vier Studierenden mit Fluchthintergrund – zumindest im ersten Semester – die finanziellen Sorgen nehmen“, sagt Juliane Rytz.