Mülheim. . Sanierung führt zu Mietexplosion im Karree an der Kurfürstenstraße: 140 Euro mehr im Monat – langjährige Mieter fühlen sich herausmodernisiert.

Der Kellerboden ist mit dicken Platten gedämmt, doch durch das Originaldach des Mietshauses von 1937 regnet es durch die rissige Teerpappe bis auf die Dämmplatten. Die Fenster und die Fassade will der Vermieter erneuern, „doch die hat erst 2006 einen Dämmputz bekommen, auch die Fenster wurden getauscht“ – Mieter Manfred aus dem Kahmen lebt seit 45 Jahren hier und schüttelt den Kopf über die neusten Sanierungsvorhaben im Haus an der Kurfürstenstraße 34, nicht nur für ihn eine „Kostenverschwendung“. Der Verdacht mancher Mieter: Der Eigentümer – das Immobilienunternehmen Vonovia – macht nur das, was sich anschließend lukrativ umlegen lässt.

Denn die angekündigten Maßnahmen sollen sich künftig satt auf die Miete niederschlagen: Rund 140 Euro pro Monat mehr will Vonovia dafür von Aus dem Kahmen haben, das hat das Unternehmen den Mietern bereits schriftlich angekündigt. Durchschnittlich steigt die Kaltmiete durch die Modernisierung auf gut 8 Euro pro Quadratmeter.

Unzufrieden mit dem Service

Für Mülheimer Verhältnisse im Stadtteil Broich ist das ein gehobener Preis. Der offizielle Mietspiegel geht von Quadratmeterpreisen zwischen 6 und 9,78 Euro aus – je nach Alter des Gebäudes, Ausstattung und Zustand. Doch das Haus hat nicht einmal eine Gegensprechanlage, auch der Hausflur und die Briefkästen sind noch aus ‘anno Piependeckel’.

Aus Sicht der Mieter fehlt es an vielen Dingen, die anderswo zum Standard gehören: „Der Service ist unterirdisch“, gibt Mieterin Heike Reshöft ein Beispiel, der Hausverwalter in Notfällen so gut wie nie zu erreichen. Obwohl der sein Büro ums Eck in der Kirchstraße hat. Wenn etwa sechs Wochen lang die Mülleimer nicht geleert werden, weil sie abgemeldet wurden. Wenn eine Kernsanierung in einer Wohnung den Flur völlig verdreckt. Oder ein Handwerker vor die Kellertür uriniert. Ein Rückruf des Verwalters kam erst anderthalb Monate später – die Mieter hatten Dreck und Urin längst selbst beseitigt.

Nordbalkone sollen erneuert werden

Die Zustände im Haus waren laut Mieter allerdings nicht immer so, sondern erst, seit die Vonovia um 2014 das Gebäude übernommen hat. Die Familie Aus dem Kahmen wohnt seit 1973 hier. In den 90er Jahren hatte die Familie die Wohnung auf eigene Kosten saniert. Gegen die Zusage der damaligen Eigentümer, dass durch die Modernisierung keine Mieterhöhung erfolgt, hatte sie das Bad selbst erneuert, Elektrik, Türen sogar den Kachelofen durch eine Gas-Etagenheizung ersetzen lassen. 60.000 DM investierte sie.

Dafür, dass die Vonovia weder in den Wohnstandard noch die Instandhaltung der Wohnung investiert habe, halten die Mieter die „Mietanpasssung“ für nicht gerechtfertigt. Neuster Ärger: Die erst 2006 erneuerten Nordbalkone sollen entfernt und vergrößert werden – „das will in unserem Haus keiner, wir bekommen hier auch kaum Sonne ab“, hält Aus dem Kahmen den Nutzen für gering. Auch diese „Modernisierung“ schlägt sich auf die Miete nieder.

„Wir möchten niemanden herausmodernisieren“, zitiert er den Venovia-Chef Rolf Buch aus einem Interview. Doch genau das sehen manche langjährige Mieter hier als gegeben. Heike Reshöft hat nach 20 Jahren die Konsequenzen gezogen und nun ein neues Zuhause in Broich, „88 Quadratmeter für 600 Euro warm“, trumpft sie auf.

Vonovia hält an Modernisierung fest

Für die Vonovia stellt sich die Situation anders dar, wie eine Sprecherin informiert: „Bisher haben wir viel positives Feedback der Mieter erhalten. Uns sind drei persönliche Härtefälle bekannt. Allen drei Mietparteien haben wir bereits unsere Hilfe angeboten und sind mit ihnen zu zufriedenstellenden Lösungen gekommen.“

Der Quartiersmanager stehe in regelmäßigem Kontakt mit ihnen. Nur eine Mieterin habe aufgrund der Modernisierung gekündigt.

116 Wohneinheiten will die Vonovia im Broicher Karree auf Vordermann bringen. „Die Maßnahmen ergeben zusammen ein sinnvolles Gesamtkonzept, mit denen die Vorgaben der Energieeinsparverordnung erreicht werden“, so die Sprecherin. Gerade die Modernisierung der Balkone hält Vonovia für notwendig, da diese bei einer Fassadendämmung sonst so genannte Wärmebrücken bilden würden. Durch die Dämmung würden Mieter etwa 49 Cent pro Quadratmeter Heizkosten sparen.

Ein sinnvolle Gesamtkonzept

670 Wohnungen hat die Vonovia in Mülheim, vor allem in Broich (172), Mitte (103) und Dümpten (96) ist sie stark. Mit großer Aufmerksamkeit beobachtet der Mülheimer Mieterschutzbund daher die derzeitige Entwicklung. „140 Euro mehr Kaltmiete im Monat ist ein Riesenbatzen“, sagt Geschäftsführer Harald Bartnik, auch wenn die Kaltmiete von 8 Euro/qm im Broicher Durchschnitt bliebe.

Der Verein befürchtet eine schleichende Mietspirale nach oben:Vonovia habe in vielen Städten gezielt Wohnungen aufgekauft, die eine Sozialbindung hatten und eine entsprechend niedrige Miete. Steigen nun diese Mieten, schlägt sich das auf den kommenden Mietspiegel nieder: Das ermittelte Niveau steigt, die Mieten passen sich wieder an – die Spirale kommt in Gang. Bartnik: „Vonovia sollte als Unternehmen mit sozialer Verantwortung über eine moderatere Erhöhung nachdenken.“