Kamp-Lintfort. Samu hat eine Autismus-Spektrum-Störung. Ihm hilft die tiergestützte Therapie im Kamp-Lintforter Tierpark Kalisto. Wie ihn das Angebot fördert.
Dass Samu besonders ist, haben Carina Heinz und ihr Mann schon gemerkt, als er noch ein Säugling war. Seit wenigen Monaten haben sie eine Diagnose, mit der sie bereits gerechnet hatten: Der Neunjährige hat eine Autismus-Spektrum-Störung. Seit einem halben Jahr kann Samu nun zunehmend selbstbewusster und stressfreier seinen oft schwierigen Alltag leben – dank einer tiergestützten Therapie im Kamp-Lintforter Tierpark Kalisto.
An diesem frostigen Winternachmittag ist Samu mit kurzen Hosen im Tierpark unterwegs. „Weil er lange Hosen nicht ertragen kann“, sagt Carina Heinz, die sich an die kopfschüttelnde Blicke anderer Menschen zu dieser Jahreszeit schon gewöhnt hat. Eine Autismus-Spektrum-Störung ist laut Informationsportal Neurologen und Psychiater im Netz eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die unter anderem durch ein reduziertes Interesse an sozialen Kontakten sowie einem reduzierten Verständnis sozialer Situationen gekennzeichnet ist.
Therapie im Kalisto: Tiere kommunizieren unkomplizierter als Menschen
Dass Samu für „normale“ Menschen gewöhnliche Situationen manchmal falsch interpretiert und diese ihn dann überfordern, macht dem Neunjährigen mitunter das Leben schwer. „Mit fünf Jahren konnte Samu die Uhr lesen und Geld zählen. In der Schule gelang es ihm dann plötzlich nicht mehr, 15 plus 7 zu rechnen“, erzählt Carina Heinz. Warum ausgerechnet Tiere ihrem Sohn dabei helfen können, besser mit anderen Menschen zurecht zu kommen? „Tiere kommunizieren ihre Gefühle auf einfache Art und Weise, unkomplizierter als Menschen.“
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Für Alpaka-Trainer Frank Grün, Diplom-Psychologin Hannah Visser und Kindheitspädagogin Lea Siemens war Samu einer ihrer ersten Klienten, die seit dem letzten Jahr das neue Angebot im Tierpark Kalisto nutzen. „Die Tiere spiegeln einen, dadurch kommt man sehr gut mit sich selbst in Kontakt“, erklärt Lea Siemens. Reflexion ist daher immer wieder ein großes Thema: „Wir haken dann nach: Wie geht es dir jetzt und wie ging es dir vorher“, so die Therapeutin.
„Samu ist viel selbstsicherer geworden und hat mehr Selbstvertrauen. Sobald er hier ist, kann er Stress abbauen.“
Gerade Alpakas, sagt Frank Grün, eigneten sich als Therapie-Tiere besonders gut: „Sie sind als Herdentiere besonders sensibel.“ Man müsse sich auf jeden Klienten einlassen, eine tiergestützte Therapie sei sehr individuell, erklärt Lea Siemens.
Therapiestunde in Kamp-Lintfort: Kleine Ziele, die erreichbar sind
Samu hat sich an diesem Tag für Alpaka Horst entschieden und ihn über einen eigens aufgebauten Parcours geführt. Genauso kann eine Therapiestunde im Tierpark aber auch einfach Streicheln oder Füttern beinhalten. Dabei setzt das Therapeuten-Team wie bei Samu stets darauf, kleine Ziele zu setzen, die auch erreichbar sind, ohne Stress oder Leistungsdruck. „Die Tiere passen sich dem Tempo von Samu an“, weiß Frank Grün.
Wie Samu im Kontakt mit Tieren mutiger wird, lässt sich in der Voliere beobachten. Mit einer Portion Futter in der Hand wartet der Neunjährige gespannt auf hungrige Schnäbel, die sich trauen – so wie er sich traut. Carina Heinz: „Samu ist viel selbstsicherer geworden und hat mehr Selbstvertrauen. Sobald er hier ist, kann er Stress abbauen.“ Man merke, dass er stressfreier durch die Woche komme und menschliche Konflikte immer öfter friedlich lösen könne.
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Zur Zeit betreut das Therapeuten-Team im Kalisto drei Kinder und einen Erwachsenen. Interesse an dem neuen Angebot gibt es auch seitens verschiedener Förderschulen in der Region. Mit der Sonneck-Schule in Neukirchen-Vluyn haben die Therapeuten bereits ein Projekt durchgeführt. Ziel des für einen Tierpark bislang einzigartigen Angebotes ist es, Menschen mit besonderen Bedürfnissen durch den Kontakt mit Tieren zu fördern, ihre Lebensqualität zu steigern und individuelle Entwicklungsprozesse zu unterstützen.
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Für wen sich eine solche Form der Therapie eignet? „Für alle“, ist Frank Grün überzeugt, „auch für Jugendliche, die bereits als austherapiert gelten.“ Ob Angststörung, Demenz, eine Borderline-Störung oder Trauerarbeit – der Kontakt mit Tieren könne zum Beispiel Verantwortung fördern oder helfen, soziale Kompetenzen zu erweitern und emotionale Bindungen aufzubauen.
Manchmal, sagt Carina Heinz, erzähle Samu selbst von seinen Erfolgen. Heute hat er es zum ersten Mal ausgehalten, mitten in der Alpaka-Herde zu stehen. Das, sagt Frank Grün, hat es so noch nicht gegeben.
Weitere Informationen zur tiergestützten Therapie gibt es im Tierpark Kalisto: www.kalisto-tierpark.de