Moers. Mehrere AfD-Politiker trafen sich zur Kundgebung am Königlichen Hof in Moers – und stießen auf massiven Gegenprotest. So war die Stimmung.
Bereits um 10.50 Uhr ist der Platz vor dem Eiscafé Adria gut gefüllt. Zahlreiche Gegendemonstranten schwenken Fahnen und halten Plakate hoch. „Zeig Herz“ und „Nazis töten“ ist unter anderem zu lesen. Die Polizei schätzt die Zahl der Gegendemonstranten um kurz vor 11 Uhr noch auf 100 bis 150 Teilnehmende. Sie alle sind gekommen, um gegen die AfD-Kundgebung am Königlichen Hof zu demonstrieren. Der AfD-Kreisverband Wesel hatte diverse Politiker eingeladen, um Reden zu halten und mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Austausch zu kommen.
Nach elf Uhr wächst an diesem Samstagvormittag die Zahl der Gegendemonstranten auf nach Polizeiangaben 600 Menschen an. Vor der AfD-Wahlkampfbühne auf der Königsee-Seite in Moers stehen zu diesem Zeitpunkt etwa 150 Menschen. Die beiden Gruppen trennt die Uerdinger Straße. Ein großes Aufgebot der Polizei achtet darauf, dass es zu keinen Handgreiflichkeiten kommt. Die Ampelanlage ist nicht ausgeschaltet, Autos und Busse queren das Geschehen.
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Viele ältere Menschen sind an diesem kalten Vormittag zum Kö vor das Eiscafé gekommen, um Flagge zu zeigen, aber auch Familien mit Kindern. Junge Frauen schieben Kinderwagen vor sich her. Väter halten ihren Nachwuchs an den Händen. Unter den Menschen, die auf dieser Straßenseite stehen, ist auch Kai T. Garben. Er ist das erste Mal auf einer Gegendemo, wie er sagt. Er ist überzeugt: „Wir müssen jetzt runter vom Sofa.“ Wer die Demokratie behalten wolle, müsse keine Angst haben. „Jetzt müssen wir alle aufstehen und sagen: Wir wollen die Demokratie behalten“, ist auch Monika Strebl überzeugt, die gerade dazustößt.
Demo gegen AfD-Kundgebung in Moers: „Wir sind hier, weil wir der Demokratie verpflichtet sind“
Das ist hier an diesem späten Vormittag oft zu hören: Man müsse die Demokratie schützen. Der 23-jährige Finn ist mit sechs Leuten aus seiner Pfadfindergruppe aus Duisburg-Rheinhausen nach Moers gekommen und unterstreicht: „Wir sind hier, weil wir der Demokratie verpflichtet sind.“ Auch aus Rheinberg und Moers hat er Pfadfinder gesehen, die sich an der Gegendemo des Bündnisses „Moers ist bunt, nicht braun“ beteiligen. Viele Menschen auf der Steinstraßen-Seite des Kö halten Plakate in die Höhe. „Das Volk ist bunt, nicht braun“, steht darauf, „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder „Wir sind mehr“ in Regenbogenfarben. Vertreter der demokratischen Parteien, die im Moerser Stadtrat vertreten sind, stehen Seite an Seite.
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Auf der anderen Straßenseite betritt die AfD-Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias die Bühne. Mit Blick auf den Gegenprotest erklärt sie: „Wir dürfen uns nicht ärgern, die sind extra für uns hier aufgetaucht. Es ist wunderschön, denen sagen zu können: Eure politische Zukunft ist bald vorbei.“ Die anstehende Bundestagswahl sei „keine Wahl zwischen Parteien.“ Für die Politikerin ist sie vielmehr „eine historische Wahl“, bei der „erstmals die Chance besteht, dass die Vernunft siegt.“ Dafür erntet sie Applaus der Zuhörenden. Immer wieder geht es bei den Reden auf der Königssee-Seite um das Thema Migration. So ist für Seli-Zacharias eine Frau, die eine Vollverschleierung trägt, in ihren Augen keine Deutsche.
AfD-Kundgebung in Moers: Redner lenken Thema auf die Migration
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jan Dieren gehört auf der anderen Seite zu den Rednern des Bündnisses, die unisono vor den Folgen eines weiteren Rechtsrucks warnen. „Erzählt allen Leuten, was die vorhaben, dieses Land den Reichen und Mächtigen in die Hand zu geben“, ruft er in die Menge. Natürlich sei es Wahlkampf, es sei aber egal, welche demokratische Partei man wähle, es gehe darum, „das Land nicht diesen Leuten zu überlassen“, erklärt er unter Beifallsbekundungen der Umstehenden, bevor im großen Chor skandiert wird: „Alle zusammen gegen den Faschismus!“ Was auf der AfD-Bühne passiert, ist auf dieser Straßenseite nicht zu verstehen.
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Dort hat mittlerweile der AfD-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stefan Keuter das Mikrofon ergriffen. Auch er lenkt das Thema während seiner Rede auf die Migration. „Wenn wir Sicherheit herstellen wollen, müssen wir unsere Außengrenzen schützen. Der dumme Deutsche, der alle aufnimmt und für alle zahlt: Damit muss Schluss sein“, sagt er. Mit Blick auf den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg bemerkt Keuter: „Das sind keine australischen Austauschstudenten, sondern Menschen, die nicht in unseren Kulturkreis gehören.“ Dass Menschen aus Kriegsgebieten aufgenommen werden, sei richtig – „aber wenn die Bedrohung zu Ende ist, haben die Gäste ihre Sachen zu packen und nach Hause zu gehen.“
Kundgebung und Gegenprotest in Moers: „Stummer Schrei nach Liebe“ gegen Nationalhymne
Auf der anderen Straßenseite wird währenddessen zusammen applaudiert, skandiert und gesungen. Der „Stumme Schrei nach Liebe“ von den Ärzten knallt ebenso laut und eindringlich aus den Lautsprechern wie Grönemeyer, der gegen die Nationalhymne auf der anderen Seite ansingt.
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Guido Leyendecker vom Bunten Stammtisch Moers hat ausgerechnet, was es seiner Meinung nach kostet, die Grenze komplett zu schließen und zu überwachen. Man brauche rund 387.600 neue Bundespolizisten, mit allen Drum und Dran landet er bei Kosten in in mehrstelliger Milliardenhöhe pro Jahr.
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Der Redner lässt sich aber auch zu den Kosten aus, die der Brexit verursacht hat, und über einen der AfD-Redner auf der anderen Seite, der durch das Versenden verherrlichender Nazi-Bilder über WhatsApp für Empörung sorgte. „Wie verkommen, dreckig und widerlich kann man eigentlich sein?“, ruft Leyendecker der Menge zu. Es seien im Vergleich zum letzten Mal leider mehr geworden, sagt er mit Blick auf die Zuhörerschaft an der AfD-Bühne. „Aber es sind wesentlich weniger als wir.“
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Staatschutz ermittelt
Die Kreispolizeibehörde Wesel bestätigte auf Nachfrage der Redaktion, dass es im Zuge der Veranstaltungen einen Vorfall gegeben hat, bei dem der Hitlergruß gezeigt worden sein soll. Die betreffende Person sei vorläufig in Gewahrsam genommen worden, es sei Strafanzeige gestellt worden, hieß es weiter. Der Staatsschutz habe Kenntnis erhalten und übernehme die weitere Sachbearbeitung des Vorgangs. Ansonsten spricht die Polizei von einem störungsfreien Verlauf.