Moers. Seit 36 Jahren ist der Fußgängertunnel am Königlichen Hof dicht. Heute gilt er als Lost Place in Moers. Aber alle sechs Jahre wird er geöffnet.
36 Jahre ist es her, dass die Eingänge zum Fußgängertunnel am Königlichen Hof geschlossen wurden. Von 1972 bis 1988 verband ein unterirdischer Gang die Moerser Innenstadt mit dem Kö. Heute ist das anders: Eine für Fußgängerinnen und Fußgänger eingerichtete Kreuzung zwingt den Feierabendverkehr, den Weg frei zu machen. Doch der Tunnel ist geblieben. Und ist nun ein Lost Place inmitten der alten Grafenstadt.
„Viele Bürgerinnen und Bürger haben ihn als Schandfleck und Angstraum empfunden.“
1972 eröffnete die neue Fußgängerunterführung am Königlichen Hof. Grund für den Bau war damals die Idee einer autogerechten Stadt und eines ungehinderten Verkehrsflusses, wie die Stadt Moers und Enni bestätigen. Nicht motorisierte Verkehrsteilnehmende mussten sich unterordnen. Bis ein Umdenken in der Verkehrspolitik einsetzte.
Nach 17 Jahren wurde der Tunnel dann stillgelegt. Damals wurde er häufig für die „Notdurft“ genutzt, berichten die Stadt Moers und Enni, „entsprechend stank es dort. Viele Bürgerinnen und Bürger haben ihn als Schandfleck und Angstraum empfunden.“
„Einigen steigt beim Gedanken daran auch gleich wieder der typische Geruch in die Nase.“
Außerdem seien immer wieder technische Probleme mit den Rolltreppen aufgetreten. Das habe neben den Kosten für Wartung und Strom weitere Kosten verursacht. Schließlich wurde der Tunnel – auch zugunsten einer fußgängerfreundlichen Stadt – geschlossen. Die Zugänge wurden zugemauert. Aber der Rest existiert noch unter der Uerdinger Straße – verlassen, und teils vergessen.
Fußgängertunnel-Kö in Moers: Was genau ist ein Lost Place?
Heute wird der alte Fußgängertunnel als Lost Place bezeichnet. Obwohl es keine einheitliche und offizielle Definition für Lost Places gibt, können sie anhand einiger Kriterien identifiziert werden. Oft bezeichnet der Begriff verlassene und verfallene Orte, die einst eine wichtige Rolle spielten, nun aber in Vergessenheit geraten sind. So auch der Kö-Tunnel.
Lost Places: Illegal, gefährlich – und doch beliebt
Viele Lost Places befinden sich in Privatbesitz. Das bedeutet, dass das Betreten ohne Genehmigung rechtlich problematisch sein kann, wie es im vergangenen Jahr in Neukirchen-Vluyn der Fall war. Laut dem Dachverband Stadtmarketing Austria ist das Erkunden solcher Orte vor allem während des Corona-Lockdowns zum Trend geworden. Neben Fragen der Sicherheit, der Haftung und der Illegalität bieten vergessene Orte aber auch neue Chancen für den Tourismus.
Die Stadt Moers, Eigentümer des alten Bauwerks, hat jedoch keine Pläne für eine zukünftige Nutzung. Allerdings wird der Tunnel alle sechs Jahre für eine Inspektion geöffnet – und dann gibt es Einblicke in den Untergrund. Am 28. März 2019 fand die letzte Hauptprüfung des Kö-Tunnels statt. Am 17. Mai dieses Jahres wird er das nächste Mal überprüft.
Was die Hauptprüfung exakt kostet, verraten Stadt und Enni nicht: „Die Kosten der turnusmäßigen Überprüfung des Bauwerks liegen in einem niedrigen vierstelligen Bereich.“ Die Enni führt die Kontrolle durch und übernimmt im Auftrag der Stadt die Verkehrssicherungspflicht.
Enni gewährt Einblick in den Moerser Untergrund
Heute habe der alte Fußgängertunnel am Königlichen Hof vor allem eine nostalgische Bedeutung. „Einigen steigt beim Gedanken daran auch gleich wieder der typische Geruch in die Nase“, teilen Stadt und Enni mit. Letztlich erinnere der Tunnel vor allem an das damalige – und heute verworfene – Ideal einer autogerechten Stadt.