Moers. Immer wieder brennt es im verwaisten Lager in Moers, jetzt kommt Ärger mit „Lost-Place-Jägern“ hinzu. Warum die Polizei vor Gefahren warnt.

Im Jahr 1974 hatte Edeka Rhein-Ruhr seine Zentrale an der Chemnitzer Straße bezogen. Von dem A40-nahen Standort aus leitete die Unternehmensgruppe jahrzehntelang ihre organisatorischen Geschicke und versorgte mit dem angebundenen Zentrallager die Märkte in der Region stetig mit Waren. Heute, genau 50 Jahre später, ist von dem geschäftlichem Treiben auf dem Gelände nichts mehr zu sehen. Spätestens nach dem Umzug der Edeka-Verwaltung in den Neubau in Moers-Utfort sowie des Zentrallagers nach Oberhausen wurde das Gewerbebauwerk im Jahr 2021 obsolet. Seither ist der ehemalige Unternehmenssitz verwaist – und ist in jüngster Zeit regelmäßig zum Schauplatz von Kriminalität geworden.

Eingeschlagene Fensterscheiben, Brandspuren am Dach, Schmierereien an der Fassade: Wer sich in diesen Tagen einen Eindruck von dem langjährigen Edeka-Standort verschafft, sieht ein Bild der Zerstörung. Immer wieder erreichten unsere Redaktion über die vergangenen Monate Mitteilungen der Polizei über Vandalismus, Brände und Co. Im November etwa hatten Einbrecher im Trafo-Raum gewütet und einen Stromausfall in der näheren Umgebung verursacht. Allein seit Anfang des Jahres hat es zudem bereits dreimal in der alten Lagerhalle gebrannt. Am 8. Januar, 17. Februar sowie am 10. März musste die Feuerwehr zur Chemnitzer Straße ausrücken. Die Polizei glaubt nicht an einen Zufall. „Wir gehen in allen drei Fällen zumindest von fahrlässiger Brandstiftung aus. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren“, sagt Peter Reuters, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Wesel im Gespräch mit unserer Redaktion.

Altes Edeka-Lager in Moers: Kinder sollen laut Staatsanwaltschaft Brand gelegt haben

Die Fälle liegen zur Bearbeitung bei der Staatsanwaltschaft. Dort heißt es auf Nachfrage, man sei zumindest bei dem ersten der drei Feuer auf einer heißen Spur. „Im Zusammenhang mit dem Brand am 8. Januar konnten zwei Jugendliche im Alter von jeweils 14 Jahren und zwei Kinder im Alter von jeweils 12 Jahren als Tatverdächtige ermittelt werden“, teilt Oberstaatsanwalt Johannes Hoppmann mit. „Bezüglich der Kinder ist das Verfahren, da diese noch nicht vierzehn Jahre alt sind und damit zum Zeitpunkt der Tat noch nicht strafmündig waren, eingestellt worden. Die Ermittlungen gegen die beiden Jugendlichen dauern noch fort.“

Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:

Und zu den immer wiederkehrenden Brandstiftungen ist jetzt noch ein weiteres Problem hinzugekommen: Unter sogenannten Lost-Place-Jägern, also Menschen, die verlassene Orte aufsuchen und dafür teils weite Anreisen auf sich nehmen, scheint sich die leerstehende Lagerhalle als neuer Hotspot herumgesprochen zu haben. Auf YouTube kursieren bereits Videos von „Erkundungen“ des alten Zentrallagers mit tausenden Aufrufen. In den Kommentaren dazu herrscht gleichermaßen Verwunderung über den einfachen Zugang, Unverständnis für die Brandstifter sowie Wehmut bei ehemaligen Edeka-Mitarbeitenden.

Auch ohne eingeschlagene Scheiben wäre es problemlos möglich, in das leerstehende Gebäude in Moers einzusteigen. Stadt und Polizei ist das ein Dorn im Auge.
Auch ohne eingeschlagene Scheiben wäre es problemlos möglich, in das leerstehende Gebäude in Moers einzusteigen. Stadt und Polizei ist das ein Dorn im Auge. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Internet-Videos zeigen gefährliche Erkundung von neuem „Lost Place“ in Moers

Die Videos sind auch der Polizei bekannt. „Das Gebäude mag leerstehend sein, bietet aber ein enormes Gefahrenpotenzial, da immer etwas einstürzen kann“, warnt die Polizei vor einem Aufenthalt. Hier gelte ebenso wie an allen anderen Lost Places im Kreis Wesel – dazu zählen etwa das Schloss Wolfskuhlen in Rheinberg sowie ein alter Bunker in Xanten: Wer sich dort erwischen lässt, macht sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar und kann eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe erhalten. „Wir werden verstärkt Personenkontrollen mit unseren Streifenwagen durchführen. Ein Dauerposten vor Ort ist aber personell nicht leistbar.“

Die Polizei sieht vor allem den aktuellen Eigentümer in der Verantwortung, die Halle vor unerwünschten Eindringlingen zu sichern. Diese Auffassung teilt die Stadt Moers. Nach Angaben der Verwaltung sei die Fläche derzeit in Besitz des Logistikimmobilienverwalters Prologis Germany. Die Stadt Moers habe sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort gemacht. Das Ergebnis: Das alte Zentrallager kann man problemlos betreten. Thorsten Schröder, Sprecher der Stadt Moers, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Das Gebäude ist lediglich mit Flatterband abgesperrt. Wir haben das Unternehmen bereits informiert, dass es nicht ordentlich abgesichert ist. Aber seitdem ist nichts ausreichend passiert.“

Frühere Edeka-Zentrale in Moers: Wann wird der Leerstand abgerissen?

Insbesondere für die städtische Feuerwehr seien die monatlichen Löscheinsätze ein erheblicher Mehraufwand, den es zu verhindern gelte. Am besten mit einer schnellen Lösung. „Ein Abriss wäre aus Sicht der Stadt kein Problem“, so Schröder. „Allerdings hat der Eigentümer noch keinen Antrag auf eine Abbruchgenehmigung gestellt.“ Wenn der Edeka-Leerstand einmal abgerissen sein sollte – und bis dahin hoffentlich niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist – soll Prologis an der Chemnitzer Straße einen Logistikstandort planen. Für eine Teilfläche des Geländes hat sich die Stadt Moers zudem ein Vorkaufsrecht gesichert. Den Standort hat die Verwaltung für den Bau einer neuen Feuerwache ins Auge gefasst. Hier laufen derzeit noch die Verhandlungen.

Das Unternehmen Prologis hat sich trotz mehrfacher Nachfrage unserer Redaktion nicht dazu geäußert, wie es auf die derzeitigen Probleme auf seinem Grundstück reagieren will.

So lebendig war‘s mal bei Edeka an der Chemnitzer Straße in Moers. Dieses Archivbild stammt aus dem Jahr 2017.
So lebendig war‘s mal bei Edeka an der Chemnitzer Straße in Moers. Dieses Archivbild stammt aus dem Jahr 2017. © Heiko Kempken / FUNKE Foto Services | Heiko Kempken