Kamp-Lintfort. In Kamp-Lintfort haben sich ehemalige Schüler 50 Jahre nach dem Abitur wiedergetroffen und viele Anekdoten erzählt. Auch vom Liebesleben.

Eine Dame mit grauem Pagenkopf, Brille und Halstuch betritt den großen Veranstaltungsraum im Alten Casino. „Da fängt dann manchmal das große Rätselraten an, wer das ist“, gesteht Joachim Schoenenberg schmunzelnd. Der pensionierte Hauptschullehrer ist einer von 46 Abiturientinnen und Abiturienten, die am 7. Juni 1974 ihr Abschlusszeugnis am „Städtischen neusprachlichen und mathematischen Gymnasium Kamp-Lintfort“, dem heutigen Georg-Forster-Gymnasium, überreicht bekamen. Nach 50 Jahren treffen sich die damaligen Schulkameradinnen und -kameraden nun in der alteingesessenen Kamp-Lintforter Gaststätte wieder und schwelgen in Erinnerungen.

Barbara Naderer strahlt. „Wir erwarten etwa heute etwa 30 Leute, auch vier ehemalige Lehrer haben zugesagt“, erklärt sie und deutet auf einen Tisch, an dem sich ein Grüppchen betagter Herren angeregt unterhält. Naderer, ihrerseits Jahrgang 1955, hat das Treffen zum 50-jährigen Abiturjubiläum gemeinsam mit dem ehemaligen Schulkameraden Reinhard Meißen organisiert. 1966 startet die Stufe als dritter Jahrgang der sich im Aufbau befindlichen Schule ihre weiterführende schulische Ausbildung. „Das war damals schon beeindruckend und progressiv: eine aufstrebende Stadt, eine aufstrebende Schule und viele junge, motivierte Lehrer“, erinnert sie sich. 

Dritter Jahrgang des heutigen Georg-Forster-Gymnasiums in Kamp-Lintfort blickt zurück

Insgesamt erlebten die heute überwiegend in Rente befindlichen und pensionierten Absolventinnen und Absolventen des Jahrgangs 1974 drei Umzüge von einem provisorischen Schulgebäude zum nächsten. Auch der Name des Gymnasiums sowie der Schuljahresbeginn und die Wahl von fachspezifischen Schwerpunkten wandelten sich im Laufe ihrer Schulkarriere. „Wir waren die sogenannte ‚reformierte Oberstufe‘“, erklärt Ulrike Göttlich, ebenfalls Jahrgangsmitglied. „Die letzten zwei Jahre konnte man dann zwischen dem neusprachlichen und dem mathematischen Zweig wählen“, führt sie aus. „Wenn man’s genau nimmt, waren wir auf drei Schulen“, ergänzt Meißen lachend.

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Einiges hat sich seit dem Schulabschluss vor 50 Jahren verändert. Göttlich, die heute in Kempen lebt, meint, sie sei in ihrer Schulzeit „viel zu schüchtern“ gewesen, als dass sie mit Joachim Schoenenberg und weiteren Schulkameraden bei Feten im „Age of Stone“, einer zur Disco umfunktionierten Kirche im Niersenbruch, oder im „Alten Casino“ regelmäßig das Tanzbein geschwungen hätte. „Da ging immer die Post ab“, meint Schoenenberg. Schon lang scheint Ulrike Göttlich ihre Schüchternheit abgelegt zu haben. Seit Anfang der 2000er veröffentlicht sie eigene lyrische Texte, veranstaltet Lesungen und bestreitet Soloprogramme. 

Ehemalige nehmen weite Anreise zu Jubiläumstreffen in Kamp-Lintfort auf sich

Viele ehemalige Kamp-Lintforter sind in der Region geblieben, andere hat es in weitere Ferne verschlagen. So sind Manfred Springer und Robert Seidler in Osnabrück sesshaft geworden. Viele habe es, wie auch sie selbst, nach Köln oder Düsseldorf verschlagen, weiß Barbara Naderer. Die promovierte Volkswirtin ist am Vortag des Jubiläumstreffens mit dem Fahrrad aus Düsseldorf-Oberkassel nach Kamp-Lintfort geradelt, was von Schoenenberg und Göttlich bewundernd geachtet wird. 

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Gemeinsam schwelgt man in Erinnerungen, betrachtet alte Fotos und erzählt sich Anekdoten, tauscht aber auch Neuigkeiten aus. So ist für Ulrike Göttlich besonders das Thema der Biologie-Abiturprüfung im Gedächtnis geblieben: Das Liebesleben der dreistacheligen Stichlinge – „das ist kein Scherz“, beteuert sie. Ob es gut gelaufen sei? „Ich habe auf jeden Fall bestanden – scheint also in Ordnung gewesen zu sein“, sagt sie lachend.

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Auch die Feierlichkeiten im Anschluss an die Prüfungen hat Joachim Schoenenberg noch lebhaft vor Augen: „Mit einem Bollerwagen sind wir nach dem Abi durch die Stadt gelaufen.“ Dazu habe man kollektiv gelbe Friesennerze getragen. Von letzteren habe man schließlich das verschüttete Bier besser abwischen können. „Die letzte Fete war dann aber eine Milchfete, weil wir alle keinen Alkohol mehr sehen konnten“, ergänzt die Kempener Künstlerin. So wild wie vor 50 Jahren geht es an diesem Abend nicht mehr zu. Dennoch sind Schoenenberg und Göttlich sich einig: „Wenn wir uns sehen, dann ist das immer, als hätte man sich gestern erst gesehen.“