Kamp-Lintfort/Moers. Moerser Fundtiere werden nicht im Moerser Tierheim betreut, sondern in der Kamp-Lintforter Tierherberge. Der Vertrag läuft aus. Wie es weitergeht.

Es war für manche Moerser Bürgerinnen und Bürger schon immer schwer zu verstehen: Seit 2015 kommen Moerser Fundtiere oder Tiere aus Sicherstellungen in die Tierherberge Kamp-Lintfort. Seinerzeit hat sich die Stadt Moers bei einer freihändigen Vergabe so entschieden, weil die Tierherberge ein etwas günstigeres Angebot vorgelegt hatte als die Moerser Kollegen.

Nun läuft der Vertrag zum Jahresende aus und die Tierherberge teilt mit, dass sie sich beim soeben abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren nicht mehr beworben hat. Es gehe nicht ums Geld, heißt es. „Wir haben ein personelles Problem“, sagt Beate Mühlenberg, Leiterin der Tierherberge und des dazu gehörenden Gnadenhofs in Weeze. Als die Kamp-Lintforter den Moerser Job übernommen haben, waren es 15 Mitarbeiter. „Und die brauchen wir auch“, sagt Mühlenberg.

„Die Leute gehen auf dem Zahnfleisch“

Tatsächlich hetzen aktuell 8 1/2 Mitarbeiter durch den Tag, pendeln zwischen Kamp-Lintfort und Weeze. „Die Leute gehen auf dem Zahnfleisch“, beobachtet Martina Klein, Vorsitzende des Bundes deutscher Tierfreunde, der die beiden Auffangstellen betreibt. Neue Kollegen seien nicht in Sicht, sagt Mühlenberg. Und wenn, wisse man nie, wie lange sie bleiben. Denn Tierschutz ist nicht Katzenkuscheln und Gassi gehen, sondern Knochenarbeit.

„Wir haben lange überlegt“, berichtet Beate Mühlenberg, „aber wir haben gesehen, dass wir das auf Dauer nicht stemmen können. Wir laufen Gefahr, den Tieren nicht gerecht zu werden. Da haben wir gesagt: Dann lassen wir es lieber sein, zusätzlich die Moerser Tiere aufzunehmen. Dann reichen uns die Kamp-Lintforter Tiere und die aus Rheurdt.“ Das sagt sie auch mit Blick in die Zukunft. „Seit Corona kommen immer mehr Tiere ins Tierheim“, beobachtet Beate Mühlenberg und weiß sich nicht allein bei dieser Entwicklung. Kaum ein Tierheim, das derzeit nicht um Hilfe ruft und ächzt unter der Belastung. Ein Ende dieser Entwicklung sehen die Kamp-Lintforter Tierschützer noch lange nicht.

„Wir nehmen unglaublich viele nette und gepflegte Tiere auf. Die hatten mit Sicherheit ein Zuhause“

Beate Mühlenberg
ist Leiterin der Tierherberge

Mühlenberg beobachtet dabei vor allem bei Katzen einen neuen Trend. Es sind nicht mehr die verwilderten Hauskatzen, die das Geschehen vor allem zur Kittenzeit dominieren. „Wir nehmen unglaublich viele nette und gepflegte Tiere auf. Die hatten mit Sicherheit ein Zuhause. Sehr viele teure Rassekatzen sind dabei, vom Bengalen bis zur British Kurzhaar. Manchmal kommen wir uns vor, wie in einer Ausstellung. Die meisten sind nicht kastriert. Nur zehn Prozent dieser Katzen werden wieder abgeholt“, wundert sich Mühlenberg. Und nicht nur die Zahl der Fundtiere steige, sondern auch die der „Abgabetiere“, die einfach vor der Tierherberge abgestellt oder angeleint werden.

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Gründe dafür gebe es viele, sagt die Leiterin der Kamp-Lintforter Tierherberge. „Da ist einfach so vieles so doof aufeinander gefallen. Inflation, Ende des Homeoffice, steigende Energiekosten, die Erhöhung der Gebührenordnung der Tierärzte. Manche können sich ihr Tier schlicht nicht mehr leisten.“ Auch steigend: Die Fälle von „Animal Hording“, bei denen das Veterinäramt einschreiten muss, weil einfach zu viele Tiere auf einmal gehalten werden.

Aktuell werden in der Tierherberge 15 Hunde, 40 Katzen - viele davon tragend - und knapp 40 Kleintiere betreut, in Weeze sind es insgesamt 80 Tiere, darunter auch Pferde oder Schweine. Viel mehr geht eigentlich nicht, aber „es klappt immer irgendwie“, sagt Mühlenberg mit Blick auf das, was da noch in den kommenden Monaten kommt. Sie kann sich glücklich schätzen, wenn im Notfall Mitarbeiter Tiere vorübergehend bei sich zu Hause aufnehmen. Wie viele Tiere aus Moers im Schnitt in Kamp-Lintfort angekommen sind, vermochte Beate Mühlenberg nicht zu sagen.

Auch die drei Kangals, die als Fundtiere nach Kamp-Lintfort kamen und nicht wieder abgeholt wurden, stammen aus Moers.
Auch die drei Kangals, die als Fundtiere nach Kamp-Lintfort kamen und nicht wieder abgeholt wurden, stammen aus Moers.

Das alles heißt aber auch, dass nunmehr das Moerser Tierheim wieder zum Zuge kommen könnte. Die Ausschreibung für die Annahme, Abholung, Verwahrung und Vermittlung von Fundtieren ist gelaufen. Am 21. August endete die Bewerbungsphase. Wie Peter Kuhnen, Vorsitzender des Tierschutzvereins Moers und Umgebung, auf Nachfrage angibt, habe sich das Tierheim Moers beworben. Kapazitäten sehe er durchaus im Moerser Tierheim. Zumal seit eineinhalb Jahren die Moerser nicht mehr für Krefelder Fundtiere zuständig sind. Für geschätzte 200 Tiere pro Jahr sei die aktuelle Ausschreibung gewesen. Groll gegen die Kamp-Lintforter Kollegen, die Moers seinerzeit unterboten haben, hege er nicht. Im Gegenteil, die Zusammenarbeit sei immer gut gewesen. Das bestätigt auch Beate Mühlenberg: „Wir arbeiten Hand in Hand. Manchmal haben uns die Moerser auch ein Fundtier gebracht, wenn hier niemand konnte. Manchmal konnten auch wir aushelfen.“

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Ob die Moerser wieder ins Boot kommen, klärt sich am 20. September. Dann werde der Zuschlag erteilt, wie ein Sprecher der Stadt Moers erklärte. Wie viele Bewerbungen eingegangen sind, dürfe nicht gesagt werden. Der Preis sei aber nicht das einzige Argument für einen Zuschlag. Es gehe auch darum, dass die Tiere in einem vernünftigen Rahmen untergebracht würden, dass die Mitarbeiter angemessen bezahlt würden. Letztlich spiele auch die Erreichbarkeit eine Rolle. Streng genommen gehe es sogar um zwei „Lose“ in der Ausschreibung. Neben Hunden, Katzen oder Kleintieren sollen auch Exoten und Reptilien versorgt werden können.