Kamp-Lintfort. Für einen neuen Supermarkt in Oberhausen müssen Bäume weichen. Die Neuanpflanzungen stehen in Hoerstgen. Doch sie sind nicht leicht zu finden.
Es war eine Nachricht der Oberhausener Kollegen, die stutzig machte: „In Oberhausen müssen Bäume für einen neuen Edeka-Markt weichen. Zum Ausgleich werden neue gepflanzt – in Kamp-Lintfort.“ Nanu, wie kann denn das sein? Einfache Frage, einfache Antwort, sollte man meinen. Weit gefehlt. Der Anruf bei der Stadt Kamp-Lintfort war der Anfang einer kleinen Odyssee auf der Suche nach den Oberhausener Bäumen.
Der Kämmerer Martin Notthoff konnte zumindest sagen, dass die Stadt Kamp-Lintfort keine Ausgleichsflächen zur Verfügung stellt. Da müsse es einen anderen Grundstückeigentümer geben. Aber vielleicht weiß das Planungsamt ja mehr? Nein, weiß es nicht. Zwar wird in Kamp-Lintfort aufgeforstet, aber wo und von wem genau - da wurde das Planungsamt nicht involviert. Vielleicht kann man ja rauskriegen, wem das Grundstück in Oberhausen gehört?
Aus der Edeka-Zentrale Rhein Ruhr kam nur eine knappe Antwort auf eine Anfrage per Mail: „Wir sind nicht Eigentümer des Projektgrundstücks und können zu den Eigentumsverhältnissen der angesprochenen Flächen keine Angaben machen. Die Ausgleichsmaßnahmen und -flächen sind Bestandteil des Genehmigungsverfahrens und folgen entsprechend den vorgegebenen Regeln.“ Aha.
Kompensationsraum Niederrheinisches Tiefland und Kölner Bucht
Was weiß die Stadt Oberhausen? Die Ersatzpflanzungen würden in Kamp-Lintfort durchgeführt, heißt es von dort, weil es trotz aufwändiger Suche des Vorhabenträgers keine verfügbaren Flächen für eine Aufforstung in Oberhausen gebe. Sei dies der Fall, bestehe die Möglichkeit gemäß den gesetzlichen Vorgaben im selben Kompensationsraum auszugleichen, in dem der Eingriff stattgefunden hat. Für Oberhausen sei dies der Kompensationsraum „K 02 Niederrheinisches Tiefland und Kölner Bucht (~D35)“. „Zu diesem Raum gehört unter anderem die Stadt Kamp-Lintfort.“ Ein weites Feld. Da lag der Kämmerer Notthof nicht falsch mit der Aussage: „Ersatzanpflanzungen können auch in Pusemuckel erfolgen.“
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Ein Sprecher der Stadt Oberhausen erklärt: „Während der Genehmigungsphase des Projektes wird ermittelt, wie viel ,Ersatz‘ zu leisten ist. Da es sich beim gegenständigen Projekt um die Rodung sowie Aufforstung von Wald im Sinne des Gesetzes handelt, musste der Vorhabenträger beim Landesbetrieb Wald und Holz einen Antrag auf dauerhafte Waldumwandlung sowie ein Antrag auf Erstaufforstung stellen. Neben einer selbst ausgeführten Erstaufforstung besteht auch die Möglichkeit, den notwendigen Ausgleich über ein Ökokonto einer Drittpartei zu erbringen, welche die Aufforstung bereits durchgeführt und für solche Projekte vorgehalten hat. Dies ist im gegenständigen Falle erfolgt.“
Wer ist jetzt zuständig?
Und wer nun denkt, dass das Regionalforstamt Wesel des Landesbetriebs Wald und Holz zuständig für weitere Fragen in Sachen Ausgleichspflanzungen in Kamp-Lintfort ist - weit gefehlt. Andersherum wird ein Schuh draus. Der Oberhausener Vorhabenträger müsse die Kompensation an anderen Orten beantragen und deshalb sei das Regionalforstamt Gelsenkirchen zuständig. Es sei allerdings sehr verwunderlich, dass die Recherche sich so umständlich gestalte. „Eigentlich ist das ein ganz transparentes Verfahren“, sichert der Weseler Förster zu.
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Und tatsächlich. Uwe Spelleken vom Regionalforstamt Gelsenkirchen kann alles erklären. Der Grund und Boden, auf dem die Ausgleichspflanzungen in Kamp-Lintfort stehen, gehört der Landschaftsagentur plus, einer ehemaligen RAG-Tochter, die sich für solche Wiederaufforstungen engagiert. Edeka zahlt und die entsprechende Anzahl der Bäume werden aus einer riesigen Fläche ausgebucht, erklärt er. In diesem Fall sollen es etwa 2400 Pflanzen auf 4800 Quadratmetern sein. „Die Fläche ist vor drei Jahren aufgeforstet worden.“ Am Ende würden auf diesen 4800 Quadratmetern keine 100 Bäume stehenbleiben, so die überraschende Einschätzung des Sachbearbeiters. Denn irgendwann verdrängten die stärkeren Bäume die schwächeren. Gepflanzt wurden unter anderen Eiche und Kirsche, drumherum gibt es eine mehrreihige Hecke. Es gebe feste Vorgaben, was anzupflanzen sei.
„Schön ist das nicht, wenn den Oberhausenern ein Stück Wald verloren geht“
Ausgleichsflächen anbieten könne prinzipiell jeder. Aber wer jetzt an einträgliche Geschäfte mit Wald denkt, liegt eher falsch. Denn dieses Geschäftsmodell lohne sich erst bei Flächen von mehr als einem Hektar. Der Vorhabenträger habe sich an die Landschaftsagentur plus gewandt, in Gelsenkirchen musste das nur genehmigt werden. „Schön ist das nicht“, räumt der Förster ein, „wenn den Oberhausenern ein Stück Wald verloren geht.“ Aber immerhin werde eine Aufforstung nur dort genehmigt, wo ebenfalls eher wenig Wald ist. „Im Sauerland, wo es 60 Prozent Waldanteil gibt, macht das keinen Sinn“, findet Spelleken. Es könne durchaus sein, dass auch in Oberhausen noch entsprechende freie Flächen vorhanden seien. „Aber die braucht dann die Stadt für ihre eigenen Verfahren“, ist sich Spelleken sicher.
Wer also die Oberhausener Bäume besuchen will, muss nach Hoerstgen reisen, und zwar ins Nirgendwo an der Grenze zu Issum. Über die Straße Brückerheide geht es zum Regenrückhaltebecken der Lineg. Dort gibt es einen Trampelpfad zum Aufforstungsgelände.