Herne. Europa kann mehr als Fußball: Das internationale Jugendkultur-Format „Europefiction“ kommt erneut nach Herne. Warum nach 15 Jahren das Aus droht.
In Deutschland findet die Europameisterschaft statt, in Herne steigt „Europefiction“. Mit den Dimensionen des Fußballgipfels kann sich dieses Format natürlich nicht messen, doch einzigartig und besonders ist das internationale Kultur-Camp für junge Menschen ab 16 Jahren sehr wohl. Seit Samstag, 6. Juli, macht das seit 2009 jährlich im Sommer stattfindende Festival zum dritten Mal in Herne Station. Gastgeber des einwöchigen Zelt-Camps ist das Theater Kohlenpott, das Schwerpunktthema lautet diesmal „Neuer Zirkus“. Es könnte ein Abschied für immer sein: Dem erfolgreichen Projekt droht das Aus.
Zehn Jugendtheater und rund 130 Teilnehmende bauen am Festivalort Flottmann-Hallen buchstäblich ihre Zelte auf. Neben Kohlenpott sind das aus Deutschland: Junges Schauspiel Bochum, Consol Theater Gelsenkirchen, Helios Theater Hamm und KJT Dortmund. Die internationalen Gäste kommen aus Frankreich (Paris), Ungarn (Budapest), Portugal (Évora), Belgien (St. Vith) und den Niederlanden (Rotterdam).
Das Land wird Europefiction künftig nicht mehr finanzieren
In den Flottmann-Hallen präsentieren sie zunächst Produktionen, die sie in den vergangenen Monaten zum Circus-Schwerpunkt erarbeitet haben. Anschließend entwickeln sie gemeinsam in diversen Workshops zu Disziplinen wie unter anderem Tanz, Zirkus und Spiel mit Objekten eine Abschlussperformance. Diese wird zum Finale am Samstag, 13. Juli, um 17 Uhr in den und rund um die Flottmann-Hallen aufgeführt. Die Abschlussveranstaltung ist öffentlich, der Eintritt ist frei.
Was die Stimmung in diesem Jahr ein trübt: Die weitere Finanzierung sei nicht gesichert, erklärt Frank Hörner vom Theater Kohlenpott. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieses Projekt in der bisherigen Form weitergeführt werden kann.“ Den Löwenanteil der stets nur auf drei Jahre befristeten Finanzierung habe bislang das Land getragen, was wohl künftig nicht mehr der Fall sein werde.
„Pottfiction“, wie es anfangs noch hieß, sei seines Wissens das letzte noch existierende Kulturhauptstadtprojekt, sagt Hörner. 2009 habe das Camp in Gelsenkirchen Premiere gefeiert, im Kulturhauptstadtjahr Ruhr 2010 habe es erstmals in Herne stattgefunden, 2018 dann ein weiteres Mal.
Hunderte von Jugendlichen hätten in all den Jahren mit großer Begeisterung daran teilgenommen. „Die Vernetzung hat fantastisch funktioniert“, so Hörner. Durch die 2018/19 erfolgte Internationalisierung sei noch einmal eine völlig neue Stufe erreicht worden. Viele Teilnehmende hätten ihren Blick auf die Welt verändert und Mittel an die Hand bekommen, „um sich auf wunderbare Art und Weise auszuprobieren“. Umso bedauerlicher sei es, dass es kein Fördersystem gebe, das derart nachhaltige und erfolgreiche Projekte dauerhaft sichere.