Herne. Ein Obdachloser zapft sich in einem Herner Krankenhaus Desinfektionsmittel ab und trinkt es. Vor Gericht gibt sich der „Spaß-Trinker“ geläutert.
Nach einer Serie von Brandlegungen, Pistolen-Drohungen und Pöbel-Auftritten in der Herner Innenstadt muss sich ein psychisch kranker Mann vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Die Anklage gleicht einem Streifzug durch das Strafgesetzbuch. Es geht unter anderem um Bedrohung, Sachbeschädigung, Beleidigung, Widerstand, Körperverletzung und Nötigung.
Die Vorwürfe gehen zurück auf die Zeit von September 2018 bis Juni 2019. Damals lebte der Angeklagte in Herne auf der Straße. „Durch die Obdachlosigkeit habe ich mich radikalisiert“, räumte der 64-Jährige am Montag zum Prozessauftakt ein. Ende 2017 hatte er seine letzte Bleibe verloren, war Weinbrand und Bier verfallen und immer aggressiver geworden. Zunächst soll er eine Kontrolleurin in einer S-Bahn mit einer Softairpistole bedroht haben („Halt‘ die Fresse, sonst knallt‘s!“). Wenige Monate später soll er mehrfach bei seiner Mutter (87) an der Shamrockstraße aufgetaucht sein, die Frau bestohlen (30 Euro), ihre Terrassentür mit Steinen beworfen, alarmierte Polizisten als „Panhasköppe“ beleidigt haben.
Herne: Verkäufer im Handyshop bedroht
Am 20. Mai 2019 soll der Mann auf der Bahnhofstraße in einem Handyshop den Verkäufer bedroht („Ich mach‘ dich kalt, du Schwein“) und mit einer Pistole eingeschüchtert haben. Mitte Juni 2019 soll er im betrunkenen Kopf binnen weniger Tage immer wieder mutwillig Abfalleimer abgefackelt haben. Zuerst am Herner Bahnhof, dann am City-Center, zuletzt an der U-Bahn-Station „Hölkeskampring“. Einen ihn verfolgenden Polizisten in Zivil soll der Herner mit dem Tod bedroht haben.
Ein ähnliches Szenario soll sich am 21. Juni 2019 im Evangelischen Krankenhaus abgespielt haben. Laut Anklage hatte der Obdachlose sich – beobachtet von einem Rettungssanitäter - damals auf einer Toilette Desinfektionsmittel in eine Wasserflasche abgefüllt, die hoch-alkoholische Flüssigkeit zuvor aus dem Spender auch schon getrunken. Als der Sanitäter den 64-Jährigen verfolgte, wurde er laut Staatsanwaltschaft mit einer Waffe bedroht.
Angeklagter ist seit März 2021 in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung
Der Angeklagte ist seit vielen Jahren psychisch krank. Seit März 2021 ist er in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung untergebracht. Zum Prozessauftakt vor der 9. Strafkammer legte er ein Teilgeständnis ab. Vieles würde er heute anders machen, mit seiner Mutter sei er wieder im Reinen. „Ich bin halt ein Spaß-Trinker, habe immer nur gegen meine Ängste angetrunken“, sagte er. Auch Desinfektionsmittel? „Ja, das stimmt. Ich wusste um das Vergiftungsrisiko“, so der Angeklagte. Er habe sich aber in einer ausweglosen Lage befunden. Urteil: voraussichtlich Mitte April.