Herne. Die Bundesregierung hat eine Testpflicht für Unternehmen auf den Weg gebracht. Die WAZ hat sich bei Firmen umgehört und den IHK-Testbus besucht.
Die Bundesregierung hat am Dienstag ein umfangreiches Maßnahmen-Paket zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen. Ein Baustein: Die Pflicht für Unternehmen, allen Mitarbeitern, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, mindestens einmal pro Woche einen Selbst- oder Schnelltest anzubieten. Die WAZ hat sich bei Unternehmen umgehört - und hat den Testbus der IHK Mittleres Ruhrgebiet besucht.
Denn die IHK ist für ihre Mitgliedsunternehmen - in Herne sind es rund 5000 - selbst in den Testbetrieb eingestiegen und schickt seit ein paar Tagen einen Bus durch die vier Städte des IHK-Bezirks, der kostenlose Tests anbietet. Am Mittwoch lautete die Haltestelle: Gewerbegebiet Friedrich der Große, ein Standort mit mehreren hundert Mitarbeitern in den zahlreichen Unternehmen.
Dachser: Auch beim Wechsel der Etagen muss „schnellgetestet“ werden
Es sei gut zu tun, berichtet einer der beiden Mitarbeiter des Testbusses. Die Kunden seien dankbar für das Angebot - und angesichts der etwas unangenehmen Prozedur dann auch erleichtert, wenn sie vorbei ist. Das Ergebnis gibt es innerhalb von rund 15 Minuten. Daniel Jost und Luisa Sander haben das Angebot angenommen. Sie arbeiten beim Lebensmittellogistiker Dachser, der auch die Haltestelle zur Verfügung gestellt hat. Die Tests seien eine gute Absicherung für sich selbst, aber auch für die Kollegen. Dass die beiden Mitarbeiter des Busses geschult seien, erleichtere das Einführen des Stäbchens.
Eine Premiere waren die Tests für sie nicht. Das Unternehmen habe längst umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um Infektionen zu vermeiden oder früh zu erkennen, erzählt Dachser-Prokurist Christof Sommer im Gespräch mit der WAZ-Redaktion. Dachser habe früh in der Pandemie eine Kooperation mit einer Herner HNO-Praxis begonnen. Seit vier Wochen würden Spucktests eingesetzt, die sogar bei einem Wechsel der Etagen Pflicht sind. Auch Besucher oder Rückkehrer aus dem Homeoffice würden so getestet. Mit den umfangreichen Maßnahmen (dazu gehören auch Maskenpflicht, Trennscheiben oder Luftreiniger) sei Dachser gut durch die Pandemie gekommen. Bei rund 350 Mitarbeitern im Drei-Schicht-Betrieb am Herner Standort habe es nur eine Handvoll Fälle gegeben.
WHE testet Mitarbeiter bis zu dreimal in der Woche
In Zukunft werde man den Mitarbeitern mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest anbieten, sagt Sommer mit Blick auf die politischen Beschlüsse. „Alles, was hilft, die Pandemie in den Griff zu bekommen, werden wir unterstützen.“
Bei der WHE teste man bis zu dreimal in der Woche, so Geschäftsführer Mirko Strauss auf Anfrage der WAZ. Rund 95 Prozent der Belegschaft arbeite im Schichtdienst, die große Vorsicht ergebe sich aus der Systemrelevanz. Gerade über das Container Terminal würden unzählige Waren umgeschlagen - im vergangenen Jahr reichlich Toilettenpapier -, nicht auszudenken, wenn das Terminal wegen eines Ausbruchs still stehen würde. Die Mitarbeiter würden die Tests vor Dienstbeginn zu Hause durchführen und ein Foto mit dem Ergebnis per Kurznachrichten-App ans Unternehmen schicken.
So geht auch das Chemie-Unternehmen Evonik an seinem Standort in Eickel vor: Die Mitarbeiter testen sich selbst zu Hause und schicken dann das Ergebnis. Da die Produktion an sieben Tagen 24 Stunden laufe, gelte allerhöchste Vorsicht, so Sprecherin Alexandra Boy. Bei den entsprechenden Voraussetzungen sei man bei Evonik auch bereit zu impfen.
Arbeitgeberverbände üben scharfe Kritik an der Testpflicht
Ähnlich sieht es beim Herner Industriedienstleister Ifürel aus, der bundesweit Neuanlagen für Kunden aus der petrochemischen, Gas- und Healthcare-Industrie plant, baut und wartet. Bei manchen Kunden würden seine Mitarbeiter ohne Schnelltests gar nicht aufs Gelände kommen, so Ifürel-Chef Henrich Kleyboldt. Komme die Pflicht, werde das Unternehmen vorbereitet sein, Kleyboldt rechnet allerdings mit Kosten im fünfstelligen Bereich pro Monat. Dass die Unternehmen die Kosten tragen sollen, kann er nicht nachvollziehen.
Scharfe Kritik an der Testpflicht für Unternehmen kommt von den Arbeitgeberverbänden Ruhr/Westfalen, zu denen auch Herner Unternehmen gehören. Hauptgeschäftsführer Dirk W. Erlhöfer hegt den Verdacht, dass die Versäumnisse der Politik in den zurückliegenden Monaten nun auf die Wirtschaft abgewälzt werden sollen. Die Wirtschaft habe früh – auch im Interesse der eigenen Belegschaften - umfangreiche Hygienekonzepte umgesetzt.
>> TESTBUS DER IHK KOMMT NOCH ZWEIMAL NACH HERNE
■ Der Testbus der IHK kommt in den kommenden Wochen noch zweimal nach Herne: Mittwoch, 21. April, Anton Graf GmbH, Edmund-Weber-Straße 146-156; Mittwoch, 28. April, Gewerbegebiet Friedrich der Große, Dachser SE, Friedrich der Große 5.
■ Um einen Schnelltest im Bus zu machen, wird ein Ticket benötigt. Dieses ziehen Besucher unter www.coronatest-eu.com/ihk-mittleres-ruhrgebiet. Das Ticket ermöglicht es für die Dauer von 72 Stunden, einen Schnelltest im Bus durchführen zu lassen. Die Durchführung des Tests nimmt nur wenige Minuten in Anspruch. Das Ergebnis wird den Besuchern innerhalb einer halben Stunde per Mail mitgeteilt.