Herne. Die Erweiterung der Herner Deponie wird ein Fall fürs Gericht: Anwohner klagen gegen den Ausbau. Ihr Anwalt kündigt noch weitere Schritte an.
Anwohner der Zentraldeponie Emscherbruch haben beim Oberverwaltungsgericht Klage gegen die Genehmigung der Deponie-Erweiterung durch die Bezirksregierung Münster eingereicht. Das teilt deren Anwaltskanzlei Kuhlmann auf ihrer Homepage mit. Die Herner Bürgerinitiative Uns stinkt’s (BI) will das Verfahren eng begleiten. Die Kanzlei kündigt zudem an, dass betroffene Bürger auch zivilrechtliche Ansprüche gegen die Deponiebetreiberin AGR erheben würden.
„Wir sind … nach erster Einschätzung zuversichtlich, dass die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss Aussicht auf Erfolg hat“, heißt es in der Erklärung der Dattelner Anwaltskanzlei von Daniel Kuhlmann. Nach vorliegenden Informationen existiere unter dem Altbereich der Deponie keine Basisabdichtung, die allerdings seit dem Jahr 2009 zwingend erforderlich gewesen wäre.
Herner BI-Sprecher beklagte 2019 fehlende Abdichtung
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Auf diesen Punkt hatten die BI und ihr kürzlich verstorbener Sprecher Heinz-Peter Jäkel bereits vor zwei Jahren hingewiesen und auch einenentsprechenden Einwand beim Genehmigungsverfahren geltend gemacht. Laut Gesetzeslage hätte die Deponie spätestens 2009 mit der Verabschiedung der EU-Verordnung zum europäischen Fristenauslauf schließen müssen, so die Initiative. Die Bezirksregierung hatte dies im Genehmigungsverfahren unter Verweis auf eine Verordnung von 2002 zurückgewiesen.
Dass dieser Bereich nun nicht geschlossen, sondern weiter aufgeschüttet werden solle, „erscheint uns sehr zweifelhaft“, so die Kanzlei Kuhlmann. Darüber hinaus sei im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wohl kein Quecksilberaustrag gemessen worden.
Kanzlei kündigt zivilrechtliche Klagen an
Doch damit nicht genug. Die Kanzlei baut hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprüchen eine große Drohkulisse auf: „Selbst wenn der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig sein sollte, können unzumutbare Belastungen und Belästigungen der Anwohner mit dem Betrieb der erweiterten Zentraldeponie einhergehen, sodass sich der Betreiber auf eine Klagewelle ungeahnten Ausmaßes einstellen können wird.“ Nachdem die Übernahme des Mandats bekannt geworden sei, so die Kanzlei, hätten sie binnen eines Tages 100 Anfragen potenzieller Mitstreiter erhalten.
„Es ist damit zu rechnen, dass die Immobilien, nicht nur der direkt angrenzenden Anwohner, sondern zahlreicher Anwohner im Umfeld der Deponie, massiv an Wert verlieren werden“, heißt es weiter. Und: Welche konkreten gesundheitlichen Auswirkungen zu befürchten seien, werde von Umweltmedizinern noch zu ermitteln sein. Geplant sei, „in alle Windrichtungen großräumig um die Deponie“, Messstationen zu errichten.
Herner Bürgerinitiative arbeitet mit Anwälten und Klägern zusammen
Die Bottroper Anwaltskanzlei versäumt es nicht, in ihrer Mitteilung auf die „bisherigen Erfolge in von uns geführten Großverfahren zum Beispiel gegen die RAG Aktiengesellschaft und die Kokerei Bottrop“ hinzuweisen. Hintergrund: Von Kuhlmann vertretene Bergleute hatten erfolgreich vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Kündigung durch die RAG geklagt. Und in Bottrop geht die Kanzlei für Anwohner der Kokerei Prosper gegen Schadstoffbelastungen vor.
Henning F. Mettge, Sprecher der Herner BI, bestätigt am Donnerstag auf Anfrage der WAZ die Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei. Die Initiative sei selbst nicht befugt, rechtliche Schritte einzuleiten. Sie wollten nun eng mit Kuhlmann und den klagenden Anwohnern kooperieren. Zu weiteren Fragen - zum Beispiel über die gewünschte finanzielle Unterstützung durch Parteien - wolle sich die BI erst in Kürze äußern. Das sei mit der Kanzlei so vereinbart worden, heißt es.
Hintergrund: Die BI hatte vor zwei Wochen Herner und Gelsenkirchen Politiker öffentlich zu Spenden für eine Klage aufgefordert und angekündigt, die Namen der Unterstützer bzw. ihrer Parteien zum Ende der vergangenen Woche zu veröffentlichen. Das ist aber nicht geschehen.
>> NEUE DEPONIEN: Politik will Druck auf das Land erhöhen
Die Herner Politik fordert Landesregierung, Landesumwelt- und Regionalverband Ruhr (RVR) zu stärkeren Bemühungen bei der Suche nach einem alternativen Standort für die Zentraldeponie Emscherbruch auf. Einen entsprechenden Beschluss soll der Rat am 30. November fassen, so das einstimmige Votum des Umweltausschusses am Mittwoch.
Vertreter der Deponie-Betreiberin AGR - eine RVR-Tochter - erklärten in der Sitzung, dass die Zentraldeponie 2030/31 ihre Kapazitätsgrenze erreicht habe und definitiv geschlossen werde. Auf Nachfrage von Gerd Kalus (Grüne) räumte die AGR ein, dass die Laufzeit der Deponie an die Kapazität und nicht an ein Datum gebunden sei. Angesichts der derzeitigen Abfallmengen sei aber sogar von einer früheren Schließung als 2030/31 auszugehen, so das Unternehmen.