herne/Gelsenkirchen. . 22 Einwände gegen den Ausbau der Zentraldeponie haben Bürger bereits verfasst. Weitere sollen folgen. Wie es nun weitergeht in dem Verfahren.
Im Verfahren zur Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch an der Stadtgrenze Herne/Gelsenkirchen geht es nun Schlag auf Schlag. Eine Bestandsaufnahme.
Die Bürger
Der Widerstand nimmt zu: Der jüngsten Einladung der Bürgerinitiative Uns stinkt’s (BI) zur Informationsveranstaltung in den evangelischen Gemeindesaal an der Unser-Fritz-Straße folgten mehr als 200 Bürger - darunter auch viele Gelsenkirchener, so BI-Sprecher Heinz-Peter Jäkel zur WAZ. Eine weitere Informationsveranstaltung sei bereits in Vorbereitung.
Die Einwände
22 formale Einwendungen gegen die Erweiterung hat die Initiative bereits verfasst. 286 Bürger hätten sich durch ihre Unterschrift hinter diese Einwände gestellt, berichtet Jäkel. Die Bezirksregierung Münster als zuständige Aufsichtsbehörde muss jede einzelne Eingabe prüfen und rechtlich bewerten. In den Einwendungen führen die Verfasser an, dass eine Erweiterung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen und Belastungen führen würden. Dabei geht es unter anderem um Lärm, Emissionen, Brandgefahren, Transporte durch Wohngebiete, eine fehlende Abdichtung unter der Deponie, Schadstoffbelastungen und den Schutz von Tieren. Weitere Einwendungen würden zurzeit noch erarbeitet, so Heinz-Peter Jäkel. Die Frist endet am 19. März. Ein öffentlicher Erörterungstermin zu der Erweiterungen und den Einwendungen soll voraussichtlich im Mai stattfinden, so ist zu hören.
Die Politik
Die Politik in Gelsenkirchen und Herne ist sich offenbar einig: Die vom Deponiebetreiber Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhr (AGR) beantragte Erweiterung unter anderem auch um gefährliche Stoffe der sogenannten Deponieklasse III wird einhellig abgelehnt. Das ist aber „nur“ ein Signal: „Leider hat die Politik hier keine Einflussmöglichkeiten“, sagt Manfred Leichtweis (SPD), Vorsitzender des Gelsenkirchener Umweltausschusses. Federführend und Herr des Verfahrens ist die Bezirksregierung Münster, die nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens die Entscheidung treffen wird. Sowohl in Gelsenkirchen als auch in Herne finden in Kürze (Sonder-)Sitzungen zur Deponieerweiterung statt (siehe Kasten).
Die Stadtverwaltungen
Die Verwaltungen in Gelsenkirchen und Herne können und werden in dem Verfahren eine Stellungnahme zum AGR-Antrag abgeben. Die Stadt Herne erarbeitet diese zurzeit und wird sie Anfang März in der gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses und der Bezirksvertretung Wanne vorstellen (siehe Kasten). Manfred Leichtweis geht davon aus, dass die Stadt Gelsenkirchen in der Sondersitzung des dortigen Umweltausschusses und der Bezirksvertretung am kommenden Mittwoch zumindest mündlich über ihre Einschätzung zur Erweiterung informieren wird.
Der Regionalplan Ruhr
Die Initiative schlägt nicht nur in Sachen Erweiterung Alarm. Der derzeit diskutierte Regionalplan Ruhr sehe unter anderem die zeitlich unbefristete Nutzung von eingetragenen Deponiestandorten vor, so BI-Sprecher Jäkel. Darauf hat die Initiative auch Oberbürgermeister Frank Dudda in einer Einwohneranfrage für den Rat hingewiesen. Eine Festschreibung würde die Ungleichheit der Lebensbedingungen für jene Bürger verfestigen, die bisher schon mit der Deponie leben müssten, so Jäkel. Die Initiative nimmt Dudda auch persönlich in die Pflicht - ist dieser doch Vize des Ruhr-Parlaments des Regionalverbands Ruhr (RVR) und Mitglied im Aufsichtsrat der RVR-Tochter AGR.
>> INFO: Sitzungen in Gelsenkirchen und Herne
Die Sondersitzung des Gelsenkirchener Umweltausschusses und der Bezirksvertretung Ost beginnt am Mittwoch, 20. Februar, um 15.30 Uhr in der Aula der Gerhart-Hauptmann-Realschule (Mühlbachstraße 3).
Die gemeinsame Sitzung des Herner Umweltausschusses und der Bezirksvertretung Wanne findet am Mittwoch, 6. März, statt (16 Uhr; Rathaus Wanne, Rathausstraße 6).
Bürgerinitiative stützt sich auf drei Kernargumente
Die Bürgerinitiative Uns stinkt’s (BI) stützt ihren Protest auf eine Vielzahl von Einwendungen. Eines der Kernargument der Bürger aus Gelsenkirchen und Herne ist, dass es keinen Bedarf für die Erweiterung der Deponiekapazitäten gibt. Die AGR, Betreiber der Deponie Emscherbruch, behauptet das aber stetig.
Deponiekapazitäten sind genug vorhanden
Die BI stützt sich dabei auf Aussagen des NRW-Umweltministeriums und des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Demnach belaufen sich die Kapazitäten in NRW auf „insgesamt rund 20 Millionen Kubikmeter (m3)“. Bei einem jährlichen Eintrag von 1,2 Millionen Kubikmetern, ergibt sich „eine voraussichtliche Restlaufzeit von etwa 15 Jahren“, und damit „ist das vorhandene Restvolumen bis zum Jahr 2033 ausreichend.“
Für BI-Sprecher Heinz-Peter Jäkel ist es von daher „völliger Unsinn“ und „reine Geldmacherei“ zu Lasten der Bürger und Anwohner, die Deponie weiterzubetreiben.
Gefahr durch Schadstoffe wie Quecksilber
Ins Feld gegen die Deponie führt die BI auch die Quecksilberproblematik an. Seit Beginn der Müllablagerung 1968/1969 bis 1980 wurde laut BI dort Haus-, Industrie- und Sondermüll auf einer Fläche deponiert, die bis heute über keine Basisabdichtung für den Müll bis 1989 verfügt. Jäkel: „Dadurch wurde das Grundwasser bereits erheblich verseucht.“ Deponien, die technisch nicht angepasst werden konnten, so der BI-Sprecher, „waren nach deutschem Recht überwiegend 2005 zu schließen, nach europäischem Recht bis 2009.“
Pikant dabei: Der mit der Erweiterung beantragte Abfallschlüsselkatalog listet zwar quecksilberhaltige Bau- und Abbruchabfälle bzw. quecksilberhaltigen Abfall aus der Gasreinigung auf – in der Umweltverträglichkeitsprüfung wird aber auf die zu untersuchenden Parameter Quecksilber, Zinn und Thallium offiziell verzichtet, weil angeblich keine „relevanten Emissionen dieser Stoffe vorliegen“.
Vorwurf: Verkehrszahlen wurden dreist halbiert
Drittes Hauptargument ist die Verkehrsbelastung, insbesondere durch den Schwerlastverkehr rund um die Deponie. Die AGR spricht von „200 Lkw“, die die Deponie werktags ansteuern, ein Verkehrsgutachten, das für die Erweiterung offiziell als Grundlage dient, listet aber ganz andere Zahlen auf. Dort ist je nach betrachtetem Straßenabschnitt von mehr als 1000 Sondernutzfahrzeugen – und dazu gehören Lkw – die Rede. Ansonsten bewegen sich die Zahlen zwischen rund 350 und 500 Lkw. Der Durchschnittswert der Zählung der Bürgerinitiative liegt bei 342 – immer noch eine riesige Abweichung.
Besonders kurios: Laut Gutachten fahren durch die Resser Straße und die Sternstraße – beides verkehrsberuhigte Tempo 30-Zonen – mehr schwere Nutzfahrzeuge als auf der Wiedehopfstraße – der Zufahrtsstraße zur Zentraldeponie Emscherbruch. Was die Bürgerinitiative zu dem Schluss kommen lässt, „dass die im Gutachten genannten Zahlen der Sondernutzfahrzeuge gegenüber den offiziellen Zahlen mehr als halbiert wurden“.