Herne. Die Pandemie hat den Ausbildungsmarkt in Mitleidenschaft gezogen. Drei Herner Betriebe berichten, wie sie mit den Umständen umgegangen sind.
Die Corona-Pandemie hat auch den Ausbildungsmarkt in Mitleidenschaft gezogen. Anfang Mai hatte die Agentur für Arbeit berichtet, dass sich deutlich weniger Jugendliche bei der Agentur gemeldet haben - wahrscheinlich weil sie angesichts von Distanzunterricht nicht den Kopf frei hätten für die Frage der Lehrstelle. Aber auch Unternehmen meldeten weniger freie Lehrstellen - wer mit seiner Firma ums Überleben kämpft, hat wenig Zeit für die Nachwuchsgewinnung. Die WAZ hat mit drei Unternehmen gesprochen.
Der erste Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres sei wie „ein Schlag mit dem Vorschlaghammer“ gewesen, berichtet Ute Köhn im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Es sei schlimm gewesen, das Geschäft abzuschließen, ohne zu wissen, wann sie wieder öffnen könnte, so die Inhaberin des Friseursalons „Wuschelkopf“ an der Jahnstraße in Herne-Süd. Doch Existenzängste wie Kollegen - im Internet kursierte ein dramatisches Video einer verzweifelten Friseurin - habe sie nie gehabt. Sie sei durch die Krise „gut durchgekommen“, sagt Köhn. Ihre vier Angestellten seien in Kurzarbeit Null gewesen, doch sie habe sie zu 100 Prozent entlohnt. Eigene Reserven und staatliche Hilfen hätten geholfen.
Ute Köhn: Es ist wichtig, Perspektiven zu bieten, auch wenn es Geld kostet
Köhns Sorge galt allerdings der Auszubildenden, die beim ersten Lockdown kurz vor der Gesellenprüfung gestanden habe. „Ich musste schauen, wie ich sie vorbereiten konnte.“ Sie konnte – auch deshalb, weil die Prüfung nach hinten verschoben und Teile herausgenommen worden seien. Die praktischen Arbeiten habe die Auszubildende nachgeholt.
Der Gedanke, angesichts von Corona den Ausbildungsplatz nicht zu besetzen, habe sie nie gehabt. „Wir brauchen Fachkräfte. Es ist wichtig, Perspektiven zu bieten, auch wenn es Geld kostet.“ Da spricht auch die Lehrlingswartin der Friseur-Innung aus Köhne. Ein Problem sei allerdings, Auszubildende zu finden, die lernen möchten.
Nolia Hackmann möchte lernen. Sie kam zum Wuschelkopf-Team, weil sie zwar eine Ausbildung begonnen hatte, jedoch einen neuen Betrieb gesuchte hatte. Das Problem zu Beginn: Kurz nach dem Wechsel trat der zweite Lockdown in Kraft. Dennoch fanden Meisterin und Azubi eine Lösung: Sie kommunizierten per Whatsapp, Nolia nahm den Übungskopf mit nach Hause, um praktisch zu üben. Ohne Lockdown könne sie weiter in der Ausbildung sein, erzählt sie. Doch da nach der Wieder-Öffnung auf Grund der Testpflicht weniger Kunden gekommen seien, habe Ute Köhn mehr Zeit für sie gehabt.
Das Online-Gespräch hilft beim ersten Kennenlernen
Da die Rekrutierung von Auszubildenden mit Messen und Speed-Dating in Coronazeiten ausfällt, haben Stadt Herne und Agentur für Arbeit das Speed-Dating in den virtuellen Raum verlagert. Marcel Schwieten vom der Debeka-Versicherung hat dieses Instrument genutzt. Und zieht eine positive Bilanz. Das Unternehmen suche jedes Jahr Auszubildende. Das Online-Speed-Dating sei anders gewesen bei der Kontaktaufnahme, allerdings nicht unbedingt schlechter.
Natürlich sei ihm der persönliche Kontakt lieber, doch das Onlinegespräch böte immerhin die erste Gelegenheit für ein Kennenlernen. Ein Vorteil sei, dass man sich ohne Maske gegenübersitze, allerdings leide das Spontane, weil die Unterhaltung je nach Internetleitung etwas zeitversetzt geschehe. Doch beim Online-Gespräch könnten sich beide Seiten schon mal kennenlernen. Weiterer Unterschied: Die Debeka habe auch an den „echten“ Azubi-Speed-Datings teilgenommen. Dort seien viele junge Menschen vorbeigekommen, die aber nicht wirklich interessiert gewesen seien. Jetzt hätten sich Bewerber gemeldet, die sich gezielt vorbereitet hätten. Das Ergebnis der Onlineversion. Das erste persönliche Treffen sei schon vereinbart worden.
Bei Henning bleibt die persönliche Begegnung das A und O
„Wir haben Glück gehabt.“ So fasst David Czyszczon, Verkaufsleiter bei Mercedes Henning an der Dorstener Straße die Coronazeit - auch mit Blick auf die Auszubildenden - zusammen. Da die Nachfrage im Gebrauchtwagensegment gestiegen sei, habe Henning im vergangenen Jahr sechs Auszubildende im Vertrieb und sechs im Werkstattbereich eingestellt. Und die Ausbildung habe nicht unter der Pandemie gelitten. Bei der Auswahl bleibe nach wie vor die persönliche Begegnung das A und O, gerade, wenn es um handwerkliche Fähigkeiten gehe.
>> INFORMATIONEN FÜR BEWERBER UND BETRIEBE
■ Für Jugendliche stehen Berufsberater der Arbeitsagentur unter 0800 4 5555 00 zur Verfügung. Kontakt per Mail: Herne.Berufsberatung@arbeitsagentur.de.
■ Betriebe können eine kurzfristige Bewerbersuche unter 0800 4 5555 20 oder über ihre/n persönliche/n Betreuer/in im Arbeitgeber-Service durchgeben oder per Mail unter Herne.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de
■ IHK: Interessierte finden das Matching-Angebot unter https://bit.ly/3gSGxQT oder auf netzn.de, Stichwort „Matching“.