Herne. Psychische Erkrankungen haben seit der Corona-Pandemie weiter zugenommen. Der Verein Nachbarn e.V. in Herne hilft und weitet sein Programm aus.

Die Gründe für psychische Erkrankungen sind sehr unterschiedlich, doch die damit verbundene Isolation, das „sich Zurückziehen“, sich nicht verstanden fühlen, eint die meisten Betroffenen. Ihnen und auch den Angehörigen möchte der Herner Verein Nachbarn e.V. helfen. Mit neuen Programmen wird das Angebot in Sodingen und Wanne nun weiter ausgebaut.

Gerade die Corona-Pandemie habe die Ängste und Rückzugstendenzen einiger Menschen noch verstärkt, sagt Dorothea Schulte, Vorsitzende des Vereins. „Die Zahl der psychischen Erkrankungen hat während der Pandemie zugenommen.“ Außerdem hätten sich die Erkrankungen verstärkt. Während der Pandemie habe der Verein durchgehend weiter Essen ausgefahren für Menschen, die Angst hatten, vor die Tür zu gehen, und mache das zum Teil noch heute. Denn noch immer gebe es Menschen, die das Haus aus Angst nicht verließen. Der Ukraine-Krieg schüre zudem bei einigen große Ängste. Für viele Betroffene seien besonders Gruppenangebote wichtig, um aus der Isolation zu kommen und zu sehen, dass sie nicht alleine seien und auch andere ähnliche Probleme hätten, so Schulte.

Gruppenangebote für Betroffene

Das neue Projekt „Was ist eigentlich normal?“ ist auf fünf Jahre angelegt und wird über die Aktion Mensch gefördert. Ab März starten unterschiedliche Programme für Menschen ab 18 Jahren: zwei Frauen- und eine Männergruppe. „Das sind Gesprächsgruppen, wo Frauen bzw. Männer zusammenkommen, Geselligkeit erleben, von sozialer Isolation entfernt werden, es werden auch Ausflüge gemacht“, sagt Annika Albus, eine von drei Teammitarbeitenden in Herne. Eine Frauengruppe in Wanne gibt es bereits seit etwa zwei Jahren, eine weitere in Sodingen wird am 14. März starten. Die Männergruppe wird neu in Wanne gegründet. Für beide neuen Gruppen sind noch Plätze frei.

Nach der Pandemie habe sich der Beratungsbedarf erhöht, beobachtet Dorothea Schulte, Vorsitzende des Vereins „Nachbarn e.V.“ in Herne.
Nach der Pandemie habe sich der Beratungsbedarf erhöht, beobachtet Dorothea Schulte, Vorsitzende des Vereins „Nachbarn e.V.“ in Herne. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Zudem gibt es ein neues Sportangebot, bei dem eine zertifizierte Yogalehrerin versucht, Körper, Geist und Seele der Teilnehmenden in Einklang zu bringen. Die Gruppe trifft sich immer donnerstags von 15 bis 16.30 Uhr in der Gerichtsstraße 15 in Wanne. Eine weitere Yoga-Gruppe soll gegründet werden. Sowohl die Gesprächsgruppen als auch das Yoga-Angebot sind kostenlos.

In der Ernährungsgruppe des Vereins wird jede zweite Woche gemeinsam etwas gekocht. Immer mittwochs von 14 bis 16.30 Uhr soll eine gesundheitsfördernde Ernährung gelernt sowie die Freude am gemeinsamen Zubereiten der Gerichte erlebt werden. Hierbei können unter Umständen geringe Kosten für die Lebensmittelbeschaffung anfallen.

Gruppenangebote für Angehörige

Neben den Betroffenen sei der Austausch besonders auch für Angehörige wichtig, die sonst häufig keine Anlaufstelle haben, sagt Dorothea Schulte. „Angehörige stehen unter einem enormen psychischen Druck, denn man setzt das Familienmitglied nicht einfach vor die Tür.“ Gleichzeitig sei eine solche Erkrankung für die Familie aber eine enorme Belastung. Der Austausch findet an jedem ersten Donnerstag im Monat von 16.30 und 18.30 Uhr in Sodingen statt. Das erste Treffen ist der 7. April. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Kulturangebote

Einmal im Monat bietet der Verein nun Ausflüge an. Im März soll es zum Bergbau-Museum nach Bochum gehen, im April zum Gasometer Oberhausen und im Mai wird in Herne Minigolf gespielt. Sowohl Betroffene als auch Angehörige dürfen daran teilnehmen. Sie sollen rauskommen aus der Isolation und gemeinsam einen entspannten Tag erleben.

Hauswirtschaftliche Hilfen

Bereits seit 2008 bietet der Verein unterschiedliche Arbeitsmarktprojekte an, in denen Teilnehmenden individuelle Lösungen und Perspektiven erarbeitet werden, um sie langfristig in den 1. Arbeitsmarkt einzugliedern. Neu ist der Bereich der hauswirtschaftlichen Hilfen. Dabei kommen Mitarbeitende, die an Maßnahmen des Vereins teilgenommen haben, zur Unterstützung älterer Menschen für jeweils eine Stunde in die Woche zu ihnen nach Hause. Egal ob Einkauf, Wäsche oder einfach die Zeitung oder ein Buch vorlesen, die Hilfskräfte unterstützen im Haushalt und bei Pflegestufe I kann das über die Pflegeversicherung finanziert werden. „Wir sind bei den Krankenkassen als Verein für diese Arbeiten anerkannt“, betont Schulte.

Der Verein wiederum versucht auf diese Weise, die Mitarbeiter auf das normale Arbeitsleben vorzubereiten. Zunächst machten sie nur einen Besuch am Tag, damit sie nicht überlastet würden, erklärt Schulte. Eine spezielle Ausbildung bräuchten die Mitarbeiter nicht, sie erhielten aber eine entsprechende Schulung. Wer eine hauswirtschaftliche Hilfe sucht, kann sich an den Verein wenden.

Soziotherapie

Seit Ende 2021 hat der Verein die Soziotherapie mit in ihr Angebot aufgenommen. Dabei gehe es beispielsweise darum, Krankenhausaufenthalte oder auch Krisensituationen zu verkürzen oder zu verhindern, sagt Sozialarbeiterin Nicole Seidel. Psychisch schwer erkrankten Menschen könne auch dabei geholfen werden, eine Alltagsstruktur zu erarbeiten. Ein behandelnder Arzt muss dafür eine entsprechende Verordnung ausstellen. Die Treffen mit den Hilfesuchenden finden in der Regel bei ihnen zu Hause statt.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Kontakt zum Verein

  • Der Nachbarn e.V. wurde 1985 gegründet und ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Er bietet unter anderem Begegnungs-, Kontakt- und Beratungsstellen, eine Tagesstätte für Menschen mit psychischer Behinderung und ambulant betreutes Wohnen sowie Arbeitsmarktprojekte.
  • Anlaufstellen sind in Sodingen, Am Amtshaus 6, sowie in Wanne an der Plutostraße 4. Eine telefonische Beratung ist möglich unter: 02325 63 58 26 von Montag bis Freitag von 8 bis 14 Uhr. Weitere Informationen im Internet unter www.nachbarn-herne.de