Herne. Die Pandemie-Folgen sorgen bei Herner Trägern von Ein-Euro-Jobs für Einbrüche. Forderung: Der Staat soll eingreifen, um Strukturen zu sichern.
Die Corona-Krise bedroht nicht nur die Existenz von Unternehmen und Selbstständigen: Herner Träger von sogenannten Ein-Euro-Jobs befürchten, dass durch die Folgen der Pandemie Strukturen zerschlagen werden könnten. Aus der Politik wird der Ruf nach staatlichen Hilfen zur Überbrückung der aktuellen Einbußen laut.
Die Zahlen
Nach Angaben des Herner Jobcenters waren Ende April offiziell 262 Langzeitarbeitslose bei Herner Trägern in Ein-Euro-Jobs (offizieller Begriff: Arbeitsgelegenheiten - AGH) beschäftigt. Die Zahl der Stellen hat sich bereits deutlich verringert: Bis Ende April sollten eigentlich 350 und bis Jahresende 936 Menschen in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt gewesen sein, so das Jobcenter. Diese Zahl sei nun nicht mehr zu erreichen.
1,50 Euro pro Stunde
Die sogenannten Ein-Euro-Jobber erhalten in Herne zusätzlich zu ihrer Grundsicherung 1,50 Euro pro Stunde (früher: 1 Euro).
Die Teilnehmer sind bei gemeinnützigen Trägern beschäftigt und arbeiten unter anderem bei der Tafel, in Schulen, im Sozialkaufhaus, bei der Ausgabe warmer Mittagessen oder der Reinigung öffentlichen Grüns.
Einige andere Jobcenter haben diesen Zuschlag jedoch bereits erhöht. So gibt es beispielsweise in Bochum für Teilnehmer dieser AGH-Maßnahmen seit dem 1. März 2 Euro pro Stunde zusätzlich. Beschlossen worden ist dies von der Trägerversammlung (Stadt und Arbeitsagentur) des dortigen Jobcenters.
Das Chaos
Nach Ausbruch der Pandemie Mitte März herrschte zunächst „Chaos“, berichten Dorothea Schulte vom Träger Nachbarn e.V. und Vertreter anderer Träger auf Anfrage. Tenor: Die verantwortliche Bundesagentur für Arbeit habe keine klare Linie verfolgt; es habe „ein Hin und Her“ gegeben. Es seien immer wieder laufende Maßnahmen unterbrochen und dann wenig später wieder fortgeführt worden. Ausscheidende Teilnehmer seien nicht schnell ersetzt worden, da das Jobcenter seine Arbeit reduziert habe. So habe es beispielsweise keine persönlichen Beratungsgespräche mehr gegeben. Die Folge: Kurzarbeit und auch Kündigungen.
Die Abweichler
Einige wenige Jobcenter wie zum Beispiel Gelsenkirchen legten die Vorgaben der Bundesagentur allerdings anders aus als Herne: In der Nachbarstadt gab es keine Unterbrechung der Arbeitsgelegenheiten. Nur Ein-Euro-Jobber, die zur Corona-Risikogruppe zählten, brachen die Maßnahme ab. Das waren nach Angaben der Gelsenkirchener Behörde aber nur 3 Prozent der rund 650 Teilnehmer. Durch die jüngste Weisung der Bundesagentur vom 23. April ist dieser Kurs letztlich bestätigt worden.
Die Weisung
Inhalt dieser Weisung der Bundesagentur: Alle Maßnahmen dürften fortgesetzt werden, wenn die Träger in der Lage seien, die geltenden Corona-Arbeitsschutzstandards einzuhalten. Und bekräftigt wurde noch einmal: Die AGH-Maßnahmen sind für alle Teilnehmer freiwillig; eine Ablehnung aus Angst vor einer Corona-Infektion führt nicht zu Sanktionen durch die Behörden.
Die Träger
Licht am Ende des Tunnels sehen Träger zurzeit trotzdem nicht. Insbesondere bei der Finanzierung der festen oder befristet eingestellten Mitarbeiter (Anleiter) für die Arbeitsgelegenheiten tun sich Löcher auf. Neben der „klassischen“ Kurzarbeit steht hier mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) ein neues Instrument zur Verfügung, das aber nach Aussage von Trägern viele Fragen aufwirft. „Wir sind hier zurzeit in der Klärung“, sagt Ansgar Montag von der Herner Caritas, die vor der Corona-Krise bis zu 60 Ein-Euro-Jobber beschäftigte. Ein abschließendes Urteil über die SodEG-Hilfen sei nicht möglich. Auch Frank Köhler von der Herner Gesellschaft Freie Sozialarbeit (GfS) weiß derzeit noch nicht, wie es weitergeht. Stand jetzt schließt der Geschäftsführer dieses großen Trägers mit rund 60 Arbeitsgelegenheiten nicht aus, dass durch die Corona-Krise in Herne und anderswo Strukturen zerschlagen werden könnten.
Die Politik
Diese Befürchtung haben auch die Herner Grünen. „Träger bluten aus“, sagt Rolf Ahrens, Geschäftsführer der Ratsfraktion. Insbesondere kleineren Träger drohe das Aus. „Gerade eine Stadt wie Herne, die nach wie vor unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet, muss ein Interesse daran haben, die vielfältige Trägerlandschaft zu erhalten“, so Ahrens. Die Grünen schlagen daher vor, dass für eine begrenzte Zeit – zum Beispiel bis zum Herbst – die Finanzierung der Arbeitsmarktmaßnahmen unabhängig von der Teilnehmerzahl weiter gesichert werde.
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