Herne. Vor 20 Jahren wurde die Stadtmarketing Herne GmbH gegründet. Die WAZ hat mit Geschäftsführer Holger Wennrich über die Entwicklung gesprochen.
Vor 20 Jahren, am 15. Januar 2002, wurde die Stadtmarketing Herne GmbH gegründet. Holger Wennrich hat die Stadttochter fast vom ersten Tag an geführt. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutert er, wie es zur Gründung kam und wie man mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Veranstaltungen und Aufmerksamkeit erreicht.
Herr Wennrich, was war vor 20 Jahren der Impuls, eine Stadtmarketing-Gesellschaft zu gründen und wie wurde das Marketing davor geleistet?
Um 2000 wurden im Ruhrgebiet in vielen Städten Stadtmarketing-Gesellschaften gegründet, so auch in Herne. Der Impuls ging seinerzeit von der IHK aus. Die Gesellschaften sollten als Public-Private-Partnerships entstehen. Das heißt: Neben der jeweiligen Stadt sollten private Unternehmer Gesellschafter werden. Das ist auch heute noch so. Seit 2002 haben rund 50 Unternehmen Anteile an der SMH gehalten. Ein tolles Engagement!
Aber wie wurde in der Zeit davor Stadtmarketing gemacht?
Manche Aufgaben waren in der Verwaltung verteilt, zum Beispiel im Presseamt der Stadt oder im Kulturbereich. Der überwiegende Teil an Themen ist neu entwickelt worden. Stadtmarketing ist bis heute in gewisser Weise ein Gemischtwarenladen, an dem ganz verschiedene Themen angedockt worden sind. Im Gesellschaftsvertrag sind unsere Aufgaben festgeschrieben. Unter anderem sind das Stadtwerbung, Veranstaltungsmanagement, Tourismus und das große weite Feld des Netzwerkens. Zum Beispiel im Handel spielen wir diese Rolle.
Und mit der Gründung konnten Sie dann richtig durchstarten?
Nein! Freies Budget hatte die SMH noch nie zur Verfügung. Stadt und Gesellschafter finanzieren die Fixkosten der Gesellschaft. Dieser Sockelbetrag hat sich seit Gründung nicht verändert. Das tatsächliche Marketingbudget müssen wir vor dem Invest erst verdienen. Grundsätzlich haben wir, gemessen an den Aufgaben, einen sehr überschaubaren finanziellen Spielraum. Und an der Stelle muss man kreativ sein.
Ein Beispiel bitte: Wie stemmt Stadtmarketing die Wanner Mondnächte?
Die Mondnächte kosten rund 40.000 Euro, da sind Bühne, Künstler, Sicherheitsdienst und mehr enthalten. Wir versuchen, diese 40.000 Euro wieder einzunehmen, durch Standmieten, Sponsoring und Werbung. Vielleicht bleiben auch mal 1300 Euro übrig.
Wie bekommt man unter diesen Bedingungen ein effektives Marketing zustande?
Mit der Liebe zum Detail. Wir sind mit unserer kleinen Mannschaft nur mit einem kleinteiligen Ansatz so weit gekommen. Wir machen aus wenig viel. Nur mal zum Vergleich: Eine Stadt wie Essen beschäftigt im Stadtmarketing nicht sieben MitarbeiterInnen wie wir, sondern etwa 70 Personen. Mit diesen sieben MitarbeiterInnen liefern wir hoffentlich ordentliche Arbeit und ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ab.
Sind diese Ergebnisse messbar?
Die positive Wahrnehmung Hernes mindestens in der Region ist gestiegen – nicht zuletzt durch die Einführung unserer neuen Stadtmarke. Dutzende Unternehmer haben uns als Gesellschafter, Werbe- und Sponsoringpartner über die Jahre unterstützt und die Hälfte des Unternehmens freiwillig finanziert. Dieser große Zeitrahmen ist vielleicht auch ein Qualitätsbeweis. Seriös prüfbar ist die Entwicklung der Zahlen rund um die Cranger Kirmes. Bei Übernahme dieses Geschäfts gab es regional und national etwa 150 Berichterstattungen zu Crange im Jahr. Aktuell sind es etwa 2500. Der Erfolg des Crange-Passes ist deutschlandweit einzigartig. Wir verkaufen etwa 28.000 Pässe in nur 48 Stunden. Die Umsätze bei der Werbung und beim Merchandising bewegen sich seit 2006 kontinuierlich nach oben. Wir lassen die Werbemaßnahmen zur Cranger Kirmes dreijährlich messen. In 2019 hatten wir rund 23 Millionen Medienkontakte. Damit fällt Herne 23 Millionen mal positiv auf.
Wie weh tut dann der zweimalige Ausfall von Crange?
Es ist hart. Uns fehlt eine sechsstellige Summe, je Ausfall! Mit diesem Geld entsteht die Werbung für die Kirmes, damit können wir aber keine anderen Projekte von Stadtmarketing quersubventionieren.
Stadtmarketing hat über die Jahre sehr viele unterschiedliche Themen angefasst. Ist das so üblich?
Klares Ja. In allen Städten, mit denen wir in Kontakt stehen, ist Stadtmarketing eine meist heterogene Ballung verschiedenster Aufgaben. Das liegt zum einen an den unterschiedlichen Qualifikationen einer Stadt, aber auch daran, dass bei Gründung der Gesellschaften, Stadtmarketing oft auch Ablageplatz für unliebsame Themen war und sich so kuriose Mischungen ergeben haben. Zudem ändern sich die Wahrnehmungen der Öffentlichkeit, der Stadt und der Politik regelmäßig.
Ist es wichtig, ständig neue Themen zu bearbeiten?
Ich glaube, es ist wichtig, tragfähige Themen zu bearbeiten, unabhängig davon, ob diese drei Monate oder Jahre aktuell bleiben. Trotzdem haben sich seit 2002 Aufgaben ergeben, die nicht mehr wegzudenken sind. Mit unserem kleinen Team sind natürlich auch die zur Verfügung stehenden Arbeitszeiten und die angesprochenen Mittel irgendwann einmal verplant und nicht ständig zu erweitern. Aber ja, es kommt immer wieder Neues hinzu, auch Dinge, die die Öffentlichkeit nicht wahrnimmt, zum Beispiel die Beratung bei bestimmten Projekten, aktuell bei dem Thema Ausbildung. Und während der Coronapandemie haben wir in kürzester Zeit verschiedene Infokampagnen für die Stadt entwickelt und organisiert. Das war ein gutes Teamspiel.
Auch wenn Sie die Ergebnisse von SMH als ordentlich bezeichnen und das Preis-Leistungs-Verhältnis als sehr gut: Gibt es nicht auch Potenzial für Verbesserungen?
Stadtmarketing ist kein Superministerium, das in allen Töpfen rühren kann und sollte es daher auch nicht versuchen. In dem Marketingschwerpunkt Kommunikation und Werbung sehen wir jedoch eine besondere Expertise. Diese könnte von der Verwaltung intensiver abgerufen werden.
Konkret bitte.
Die werbliche Kommunikation einer Stadt, unabhängig davon, welcher Fachbereich sie auslöst, sollte vom Stadtmarketing als beratender Dienstleister entwickelt werden. Damit wären wir ausgelastet, das Aufgabenspektrum klarer definiert und die Kommunikation der Stadt professionalisiert und vereinheitlicht. In einem solchen Modell arbeiteten wir wie eine Werbeagentur für die Stadt Herne. Kommunikation, Werbung und Beratung passgenau für alle kleinen und großen Themen.
>>> DIENSTÄLTESTER STADTMARKETING-CHEF IM RUHRGEBIET UND „EINGEBORENER“ HERNER
Zu Beginn habe man für die neue Stadttochter den frischen Blick von außen gewollt und eine Geschäftsführerin eingestellt. Doch die verabschiedete sich schnell wieder, danach übernahm Holger Wennrich. Zur Bedeutung, ein „eingeborener“ Herner zu sein, sagt er: „Mir scheint es hilfreich zu sein, jemanden zu beschäftigen, der die Stadt und die Akteure gut kennt. In der eigenen Stadt zu arbeiten ist eine besondere Herausforderung, Verantwortung und auch Herzensangelegenheit. Egal was man bewerben will, es hilft sein Produkt genau zu kennen. Insofern hilft es mir, seit 52 Jahren in der Stadt zu leben. Viele meiner Partner und Gesellschafter kenne ich bereits seit Jahrzehnten. Mein Netzwerk ist seit der Schulzeit gewachsen. Das erleichtert so manches.“