Herne. Die Stadtwerke Herne rüsten sich für mögliche Engpässe bei Gaslieferungen. Im Notfall drohen drastische Einschränkungen für 19 Großkunden.

Die Stadtwerke Herne bereiten sich darauf vor, dass es zu Engpässen bei Gaslieferungen kommen könnte. Wegen des Kriegs der Russen gegen die Ukraine wächst der Druck auf die Bundesregierung, ein Embargo für russisches Gas einzuführen. Denkbar ist auch, dass der russische Präsident Putin die Gaslieferungen nach Europa selber drosselt oder stoppt. Wenn es hart auf hart kommt, könnten 19 Großkunden der Stadtwerke Herne abgekoppelt werden.

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Seit vergangener Woche gilt die von Wirtschaftsminister Habeck in Kraft gesetzte Frühwarnstufe des „Notfallplans Gas“. Die Stadtwerke Herne spielen deshalb aktuell mögliche Szenarien durch. So hätten sie unter anderem 19 Unternehmen angeschrieben, um sie über die Lage zu informieren, sagt Andreas Krause, Abteilungsleiter Netzbetrieb der Stadtwerke, zur WAZ. Diese 19 Großkunden, in der Regel große Industriebetriebe, seien nach den gesetzlichen Kriterien als „nicht schützenswert“ identifiziert worden – und müssten im Fall der Fälle Maßnahmen zur Reduzierung ihres Verbrauchs ergreifen. Wenn nicht mehr genügend Gas zur Verfügung steht, können sie ganz abgekoppelt werden.

Herne: Bürgerinnen und Bürger sind besonders geschützt

„Die Versorgung der Bürger ist gesichert“: Jürgen Bock, Technischer Leiter der Stadtwerke Herne.
„Die Versorgung der Bürger ist gesichert“: Jürgen Bock, Technischer Leiter der Stadtwerke Herne. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Bürgerinnen und Bürger, sagt Jürgen Bock, Technischer Leiter der Stadtwerke Herne, seien dagegen nicht betroffen. Sie seien per Gesetz besonders geschützt. Sie bekämen ihr Gas im Falle eines Engpasses nicht abgedreht. Bock betont: „Die Versorgung der Bürger ist gesichert.“ Nicht abgedreht werde der Gashahn auch bei den schützenswerten, sprich: systemrelevanten Großkunden, darunter wichtige öffentliche Einrichtungen, aber auch Krankenhäuser, Polizei oder Feuerwehr.

Die 19 Unternehmen, die ein Lieferstopp von russischem Gas treffen könnte, seien mit dem Ausrufen der ersten Stufe des „Notfallplan Gas“ nun schriftlich von den Stadtwerken dazu aufgefordert worden zu überlegen, welche Alternativen sie zu einer Gasnutzung haben oder wie sie Gasverbräuche reduzieren können, sagt Netzbetrieb-Leiter Andreas Krause. Erst in der dritten und letzten Stufe, der Notfallstufe, drohten den Großkunden Einschränkungen bis hin zu einem Versorgungsstopp. Diese Maßnahmen würden durch die Bundesnetzagentur beziehungsweise den vorgelagerten Netzbetreiber Thyssengas vorher angekündigt: „Wir drücken nicht auf den Knopf und schalten das Gas ab“, stellt Krause klar.

Vieles liegt noch im Ungewissen

Die Zentrale der Stadtwerke Herne am Grenzweg
Die Zentrale der Stadtwerke Herne am Grenzweg © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Herne habe mit 19 Großkunden eine vergleichsweise kleine Zahl, die als nicht schützenswert gilt, sagt der Technische Leiter Jürgen Bock. Die Stadtwerke Herne hätten insgesamt 20.000 Kunden am Gasnetz angeschlossen. Und von den rund 1100 Gigawattstunden Gas, die die städtische Tochter jährlich durch ihre Gasnetze leitet, würden „deutlich unter zehn Prozent“ an die 19 Großkunden geliefert. Zum Vergleich: Im deutlich kleineren Witten gibt es mit 40 mehr als doppelt so viele Großkunden, die als „nicht schützenswert“ gelten. Im größeren Bochum sind es 65.

Vieles liegt momentan noch im Ungewissen. Etwa, ob alle Großkunden oder nur wenige oder nur einer von ihnen vom Netz müsste – und für wie lange. Das hänge etwa von der Witterung ab und davon, wie viel Gas noch in den Speichern ist. Auch gebe es keine festgelegte Reihenfolge, in der die Unternehmen kein Gas mehr erhalten sollen. Alles hänge davon ab, wie hoch die geforderte Einsparung sein soll.

Ineos: „Wir können nicht umsteigen“

Wird komplett mit Gas betrieben: das Ineos-Chemiewerk in Herne.
Wird komplett mit Gas betrieben: das Ineos-Chemiewerk in Herne. © Unbekannt | Ralph Bodemer / WAZ FotoPool

Einer der betroffenen 19 Großkunden ist das Herner Chemieunternehmen Ineos. Der Hersteller von Ethanol und Isopropylalkohol aus Herne-Mitte befeuere seine Dampfkessel für die Beheizung der Prozessanlagen komplett mit Gas, sagt Werkleiter Bernhard Hüpen zur WAZ. Wenn Ineos wegen eines Lieferstopps weniger Gas entnehmen dürfe, dann seien eine Drosselung der Produktion oder Teilabschaltungen nötig. Andere Energieträger könne das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern nicht nutzen: „Wir können nicht umsteigen.“ Ob bei einem Lieferstopp im schlimmsten Fall auch eine Stilllegung des ganzen Werks droht, darüber wird gerade diskutiert. Denn: Ineos liefert Fernwärme in Haushalte. Und diese gelten ja als besonders geschützt.