Herne. Die IHK Mittleres Ruhrgebiet hat mit einer Resolution die Corona-Strategie der Politik kritisiert. Hernes IHK-Vize erläutert die Erwartungen.
Die Arbeit der IHK Mittleres Ruhrgebiet war in den zurückliegenden eineinhalb Jahren stark von der Corona-Pandemie geprägt. Sie hat Unternehmen bei der Suche nach Hilfsleistungen unterstützt, zurzeit kreuzt ein Testbus durch die vier Städte des IHK-Bezirks. Vor wenigen Tagen hat sich die IHK als „Stimme der Wirtschaft“ deutlich zu Wort gemeldet - mit einer Resolution zur Corona-Strategie. Die WAZ hat mit dem Herner IHK-Vizepräsidenten Henrich Kleyboldt über die Forderungen gesprochen.
Als in der vergangenen Vollversammlung über die Resolution diskutiert worden sei, habe die Frage der Notwendigkeit einer Resolution im Raum gestanden, so Kleyboldt. Die Antwort laute: Weil die Wirtschaft massiv betroffen sei. Und wer schweige, zustimme. Doch ganz offensichtlich stimmen die Unternehmer eben nicht allen Maßnahmen der Politik zu. Im Zentrum der Resolution stehen Verlässlichkeit und Transparenz.
IHK: Ungleichbehandlung von verschiedenen Branchen darf nicht noch einmal vorkommen
„Wir wissen natürlich nicht alles besser, aber man konnte unseres Erachtens nicht immer erkennen, ob die Maßnahmen auch bis zum Ende gedacht waren, bevor sie beschlossen wurden“, so Kleyboldt. Gerade bei der Gastronomie und beim Einzelhandel sei es schwierig gewesen, ein Konzept zu erkennen. Nach Ansicht der Vollversammlungsmitglieder sei neben der Verlässlichkeit auch die Transparenz sehr wichtig. „Das Maßnahmenpaket muss deutlich transparenter werden, und wir brauchen ein Set von Maßnahmen, auf das man sich einstellen kann“, so Kleyboldt. In diesem Zusammenhang weist er auch auf die Ungleichbehandlung von verschiedenen Branchen hin. Es sei schwer zu vermitteln, dass der Elektrofachhändler schließen müsse, während Supermärkte weiter Waschmaschinen oder Fernseher verkaufen dürften. Diese Unwucht dürfe sich nicht noch einmal einstellen.
Die Unzufriedenheit der Wirtschaft - auch bei der Impfstoffversorgung - bringt er so auf den Punkt: „Wenn wir so als Unternehmen agieren würden, würden unsere Kunden uns das um die Ohren hauen. Man darf Fehler machen, aber nur einmal.“
„Bildung, Schule und Wirtschaft gehören untrennbar zusammen“
Kleyboldt geht auch auf die Diskussion ein, dass in der Krise Hilfe für Unternehmen mehr im Vordergrund gestanden habe als Hilfe für Familien und Kinder. Man dürfe beide Themen nicht als Gegensatz betrachten, sondern man müsse sie zusammen sehen, sagt er. Denn Eltern seien eben auch Arbeitnehmer. Und durch die zahlreichen Öffnungen und Schließungen von Kitas und Schulen sei die Einsatzplanung in den Unternehmen extrem erschwert worden. „So geht den Betrieben Arbeitskraft verloren.“ Deshalb fordert die Vollversammlung in ihrer Resolution auch von der Politik anzuerkennen, „dass Bildung, Schule, frühkindliche Betreuung und Wirtschaft untrennbar zusammengehören“.
Die IHK hat vor einigen Wochen als Service für die Mitgliedsunternehmen den Covid-Testbus auf Reisen geschickt. Doch die Vorgaben zu den Tests in den Unternehmen stoßen in der Wirtschaft auf Kritik. Einerseits gebe es kostenlose Bürgertests in den vielen Testzentren, andererseits stünden die Firmen in der Pflicht, ihren Mitarbeitern Tests anzubieten - und müssten diese selbst zu finanzieren. Doch die Mitarbeiter seien gar nicht verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen. Deshalb heißt es in der Resolution: „Die Vollversammlung fordert eine einheitliche Testpflicht für alle Mitarbeitenden in Unternehmen. Der Nachweis dazu darf dabei nicht ausschließlich bei den Unternehmen liegen. Es muss auch möglich sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die auch Bürger sind – alle verfügbaren Testangebote (Schnelltest in Bürgertestzentren und Selbsttest) in Anspruch nehmen und somit dazu beitragen können, das Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen.“
Nun könnte man einwenden, dass sich die IHK in einer Phase zu Wort meldet, in der die Infektionszahlen stetig sinken. Doch Kleyboldt denkt bereits weiter: „Wir müssen im Sommer überlegen, wie wir möglichst gut aus der Krise kommen und was wir für einen Neustart brauchen. Da erwarten wir Lösungen von der Politik.“
>> KAMMER VERTRITT ÜBER 27.500 UNTERNEHMEN
■ Die IHK Mittleres Ruhrgebiet vertritt in Herne, Bochum, Witten und Hattingen mehr als 27.500 Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen.
■ In der Vollversammlung der IHK sitzen Vertreter der Branchen aus den vier Städten. Sie nehmen ihre Aufgabe - genauso wie der Präsident und die Vizepräsidenten - ehrenamtlich wahr.