Herne. Seit einigen Tagen lebt eine ukrainische Familie in einem Seniorenheim in Herne. Den Vater mussten sie zurücklassen. Wie es ihnen in Herne geht.
Stas, Illia und Anja sitzen vor dem Protea-Seniorenheim in Herne-Baukau und lächeln schüchtern in die Kamera. Die kleine Familie lebt seit einigen Tagen in Herne – nach einer langen Flucht aus der Ukraine. Einen Tag nach Ausbruch des Krieges haben sich die drei dazu entschlossen, ihre Heimat zu verlassen. Innerhalb einer Nacht haben sie ihre Sachen zusammengepackt und sind los: Mit dem Auto per Anhalter in Richtung Dresden und von dort mit dem Zug ins Ruhrgebiet. Hier lebt ein Teil ihrer Familie, hier spüren sie zum ersten Mal seit vielen Tagen das Gefühl von Sicherheit.
Von ihrem Weg in diese Sicherheit berichtet Mutter Anja mit leiser Stimme, blickt immer wieder zu ihren beiden Söhnen. „Wir hatten einfach so Angst, als der Krieg losging“, sagt sie. Der Vater der Söhne musste zurückbleiben – alle ukrainischen Männer dürfen seit Ausbruch des Krieges die Grenzen nicht mehr überqueren. Auch ihr Mann wurde verpflichtet, kämpfen musste er aber bisher nicht, sagt Anja. Täglich hat die Familie Kontakt zum Vater, ihren Freunden und Verwandten. Viele von ihnen sind in der Ukraine geblieben, andere sind nach Polen geflüchtet. Gerade für die beiden Jungs, 15 und 16 Jahre alt, sei das Wichtigste gewesen, raus aus den Kriegsgebieten zu kommen, sagt die Mutter.
Herne Heim bietet Zimmer und Wohnungen an
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Die Familie kommt aus Kalusch im Westen des Landes. Auch diese Stadt sei mittlerweile umkämpft, sagt Anja. Doch schon vor dem Angriff auf ihre Heimatstadt sei ihnen schnell klar gewesen, dass sie fliehen müssen. In Kalusch haben sie ein ganz gewöhnliches Leben geführt: Die Kinder gingen noch zur Schule, Anja ist Logopädin und der Vater hatte erst vor kurzem ein Geschäft für Sportartikel eröffnet.
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Wie es nun weitergeht, wie lange sie in Deutschland bleiben und wann sie endlich wieder zurück in ihre Heimat können, ist noch ungewiss. Trotz allem sind sie glücklich über den Empfang in Herne. Über Max Barengolts, einem Verwandten, der bei Protea arbeitet, sind sie an Zimmer in dem Pflegeheim gekommen. „Ich habe viele Verwandte und Freunde in der Ukraine“, sagt er. „Auch wir sind hier sehr, sehr angespannt, aber das ist natürlich noch nichts im Vergleich dazu, wie sich die Menschen vor Ort fühlen.“
Sechs Zimmer und eine 66 Quadratmeter große Wohnung stehen zurzeit im Protea-Heim für die Geflüchteten zur Verfügung. Nach den ersten Berichten über den Ausbruch des Krieges sei klar gewesen, dass sie Geflüchtete aufnehmen wollen, sagt Einrichtungsleiter Roberto Gentilini. Die Idee dazu sei Jeannette Kaffanke, der Frau des Geschäftsführers von Protea, gekommen. Auch die Hilfsbereitschaft der Hernerinnen und Herner sei enorm, sagt Gentilini. Kleidungsspenden könnten schon nicht mehr angenommen werden, weil in den ersten Tagen so viel gespendet worden sei.
Viele Geflüchtete in Herne wollen Deutsch lernen
Und es gibt bereits Pläne, wie es weitergehen soll: Viele der Geflüchteten wollen schnell Deutsch lernen, sagt er. Also sollen Deutschkurse organisiert werden. Außerdem gebe es die Überlegung, mit einem Coach Trainings anzubieten, sodass sich die Geflüchteten weiterbilden und dann schnell in Jobs einsteigen können. „Für uns wäre es natürlich sehr praktisch, wenn sie auch in die Pflege einsteigen würden und wollen – aber dafür müssen sie natürlich erstmal die Sprache richtig lernen.“
Die Hilfsbereitschaft in Herne ist seit Tag eins riesig. Immer mehr Menschen sammeln Spenden, fahren an die Grenze und kümmern sich um die geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Doch was brauchen die Geflüchteten wirklich vor Ort? „Gar nichts“, sagt Anja. Die Sicherheit und Gastfreundschaft, die sie in Herne erfahren, sei zurzeit genug.
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Kirmesrundgang mit geflüchteten Kindern
Für einige geflüchtete Kinder aus der Ukraine, die zurzeit in Herne leben, gab es am Freitag, 25. März, ein ganz besonderes Erlebnis.
Die Herner Schaustellervereinigung organisierte einen Kirmesrundgang über die City-Kirmes für die Kinder. „Es war sehr schön in diese glänzenden und fröhlichen Kinderaugen sehen zu dürfen“, schreibt Bürgermeister Kai Gera, der beim Rundgang auch dabei war, auf seiner Facebook-Seite.