Herne. Kinder sind von den Folgen der Lockdowns mit am stärksten betroffen. Nun wurde in Herne das erste Projekt im Aufholprozess abgeschlossen.
Es war ein schönes Bild, als am Freitag acht Kinder vor dem Gebäude der Freiherr-von-Stein-Grundschule Eltern und Betreuern eine kleine Aufführung präsentierten, die sie in den vergangenen Tagen einstudiert hatten. Doch der Hintergrund dieser Aufführung ist ernst: Denn es sind die ersten Schritte der Kinder im Aufholprozess nach der Corona-Pandemie. Bei der Stadt Herne richtet man sich darauf ein, dass dieser Prozess Jahre dauern wird.
Die Situation während des Lockdowns an der Freiherr-von-Stein-Grundschule in Eickel ähnelte jener an vielen anderen Schulen, wie die stellvertretende Schulleiterin Petra Schachner im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion schildert: Im Distanzunterricht habe man nicht alle Kinder erreichen können, was einerseits an den Gegebenheiten in der Schule gelegen habe - kein WLAN -, andererseits an der mangelnden Ausstattung in manchen Familien. So seien manche Kinder mit dem Lernstoff, aber auch mit dem sozialen Miteinander in Rückstand geraten.
Das Landesprogramm „Extrazeit zum Lernen“ hat ihnen nun zwei Wochen lang die Gelegenheit eröffnet, ein wenig Rechnen und Schreiben zu üben, aber auch ganz viel miteinander zu spielen und Dinge zu entdecken. Insgesamt befinden sich im Topf des Schulministeriums 60 Millionen Euro - für Andreas Merkendorf, Fachbereichsleiter Schule und designierter Dezernent, lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Immerhin habe die Stadt Herne so schnell Gelder beantragt, dass in diesen ersten beiden Ferienwochen fünf Tropfen nach Herne durchsickerten: Neben der Freiherr-von-Stein-Schule konnten die Grundschulen Michaelschule, Jürgens Hof, Kunterbunt und die Horstschule Kindern diese „Extrazeit“ anbieten.
Was Merkendorf an der Fördersystematik nicht verstehen kann: Neben dem Landesanteil müssten die Städte selbst einen Anteil von 20 Prozent beisteuern. Im Moment würden so viele Gelder für Coronahilfen ausgegeben, da sei es nicht nachzuvollziehen, warum das Land gerade für Schülerinnen und Schülern nicht eine hundertprozentige Förderung bereitstelle. Herne habe seine Strukturen jetzt so aufgebaut, dass die Stadt Gelder aus dem Extrazeit-Topf abrufen könne, sobald Schulen Projektideen hätten.
Auch an anderer Stelle übt Merkendorf Kritik. Anfang Mai hatte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek ein Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche mit dem Umfang von zwei Milliarden Euro vorgestellt, um eine „Generation Corona“ zu verhindern. Doch man könne noch gar keine Gelder beantragen, weil das Land NRW noch keine Förderrichtlinien festgelegt habe. In Herne würden aber schon Angebote strukturiert, um schnell handeln zu können, wenn die Gelder zur Verfügung stehen. Merkendorf hofft auf rund 2 bis 2,5 Millionen Euro für Herne, wenn die Richtlinien für das Förderprogramm des Bundes feststehen.
Doch bei der Stadt denke man längst weiter, so Merkendorf. Er rechnet damit, dass es bis zu fünf Jahre dauern könnte, ehe der Rückstand, den Corona bei einigen Kindern und Jugendlichen verursacht habe, aufgeholt sei. „Corona ist die größte Bildungskatastrophe, die wir bisher erlebt haben.“ Deshalb lege die Stadt ein Corona-Folgen-Management auf, um Kinder dauerhaft zu begleiten. Das werde nicht nur auf schulischer Ebene geschehen, ein ganzes Netzwerk von zahlreichen Organisationen und Verbänden werde die Kinder in den Blick nehmen, um Bedarf zu entdecken.
>>> WER PROFITIERT VOM AUFHOLPROGRAMM?
■ Die Mittel aus dem Aufholprogramm der Bundesregierung sind unter anderem die Förderung von Nachhilfeunterricht geplant sowie gezielte Freizeit- und Sozialprogramme.
■ Kinder aus ärmeren Familien erhalten überdies einen sogenannten Freizeitbonus in Höhe von 100 Euro.