Düsseldorf. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) besuchte am Montag ein Lern- und Spaß-Projekt für Schüler in Düsseldorf.
„Kinder sind die Verlierer der Corona-Pandemie“ ist einer der Sätze, die jetzt ständig wiederholt werden. Weil die Kleinen nicht richtig lernen konnten, weil keine Betreuung da war, weil sie so lange getrennt von Gleichaltrigen waren. Jetzt kommt für einige Kinder und Jugendliche die Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Mitten in den Ferien bekommen zum Beispiel in Düsseldorf Grundschüler etwas „Extra-Zeit“.
Yunes, Filip, Marco und fünf andere Dritt- und Viertklässler können in der zweiten Ferienwoche in der Kronprinzen-Grundschule in Düsseldorf was erleben. Sie bestimmen an diesem Nachmittag mit Rotkohlsaft den Säuregehalt von Essig, Limo, Wasser und anderen Flüssigkeiten.
"Phantasie ist wichtiger als Wissen"
„Kriegt ihr das hin?“, fragt Sebastian Steinke (19), Biotechnik-Student, Aushilfskraft und Sohn von Schulleiterin Heide Steinke. „Yes Sir“, ruft ein Neunjähriger. Die Runde experimentiert fröhlich im „Forscherraum“ vor sich hin. Über den Köpfen der Kinder hängt ein Einstein-Poster mit einer Weisheit des großen Physikers: „Phantasie ist wichtiger als Wissen“.
Nach einem chaotischen, für Kinder, Eltern und Lehrer Nerven zerreißenden Pandemie-Schuljahr ist in vielen Klassenräumen in NRW vorübergehend Ruhe eingekehrt. Nicht so bei den „Kronprinzen“ in Düsseldorf-Unterbilk. Unten im Schulhaus wird renoviert, oben unterm Dach können drei Dutzend Mädchen und Jungs auch in den ersten Ferientagen experimentieren, musizieren, lesen oder rechnen.
Lernprogramm "aus dem Boden gestampft"
Rektorin Steinke ist stolz auf dieses Lern- und Spaß-Programm. „Aber es kam alles sehr kurzfristig auf uns zu. Wir mussten das in drei Wochen aus dem Boden stampfen“, erzählt sie. Überhaupt sei es eine „riesige Herausforderung“, die Folgen der Pandemie für die Kinder zu lindern. „Das funktioniert nur, wenn Eltern und Lehrkräfte eng zusammenhalten.“
An diesem Montag besuchen gleich zwei Politikerinnen die kleinen „Kronprinzen“ in Düsseldorf: NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und die französische Bildungs-Staatssekretärin Nathalie Elimas. Der Gast aus Paris möchte sehen, was sich NRW im Kampf gegen die Lern-Defizite der Schüler einfallen lässt.
Gebauer ist zufrieden mit der Nachfrage
Gebauer, die für ihren Kurs, die Schulen während der Pandemie so lange wie möglich offen zu halten und für diverse Kurz-vor-knapp-Schulmails viel Kritik einstecken musste, sieht sich bei ihrer Visite darin bestätigt, dass das Programm „Extra-Zeit zum Lernen“ in NRW funktioniere. Bis Sommer 2022 hat die NRW-Landesregierung dafür 36 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, und der Betrag soll noch auf 60 Millionen Euro erhöht werden. Die Angebote richten sich an Schüler aller Schulformen und Altersgruppen. Die Teilnahme in den Ferien oder an Wochenenden ist freiwillig.
„Zehn Millionen Euro aus dem Programm wurden seit März schon für Projekte abgerufen“, erklärt die Ministerin. Damit sei das Ziel – zwei Millionen Euro im Monat – bisher erreicht worden. Mehr als 5000 „Extra-Zeit“-Angebote für Kinder-Gruppen gebe es landesweit. Der Lohn, zumindest in diesem Düsseldorfer Schulhaus: „Freudestrahlende und motivierte Kinder“, so Gebauer.
Frankreich bietet seinen Schülern "Lernferien"
Die Bildungs-Staatssekretärin aus Frankreich schaut Filip, Marco und den anderen Kids beim Forschen über die Schulter. Gerade führen die Grundschüler den chemischen Beweis, dass Zitronenlimo ganz schön sauer ist. „Dieses Projekt ist eine Quelle der Inspiration“, lobt Nathalie Elimas. Die französische Regierung sei stolz darauf, dass sie die Schulen auch während der harten Lockdowns weitgehend offenließ, sagt sie. Sogar jetzt, im Sommer, gebe es überall in Frankreich jede Menge Lern- und Freizeit-Angebote für Schüler. „Lernferien“ heißt das im Nachbarland. Etwas verwundert schaut Madame Elimas auf den deutschen Bildungsföderalismus und den hiesigen Flickenteppich an Förder-Maßnahmen.
„Die sozialen Herausforderungen durch die Krise sind überall gleich“, glaubt Yvonne Gebauer. Und hier wie dort dürften die Jüngsten zu den Verlierern der Pandemie zählen. Sie werden also noch viel „Extra-Zeit“ brauchen.
Parallel zum Landes-Angebot „Extra-Zeit zum Lernen“ fließen von Bund und Land NRW bis zum Jahr 2022 insgesamt 430 Millionen Euro in das Programm „Ankommen und Aufholen“. Es soll den Schülerinnen und Schülern das Aufholen Corona-bedingter Lernrückstände ermöglichen.
Mit dem Geld können zum Beispiel im neuen Schuljahr zusätzlich Lehrer und Sozialarbeiter eingestellt und gezielte Nachhilfe organisiert werden. Bildungsexperten gehen davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauern dürfte, bis die gröbsten pandemiebedingten Wissenslücken einigermaßen geschlossen sind.