Herne. In Herne ist ein Lockdown zu Weihnachten nicht ausgeschlossen. Bleiben die Zahlen so hoch, könnte es zu Einschränkungen kommen.

Der Blick auf den Kalender am vergangenen Wochenende zeigte nicht nur an, dass die Zeitumstellung ansteht, sondern auch am Samstag den 24. Oktober. Also noch zwei Monate bis Weihnachten. Doch angesichts der nach wie vor hohen Infektionszahlen - nicht nur in Herne - stellt sich langsam die bange Frage, ob das frohe Fest überhaupt so stattfinden kann, wie es die Menschen kennen.

Er könne einen Weihnachtslockdown nicht ausschließen hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in einem TV-Interview gesagt - doch das war bereits am 14. Oktober, als außer Herne nur wenige Städte den Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen in sieben Tagen überschritten hatten. Inzwischen liegen nur noch ganz wenige Städte in NRW darunter, viele jenseits der 100. Dazu zählt auch Herne.

NRW-Staatskanzlei und Herner Krisenstab wollen noch keine Prognose abgeben

Die NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf gibt sich auf Anfrage der Herner WAZ-Redaktion sehr zurückhaltend. Zum jetzigen Zeitpunkt wolle man keine Prognose abgeben, zu diesem Thema werde man sich erst wieder ab Dezember äußern. Der Herner Krisenstab gibt mit Blick auf Weihnachten noch keine Empfehlung außer der sowieso gültigen, dass man so wenig Kontakt wie möglich zu anderen Menschen pflegen sollte. „Wir werden das Thema aber weiter im Blick behalten“, so Stadtsprecher Christoph Hüsken.

Besuch bei der Mutter im Pflegeheim nicht nehmen lassen

Sollten die Zahlen nicht sinken oder gar noch steigen, könnte die Empfehlung lauten, Festbraten und Bescherung auf den engsten Familienkreis zu beschränken - also zum Beispiel ohne Großeltern. Die WAZ weiß aus dem eigenen Umfeld, dass sich manche Familien genau auf diesen Fall einstellen. Auch andere Menschen können sich mit dieser Vorstellung anfreunden, doch es gibt auch welche, die nicht auf das Fest verzichten wollen. Die WAZ hat Stimmen gesammelt. So schreibt Sylvia Hülswitt auf der Facebookseite der Herner WAZ: „Natürlich sollte man alles klein halten. Jeder vernünftig denkende Mensch wird genauso handeln.“


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Sabine Gahmann macht auf einen anderen Aspekt aufmerksam: „Meine Mutter lebt in einem Pflegeheim in Essen-Kettwig, durch die Corona-Krise und den damit verbundenen Einschränkungen (Besuchsverbot, Hausarrest, kein Kontakt zu anderen Mitbewohnern) hat sie im letzten halben Jahr geistig massiv abgebaut. Sie ist 85 Jahre alt, und ich werde an Weihnachten nicht auf einen Besuch bei ihr verzichten. Wer weiß, ob es das letzte Weihnachten ist für sie.“

DRK will in Seniorenheimen auf jeden Fall weihnachtliche Stimmung aufkommen lassen

DRK-Chef Martin Krause
DRK-Chef Martin Krause © Unbekannt | Dietmar Wäsche


„Wir werden abwarten, wie die Schutzverordnungen aussehen und dann das rausholen, was diese erlauben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass zu Weihnachten gar nichts passiert“, sagt DRK-Geschäftsführer Martin Krause mit Blick auf die Seniorenheime, die der DRK-Kreisverband in der Stadt betreibt. Schon beim Lockdown im Frühjahr hatte es in Seniorenheimen Besuchsverbote gegeben. Krause will auf jeden Fall sicher stellen, dass Verwandte ihre Angehörigen sehen können - gerade jene, die im Verlauf des Jahres seltener kommen. Krause: „Wir werden auf jeden Fall weihnachtliche Stimmung aufkommen lassen.“

Wegfall des Fests könnte Einfluss auf die Psyche haben

Die Frage, ob das Weihnachtsfest stattfindet oder nicht, hat auch eine psychologische Variante. „Die Weihnachtsfeierlichkeiten sind ein Ritual. Jedes Jahr bringen sie Familienmitglieder zusammen, auch wenn diese nicht an einem Ort wohnen. Generell geben Rituale wie das Weihnachtsfest ein Gefühl von Sicherheit und Halt und tragen somit zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Findet das gemeinsame Weihnachtsfest nicht statt, kann dies unterschiedliche Reaktionen auslösen“, so Dr. Peter W. Nyhuis, Ärztlicher Direktor, St. Marien Hospital Eickel.

Für einige sei dies ein negatives Erlebnis, da somit auch die positiven Gefühle von Sicherheit und Halt wegfielen. Für ältere Menschen wäre es bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass ihre Kontakte eingeschränkt werden. Da sie in der Regel ohnehin weniger Kontakte hätten, litten sie besonders darunter, und es bestehe das Risiko der Vereinsamung. Gerade der Kontakt zu den Enkeln und das Beschenken sei für viele Großeltern besonders wichtig. Sei dies nicht möglich, könnten sie sich ausgegrenzt fühlen. Auch auf Kinder habe das Wegbrechen von Ritualen großen Einfluss. Dies zeige eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Eppendorf. Sie besagt, dass der Anteil der psychisch auffälligen Kinder seit März von 18 auf 31 Prozent gestiegen ist. Ihnen würde das Ritual der Weihnachtsfeierlichkeiten sicher ebenfalls fehlen.