Herne. Nach einer erfolgreicher Therapie dürfen psychisch kranke Straftäter die Forensik in Herne verlassen. So leben sie außerhalb der hohen Mauern.
Kaum ein Thema hat in den vergangen Jahren die Gemüter der Herner so erhitzt wie der Bau der Forensik in Bickern. Vor allem Eltern, die Angst um ihre Kinder hatten, gingen auf die Barrikaden. Denn: Eine Klinik für psychisch kranke Straftäter wollte niemand in seiner Nachbarschaft haben. Seitdem sind neun Jahre vergangen und viele Patienten konnten bereits in die Freiheit entlassen werden. Doch wie geht es für diese Menschen außerhalb der hohen Mauern weiter?
Bis 2015 seien nur wenige Patienten entlassen worden, erklärt Boris Schiffer, therapeutischer Direktor der Forensik, bei einer Infoveranstaltung zum Thema „Forensik als Chance“, die vom Paritätischen Herne und der Maßregelvollzugsklinik am Mittwoch im Wewole Forum veranstaltet wurde.
Danach sei die Zahl rasant angestiegen, so Schiffer. „Im Jahr können wir etwa zwölf bis 20 Patienten erfolgreich entlassen.“ Aktuell seien zwölf der 96 Patienten in einer sogenannten Beurlaubung, also eine Zeit, in der sie sich bereits draußen aufhalten dürfen, aber dennoch als Patienten der Klinik gelten. Diese Beurlaubung sei einer der entscheidenden Schritte für die Vorbereitung auf den Alltag außerhalb der Klinik, erklärt der Leiter.
Die Risikoreduktion steht im Vordergrund
Nachdem ein psychisch kranker Straftäter durch ein Gericht zu einer Haft in der Forensik verurteilt wurde, werde er zunächst untersucht und je nach Risikoprofil behandelt. Dies geschehe in einem geschützten Rahmen, um dort „den Realitätsbezug der Patienten wieder herzustellen“, so Schiffer. Denn die Mehrheit der Patienten sei schizophren und leide unter anderem unter Wahnvorstellungen und Realitätsverlust.
Sobald sie gefestigter sind, kommen sie in die Reha-Station, in der sie nachts nicht eingeschlossen werden. Dort werden sie auf eine sinnvolle Tagesstruktur vorbereitet – auch mit Hilfe von verschiedenen Werkstätten, wie beispielsweise der Wewole. Es folgen begleitete und unbegleitete Ausgänge bis hin zu den Beurlaubungen. Wenn ein Gericht darüber entscheidet, dass ein Patient entlassen werden darf – dies geschieht nur mit der Einschätzung der behandelnden Ärzte – werde er auch im Anschluss weiterhin betreut, erklärt Schiffer.
Keine Zwischenfälle in den vergangenen Jahren
„Wir unterstützen sie bei der Wohnungs- und Jobsuche.“ Ein Netz von verschiedenen Helfern versuche gemeinsam, die Bedürfnisse der Patienten zu erfüllen, um einen möglichen Rückfall zu vermeiden. Fünf Jahre lang werden die entlassenen Patienten weiter betreut und kontrolliert. „Bisher gab es noch keine Zwischenfälle“, sagt Schiffer.
Einige Patienten seien jedoch nicht mehr in der Lage, im ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten oder in einer eigenen Wohnung zu leben. Diese Patienten kämen dann in betreute Wohneinrichtungen.
Der sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Herne
Der sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Herne berät Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Wir beraten, betreuen und machen Hausbesuche“, sagt Mitarbeiter Florian Ternes.
Die meisten Erkrankten werden extern gemeldet. Ternes betont, dass Verwandte und Freunde immer darauf achten sollten, wie es ihren Mitmenschen geht. „Wenn man feststellt, dass da etwas Bedrohliches ist, sollte man sich direkt bei uns melden – wir kümmern uns dann um den Menschen“, so Ternes.
Der Dienst ist auf der Internetseite der Stadt erreichbar.
„Vor allem Sexualstraftäter haben es oft nicht leicht, wieder Fuß im echten Leben zu fassen“, sagt Schiffer. Viele Arbeitgeber und Vermieter stünden diesen Menschen mit Vorbehalten gegenüber.
Marienhospital kümmert sich um die Nachsorge der Patienten
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Auch das Marienhospital in Eickel kümmert sich um die Nachsorge der forensischen Patienten. Dies betreffe vor allem das ambulante Wohnen, erklärt Peter Nyhuis, ärztlicher Direktor des Marien Hospitals Eickel. Er betont, dass man nicht alle psychisch kranken Menschen über einen Kamm scheren dürfe. „Psychischkranke sind nur selten auch gewalttätig“, so Nyhuis. Zudem wünsche er sich, dass die Diskussion über forensische Patienten auch in Zukunft sachlich bleibe.
Dass forensisch Entlassene ein Recht auf Wiedereingliederung haben, macht auch Rochus Wellenbrock, Vorsitzender der Wewole Stiftung, deutlich. „Das sind psychisch kranke Menschen, die – wie jeder andere behinderte Mensch auch – ein Recht auf Hilfe haben“, so Wellenbrock. In seinen Werkstätten arbeiteten auch forensische Patienten, „das funktioniert jedes Mal problemlos.“
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