Herne/Bochum. In der Kopftuchverbot-Debatte hat die Herner St. Elisabeth-Gruppe nun eine Lösung präsentiert. Was die RUB und eine Kopftuchträgerin dazu sagen.

Im Streit um ein Kopftuchverbot für Mitarbeiterinnen in den Häusern der Herner St. Elisabeth-Gruppe hat das Unternehmen eingelenkt und eine Lösung präsentiert. Zuvor hatte sich das Rektorat der Ruhr-Universität Bochum wegen des Verbots von der St. Elisabeth-Gruppe distanziert.

Die Lösung präsentiert der Krankenhausträger auf seiner Internetseite: Dabei handelt es sich um eine Kopfbedeckung, die sowohl die Haare als auch die Ohren verdeckt.

Islamwissenschaftler: Entwurf ist praktische Kompromisslösung

Bereits seit Längerem habe die St. Elisabeth-Gruppe an einer Lösung gearbeitet, die sowohl die gebotene religiöse Neutralität der Mitarbeiter gegenüber den Patienten als auch die privaten religiösen Interessen und Ausdrucksformen muslimischer Frauen respektiere, heißt es in der Stellungnahme. Die nun gestaltete Form der Kopfbedeckung sei sowohl mit dem deutschlandweit anerkannten Islamwissenschaftler und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, als auch mit den Gremien der St. Elisabeth-Gruppe abgestimmt worden.

„Der vorgeschlagene Entwurf verhüllt die Haare und die Ohren und erfüllt somit die Voraussetzungen, um aus islamisch-theologischer Perspektive als Kopftuch zu gelten,“ erklärt Prof. Dr. Mouhanad Khorchide. „Ich sehe in dem vorgelegten Entwurf eine für kopftuchtragende muslimische Frauen würdigende und praktische Kompromisslösung.“

Kopfbedeckung soll als Teil der Arbeitskleidung gestellt werden

„Diese besondere Kopfbedeckung wird Teil der Dienstkleidung der St. Elisabeth-Gruppe,“ erklärt Theo Freitag, Geschäftsführer der Klinik-Gruppe. „Muslimische Frauen, die mit Kopftuch in der St. Elisabeth-Gruppe arbeiten möchten, wird diese Kopfbedeckung zukünftig als Teil der Arbeitskleidung gestellt.“ Nach Zustimmung des Aufsichtsrats werde die Herstellung der Kopfbedeckung nun beauftragt.

Auslöser war der Fall der 24-jährigen Praktikantin Melda Ende Januar. Die Hernerin hatte ihr Praktikum im St. Marien Hospital Eickel, das zur St. Elisabeth-Gruppe gehört, nach zwei Wochen abbrechen müssen, da das Tragen eines Kopftuch während der Dienstzeit nicht erlaubt sei. Das Unternehmen hatte sich damals zerknirscht gezeigt und hatte Fehler in der internen Kommunikation eingeräumt.

Melda musste ihr Praktikum am St. Marien Hospital in Eickel vorzeitig  beenden.
Melda musste ihr Praktikum am St. Marien Hospital in Eickel vorzeitig beenden. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Studierende der Ruhr-Uni hatten den Fall zum Anlass genommen, um gegen das allgemeine Kopftuchverbot der Klinikgruppe zu protestieren. Bereits im Februar hatte das Studierendenparlament in einem Brief das Ende des Kopftuchverbots bei der St. Elisabeth-Gruppe gefordert. Das Schreiben war an alle Chefärztinnen und Chefärzte der Gruppe verschickt worden.

RUB sieht Vorschlag als praktikable Lösung

RUB-Rektor Prof. Dr. Martin Paul und die Prorektorin für Diversität, Prof. Dr. Isolde Karle, stellen vor wenigen Tagen in einer Mitteilung klar, dass die Position der St. Elisabeth-Gruppe nicht im Einklang mit den Werten der RUB stehe. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil das Herner Marien Hospital (nicht zu verwechseln mit dem St. Marien Hospital in Eickel) Universitätsklinikum der Ruhr-Uni ist. Zum Vorschlag teilt das Rektorat nun mit, dass es begrüße, dass die St. Elisabeth-Gruppe eine Lösung in Aussicht stelle. Der Entwurf sei mit dem anerkannten Islamwissenschaftler Prof. Dr. Mouhanad Khorchide abgestimmt. „Wir gehen deshalb davon aus, dass dies eine praktikable Lösung für die betroffenen Frauen ist.“

Als akzeptable Lösung sieht die Bochumerin Kevser Budur den Vorstoß der St. Elisabeth-Gruppe nicht. Die 21-Jährige studiert Psychologie und musste bei Praktika in Krankenhäusern bereits mehrfach das Tragen ihres Kopftuchs rechtfertigen. „Etwas, das nur Frauen betrifft, wird von Männern entschieden“, kritisiert sie. „Wieso wird ein islamischer Theologe als Experte konsultiert und nicht eine Frau?“ Im Idealfall hätte man sich aus Budurs Sicht mit Kopftuchträgerinnen zusammensetzen sollen, um gemeinsam einen Kompromiss zu finden. „So wird uns wieder nur eine vermeintliche Lösung aufgedrückt. Das ist oberflächlich.“

Für Kevser Budur persönlich sei die vorgeschlagene Kopfbedeckung keine gute Alternative: „Der Hals ist nicht verdeckt und die Kappe könnte verrutschen.“ Allerdings sei die Tiefe des Problems für Menschen, die nicht unmittelbar betroffen sind, kaum zu begreifen. „Für mich ist das nur eine scheinbare Lösung. Ich hoffe, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.“ nik/t.b. (mit dpa)

>>> Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

  • Aus rein juristischer Sicht ist die St. Elisabeth-Gruppe im Recht. Das Bundesarbeitsgericht hat 2014 entschieden, dass kirchliche Einrichtungen das Tragen eines Kopftuches als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben bei Angestellten verbieten dürfen. Hintergrund war ein Fall aus Bochum: Eine türkischstämmige Krankenschwester wollte in der evangelischen Augusta-Klinik mit Kopftuch arbeiten, die Klinik lehnte ab. Deshalb wurde das Gericht eingeschaltet.
  • Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wurde mit dem Urteil höher bewertet als das individuelle Recht auf Religionsfreiheit und die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von kirchlichen Einrichtungen sind damit mindestens zu neutralem Verhalten verpflichtet.