Heiligenhaus. Die Politik befasst sich mit der Grundsteuer. Es ist eine Steigerung des Hebesatzes von 680 auf 983 v.H. geplant. So einfach ist die Rechnung aber nicht.

Auf den ersten Blick könnte diese Nachricht vielen Heiligenhausern die pure Zornesröte ins Gesicht treiben: Die Verwaltung um Kämmerer Björn Kerkmann schlägt eine Erhöhung des Grundsteuer-B-Hebesatzes von 680 auf 983 v.H. vor – also eine Steigerung um 44,5 Prozent. „Wahnsinn“, so die ersten Kommentare in den sozialen Netzwerken. Oder: „Wer soll das noch bezahlen?“

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Ganz so einfach ist die Rechnung jedoch nicht. Denn: Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2018 geurteilt, dass die bisherige Grundsteuerfestsetzung nicht mehr verfassungsgemäß sei. Begründet wurde das damit, dass die Berechnung auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten – den sogenannten Einheitswerten – beruhe, was zur Folge hatte, dass sich für gleichartige Grundstücke unterschiedliche Grundsteuerbelastungen ergaben.

So wurde die Grundsteuerreform in Heiligenhaus umgesetzt

Nach längeren politischen Diskussionen wurde auch in NRW eine Grundsteuerreform auf den Weg gebracht: Die zuständigen Finanzämter ermittelten dafür zunächst die künftig relevanten Besteuerungsgrundlagen, in der Folge ergingen Grundsteuermessbescheide. Diese wiederum sind nun Basis für die Festsetzung des kommunalen Hebesatzes, wobei das Schlagwort „aufkommensneutral“ gelten soll. Heißt: Eine Kommune soll durch die Reform unter dem Strich nicht mehr Grundsteuer als bislang einnehmen – weniger sollte es aus Sicht des Kämmerers aber eben auch nicht sein.

Pro Jahr fließen in Heiligenhaus rund acht Millionen Euro Grundsteuer

Im Jahr 2024 rechnet die Stadt mit rund 8 Millionen Euro Grundsteuer. Dabei soll es Pi mal Daumen auch 2025 bleiben. Das geht aus einer umfangreichen Vorlage für den Haupt- und Finanzausschuss, der am Mittwoch, 4. Dezember, ab 18 Uhr im Rathaus tagt, hervor. „Aufkommensneutral“ heißt aber eben – ob der geänderten Besteuerungsgrundlagen – nicht, dass der Einzelne nicht doch mehr zahlen muss. In bestimmten Fällen kann es sogar deutlich mehr werden, während andere profitieren und weniger zahlen.

Kämmerer Björn Kerkmann (hier auf dem Archivfoto mit dem Haushaltsplan 2021) muss sich mit der Grundsteuerreform auseinandersetzen.
Kämmerer Björn Kerkmann (hier auf dem Archivfoto mit dem Haushaltsplan 2021) muss sich mit der Grundsteuerreform auseinandersetzen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Differenziert oder einheitlich? Die Krux mit den Hebesätzen

Die wesentliche Entscheidung, die die Heiligenhauser Politik zu treffen hat: Soll es differenzierte Hebesätze – unterschieden nach Wohngrundstücken und Nicht-Wohngrundstücken – oder einen einheitlichen Hebesatz geben? Von solch einer Differenzierung würden – ganz allgemein gesagt – Hausbewohner und auch Mieter (denn Grundsteuer wird umgelegt) eher profitieren, während Inhaber von Geschäfts- und Gewerbeflächen stärker zur Kasse gebeten würden. Im Differenzierungs-Modell schlägt die Stadtverwaltung einen Hebesatz von 837 v.H. für Wohngrundstücke und 1540 v.H. für Nicht-Wohngrundstücke vor, wozu 1363 der insgesamt 10.303 Heiligenhauser Gewerbesteuerzahler gerechnet werden. 985 von ihnen würden künftig mehr Gewerbesteuer als bisher zahlen. Bei Wohngrundstücken sähe es im differenzierten Modell so aus, dass in 3.592 Fällen mehr und in 4.395 Fällen weniger Grundsteuer als bislang gezahlt werden müsste.

Warum sich Verwaltung klar für einheitlichen Hebesatz ausspricht

Die Verwaltung spricht sich dennoch „eindringlich“, wie es in der Vorlage heißt, zumindest für das Jahr 2025 für einen einheitlichen Hebesatz – dann in Höhe von 983 v.H. – aus. Der Grund: Die Möglichkeit der Differenzierung wird in einem Landesgesetz zwar ausdrücklich eingeräumt, Experten haben aber Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Es könnte also sein, dass Gerichte dies kippen. Die Verantwortung liegt dabei allein bei den Kommunen, nicht beim Gesetzgeber. Es könnte demnach passieren, dass der Inhaber einer Gewerbefläche gegen den deutlich höheren Nicht-Wohnen-Hebesatz klagt, Recht bekommt und dann nur den niedrigeren Wohnen-Satz bezahlen muss. Das berge unabsehbare Risiken, so die Stadt, der wichtige Steuereinnahmen wegbrechen könnten.

Bei einem einheitlichen Hebesatz von 983 v.H. würden für 4.892 der insgesamt rund 8000 Wohn-Grundstücke in Heiligenhaus höhere Grundsteuern anfallen – also für mehr als die Hälfte. Hinzu kämen 743 höher belastete Nicht-Wohngrundstücke. Unter dem Strich müssten 5.635 Eigentümer – also 60,3 Prozent – mehr bezahlen. 3.090 Besitzer von Wohneigentum und 620 Eigentümer von Nicht-Wohngrundstücken würden hingegen weniger belastet.

Rechenbeispiele zeigen höchst unterschiedliche Auswirkungen

Präsentation im Internet

Erster Beigeordneter und Kämmerer Björn Kerkmann informierte in der vergangenen Woche rund 150 interessierte Bürgerinnen und Bürger in der IKG-Aula ausführlich über den bisherigen Grundsteuer-Verfahrensverlauf sowie den derzeitigen Sachstand. 

Die Präsentation ist auch im Internet zu finden: heiligenhaus.de

Wie unterschiedlich sich das dann in der Praxis auswirken kann, zeigen Rechenbeispiele, die die Stadt angestellt hat:
Für ein beispielhaft ausgewähltes Einfamilienhaus in der Unterilp Grundsteuer würde die Grundsteuer von derzeit 489,06 Euro auf 465,94 Euro sinken, einige Häuser weiter würde sie indes von 545,97 Euro auf 725,55 Euro steigen. Ähnlich beim Vergleich zweier Mietwohngrundstücke im Nonnenbruch: In einem Fall würde die Grundsteuer von 1.336,13 Euro auf 1.500,45 Euro steigen, in einem anderen Fall von 1932,42 Euro deutlich auf 1379,54 Euro sinken.