Heiligenhaus. Der Schritt in die Eigenständigkeit ist nicht einfach. Wie der Velberter Mathias Schaffner in Heiligenhaus bei Pro Mobil den Schritt in die Selbstständigkeit lernt.

Der Traum vom eigenständigen Wohnen ist für viele junge Menschen ein großes Thema, ein noch viel größeres für Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Projekt „ambulante Wohnschule“ von Pro Mobil, gefördert durch Aktion Mensch und den BVKM, bereitet junge Menschen mit Behinderung auf den neuen Lebensabschnitt vor. Wie Matthias Schaffner den Weg in die Selbstständigkeit geschafft hat.

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Sein eigenes Zuhause gestalten, seine Zeit selbstständig einteilen, nicht von anderen abhängig sein. Das wünschen sich viele junge Menschen. So vielfältig wie die Persönlichkeiten und Bedürfnisse der Personen sind auch die individuellen Vorstellungen von ihrem zukünftigen Zuhause – auch bei den Teilnehmenden des Projekts von Pro Mobil. Für viele junge Menschen mit Behinderung sei der Wunsch, von zu Hause oder aus besonderen Wohnformen auszuziehen, ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit, berichtet Anette Ziaras von Pro Mobil in Heiligenhaus.

Beim Heiligenhauser Verein werden Grundlagen des Alleine-lebens vermittelt

Jedoch bringe dieser Schritt auch Herausforderungen mit sich. Bereits vielen jungen Menschen sei durch das Projekt der Traum vom selbstständigen Wohnen verwirklicht worden: Seit 2022 half die sogenannte Wohnschulgruppe beim Auszug aus dem Elternhaus. Die Workshopreihe, in der über mehrere Monate an festen Terminen Tipps zum eigenständigen Leben vermittelt werden, wurde von Anica Schweers geleitet. In einer kleinen Gruppe von sechs Teilnehmenden trafen sie sich zwei Stunden pro Woche in einem Seminarraum im Hotel Neues Pastorat, das durch Pro Mobil geleitet wird und wo der Verein seinen Sitz hat.

Mathias Schaffner ist einer der ehemaligen Teilnehmern der Wohngruppe. Er lebt seit einem Jahr in einer Einzimmerwohnung in Velbert-Mitte, arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen in Velbert und ist sehr glücklich über seine neue Wohnsituation. Am besten gefallen habe Mathias Schaffner an der Wohnschule die Gesellschaft um ihn herum, sich mit anderen über das große Thema „eigenes Zuhause“ auszutauschen, Ideen zu sammeln und sich über seine eigenen Vorstellungen klar zu werden.

Vom betreuten Wohnen den Schritt in die eigenen vier Wände wagen

Bevor Schaffner in die eigene Wohnung gezogen ist, hat er bei seinen Eltern und in einer betreuten Wohneinrichtung gewohnt. Dass er eine eigene Wohnung für sich alleine will, wurde in der Wohnschule schnell klar. „Dadurch, dass Herr Schaffner mobil und gut mit dem Bus angebunden ist, ging das dann auch relativ schnell“, erklärt Schweers. Bei anderen Teilnehmenden, die körperlich eingeschränkt sind, dauert der Übergang manchmal länger. In einem Fall renoviert Pro Mobil gerade eine Wohnung und macht sie barrierefrei, damit ein Teilnehmer bald dort einziehen kann. „Wir haben einige Wohnungen und Wohnprojekte, wo wir mit einer Hausverwaltung zusammen mit vermieten und ansonsten sind wir die, die die Unterstützung vor Ort anbieten“, so Schweers.

Anica Schweers und Mathias Schaffner gehen noch einmal Grundlagen durch.
Anica Schweers und Mathias Schaffner gehen noch einmal Grundlagen durch. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

„Hauswirtschaft war ein großes Thema. Das war tatsächlich in allen drei Jahren der Wohnschule das, womit wir angefangen haben, so als Einstieg, weil man da ganz gut abschätzen kann, wie selbständig jemand im Haushalt schon ist“, erzählt Anica Schweers weiter. Das Erlernen von Wäschesymbolen durch Arbeitsblätter, richtiges Lüften und Heizen, gesunde Ernährung, wichtige Anlaufstellen in Notfällen zu kennen und seine Zeit und Aufgaben gut einteilen zu lernen gehört dazu.

Was macht man im Notfall, was bei alltäglichen Problemen?

Auch Notfallsituationen werden in den Treffen behandelt, so wird unter anderem darüber aufgeklärt, wann ein Krankenhausaufenthalt oder Reha notwendig sei, wie man sich darauf am besten vorbereitet und wie die Wege dorthin zu meistern sind. Zusätzlich berichteten die Teilnehmenden über Diskussionen zu Themen wie dem Sozialamt, Sozialhilfe, Mietverträgen und anderen damit verbundenen Verträgen.

In der Wohnschulgruppe, bei der der Fokus auf der Vermittlung von alltagspraktischen Fähigkeiten und Kenntnissen liegt, besprechen die Teilnehmenden, was sie sich für ihr zukünftiges Zuhause wünschen, welche Vorstellungen sie haben und was die neue Wohnung alles mitbringen sollte. „Das wöchentliche Programm der Wohnschule wurde nicht nur entworfen, um den Teilnehmenden theoretisches Wissen zu vermitteln, sondern auch, um ihnen die Möglichkeit zu geben, dieses unmittelbar in die Praxis umzusetzen“, so Ziaras.

Selber einkaufen, kochen und den Müll trennen

Stephan B., ein Teilnehmer der aktuellen Wohnschule, erklärt: „Wir haben über Haushalt gesprochen. Wir haben Essen gekocht und haben selber eingekauft und gelernt, wie man Müll trennt.“ Schweers ergänzt: „Ab dem zweiten Kurs haben wir zusätzlich Erste-Hilfe-Kurse in leichter Sprache angeboten, die in mehreren Terminen von Rettungssanitätern vor Ort durchgeführt wurden“.

Mira Deutz, zuständig für Koordination bei Pro Mobil, zeigte im April 2023 eine barrierefreie Wohnung in Velbert.
Mira Deutz, zuständig für Koordination bei Pro Mobil, zeigte im April 2023 eine barrierefreie Wohnung in Velbert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Gerade Eltern von Menschen mit Behinderung haben oft ihr ganzes Leben Sorge um ihr Kind, so Schweers. Um den Übergang und das Loslassen in die Eigenständigkeit zu erleichtern, gab es in der Wohnschule auch Treffen für Angehörige. „Meine Eltern sind immer noch besorgt, aber Eltern machen sich ja immer Sorgen, das ist normal“, lacht Mathias Schaffner.

Pro Mobil bleibt auch nach dem Auszug Ansprechpartner

Anette Ziaras, Pressesprecherin von Pro Mobil, resümiert, dass die Teilnehmenden durch das Projekt in den letzten Monaten bereits viele wertvolle Erkenntnisse gewinnen und sich persönlich weiterentwickeln konnten. So befasste sich die Gruppe kürzlich mit dem Thema „Traumwohnung“ und sammelte Ideen und Wünsche an ihr neues Zuhause und machten Pläne über die Freizeitgestaltung. Auch nach dem Einzug ins neue Zuhause bleibt das Team von Pro Mobil enger Ansprechpartner und bietet den Menschen Unterstützung in Form von persönlicher oder telefonischer Betreuung und Beratung.