Heiligenhaus. Der Heiligenhauser Kämmerer übt scharfe Kritik: Das Land NRW versuche auf den letzten Drücker, „das in den Brunnen gefallene Kind zu retten“.
Kommt auf Heiligenhauser Eigenheimbesitzer und die Kommunen Ärger zu? Die Grundsteuerreform ist seit Jahren Thema. Das NRW-Finanzministerium hat am Donnerstag die sogenannten „aufkommensneutralen Hebesätze“ bekannt gegeben. Was das für Heiligenhaus bedeuten könnte, darüber spricht WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt mit dem Ersten Beigeordneten und Kämmerer Björn Kerkmann.
Herr Kerkmann, der Hebesatz in Heiligenhaus liegt derzeit bei 680 Prozent. Nun gibt es seitens des Landes NRW einen aufkommensneutralen Hebesatz. Was bedeutet das?
Die Grundsteuer ist für alle Kommunen eine wichtige Einnahmequelle. Aktuell haben wir im Haushalt rund 8,5 Millionen Euro veranschlagt. Mit den vom Finanzamt neu bewerteten Grundstücken wurden die Grundsteuermessbeträge alle angepasst. Damit die Kommunen aber unterm Strich nicht weniger in der Kasse haben, hat das Land für jede Kommune einen aufkommensneutralen Hebesatz ermittelt. Wovon man aber ausgehen muss, ist, dass es am Ende zu Belastungsverschiebungen kommen wird. Das Land wurde frühzeitig darauf hingewiesen, dass Wohnen verteuert und Gewerbe entlastet wird. Das Problem hat man auf Seiten der Landesregierung aber lange ausgeblendet.
Gibt es zur Lösung des Problems nicht die differenzierten Hebesätze? Viele Bürgermeister haben in den letzten Jahren deutlich Kritik am Land NRW geübt, was die Lastenverteilung angeht und ein landesweites Korrekturmodell gefordert. Landet der schwarze Peter nun doch wieder bei den Kommunen?
Eigentlich hätte das Land auf ganz einfachem Wege eine Korrektur der Messzahlen vornehmen können. Das hat das Land jetzt aber nicht getan und versucht auf den letzten Drücker, das in den Brunnen gefallene Kind zu retten. Es gibt jetzt zwar die Möglichkeit der differenzierten Hebesätze, das Rechtsrisiko wird aber vollständig auf die Kommunen abgewälzt. Man muss sich hier nur einmal die Ausführungen aus dem Gesetzesentwurf auf der Zunge zergehen lassen. Hier steht:
„Die Kommunen können die neu zugestandene Flexibilität nutzen, um den vielfältigen und unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen Rechnung zu tragen. Bei einer Nutzung der neuen Flexibilität obliegt es den Kommunen, bei einer Differenzierung der Hebesätze hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe darzulegen. Bei der Ausgestaltung des differenzierenden Hebesatzrechts müssen sich die Kommunen innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen bewegen und dürfen die Eigentümerinnen und Eigentümer einer Grundstücksart nicht unverhältnismäßig stark belasten. Nutzt eine Kommune die Option, muss sie die Gründe für die von ihr gewählte Differenzierung darlegen, um verfassungsrechtlich abzusichern, dass die Grenzen des Gleichbehandlungsgebots (Artikel 3 GG) trotz der differenziert getroffenen Belastungsentscheidung oder der Lenkungsmaßnahmen nicht überschritten werden.“
Damit wird faktisch die Begründungslast auf die jeweilige Kommune abgewälzt. Es ist einfach kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern.
Sehen Sie mit diesem Modell auch Chancen für Heiligenhaus?
Meines Erachtens verursacht die Situation nur einen Konflikt zwischen Gewerbetreibenden und privaten Eigentümern.
Das Grundsteueraufkommen in der Stadt soll gleich bleiben, es könnte aber zu Verschiebungen innerhalb von Heiligenhaus kommen: Was hätte diese Änderung für Auswirkungen auf die einzelnen Hausbesitzer, aber auch für die Kommunen?
Das kann man pauschal gar nicht sagen. Ein Anstieg von 680 Prozent auf 974 Prozent hört sich zunächst nach unfassbar viel an. Es kommt aber auf den Einzelfall und den neuen Grundsteuermessbetrag an. Noch liegen uns nicht alle Datensätze vom Finanzamt vor. Wir haben einige Vergleichsberechnungen gemacht und es ist wirklich sehr unterschiedlich.
Das Land wird für jede Stadt einen möglichen differenzierten Hebesatz für Gewerbe und fürs Wohnen transparent machen. Der Gürtel der Kommunen sitzt eng, die Grundsteuer war ein Instrument, um etwas Geld in die Stadtkasse fließen zu lassen. Eine Stadt KANN sich nun nach den aufkommensneutralen Hebesätzen richten, MUSS es aber nicht. Kann man sich als Kommune es sich leisten, den Hebesatz höher zu setzen, als er vom Land vorgeschlagen wird, wenn man sich beide Hebesätze einfach nebeneinander legen könnte?
Also wir werden ohnehin eine eigene Vergleichsrechnung vornehmen. Ich gehe aber davon aus, dass der vom Land ermittelte aufkommensneutrale Hebesatz auch wirklich aufkommensneutral ist. Das wäre mir als Kämmerer auch erstmal wichtig. Natürlich kann die Politik auch einen höheren Hebesatz beschließen, aber unser Hebesatz ist ja schon vergleichsweise hoch.
Welche Lösung wäre Ihrer Meinung nach wünschenswert gewesen?
Ich hätte mir gewünscht, dass man der Forderung nachgekommen wäre, eine Entlastung des Wohnens dauerhaft und für alle einheitlich durch eine Korrektur der Messzahlen abzusichern.