Düsseldorf. Kommt doch noch ein Kostenpuffer für Eigenheim-Besitzer? Und wenn ja, wie? NRW ringt um ein Reparaturgesetz zur Grundsteuer.

Im Laufe des Jahres werden Immobilienbesitzer in Nordrhein-Westfalen erfahren, welche Grundsteuerbeträge sie ab 1. Januar 2025 bezahlen müssen. Zuletzt zeichnete sich in immer mehr Städten ab, dass es zu einer massiven Lastenverschiebung zu Ungunsten von Ein- und Zweifamilienhausbesitzern kommen dürfte. Auch Millionen Mieter sind betroffen, da die Grundsteuer auf die Nebenkosten umgelegt werden darf. Wie es soweit kommen konnte und wie die Landespolitik aktuell um eine Lösung ringt – die wichtigen Antworten:

Warum muss die Grundsteuerberechnung überhaupt verändert werden?

Die erwartete Preiserhöhung ist Folge einer Reform, die vom Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil von 2018 erzwungen wurde. Karlsruhe hatte die bisherige Einheitsbewertung von Grundstücken für unzulässig erklärt hat. Grob gesagt: Die tatsächliche Wertentwicklung über Jahrzehnte sollte realitätsnäher eingepreist werden.

Welchen Fehler hat NRW gemacht?

NRW wählte wie zehn andere Bundesländer als neue Berechnungsmethode das sogenannte „Bundesmodell“. Das sieht im Kern vor, dass die Grundsteuer sich nicht nur an der Quadratmeterzahl des Grundstücks orientiert, sondern auch an der tatsächlichen Wertentwicklung des darauf befindlichen Gebäudes. Länder wie Bayern nutzten derweil eine Öffnungsklausel und entwickelten eigene Modelle, damit der Preisanstieg in bestimmten Regionen nicht zu stark ausfällt. NRW spottete über diesen „Starnberger See-Faktor“, tat selbst aber über Jahre nichts. So war absehbar, dass etliche Wohnimmobilien an Rhein und Ruhr aufgrund ihrer Lage und Wertentwicklung deutlich höher eingestuft werden würden als Lagerhallen oder Fabrikgebäude.

Warum sind die Städte in einer Zwickmühle?

Die Grundsteuer ist für die finanziell angeschlagenen Kommunen eine zentrale Einnahmequelle. Die NRW-weit 6,5 Millionen Grundstücke bringen jährlich etwa vier Milliarden Euro ein. Bei der Grundsteuer-Reform wurde festgelegt, dass sie „aufkommensneutral“ gestaltet werden muss. Das heißt: Das Gesamtvolumen muss auch ab 2025 gleichbleiben. Es läuft also auf einen innerstädtischen Lastenausgleich zwischen Immobilienbesitzern hinaus. Wenn Besitzer von Lagerhallen in schlechter Lage entlastet werden, zahlen Besitzer von Altbauwohnungen in bester Lage umso mehr. Erstmals wird in NRW sogar die Hebesatz-Schallmauer von 1000 Punkten durchbrochen.

Warum steht Schwarz-Grün in der Kritik?

Die Regierungskoalition von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat die Grundsteuer-Reform zwar nicht direkt zu verantworten, die negativen Folgen für Hausbesitzer und Mieter aber lange bestritten. Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) schien die massive Lastenverschiebung, auf die etliche Bürgermeister seit zwei Jahren hinweisen, nicht wahrhaben zu wollen. Es wurde auf „Einzelfälle“ verwiesen. Negativ besetzt ist das Thema Grundsteuer zudem durch die komplizierte digitale Erfassung der Grundstücksdaten, die gerade ältere Menschen überforderte. Bei der Berechnung wiederum gab es allerhand Stilblüten: etwa die unterschiedliche Bewertung zweier exakt baugleicher Doppelhaushälften, weil eine von ihnen im Erdgeschoss ein Ladenlokal beherbergte. Die Folge: Mehr als 500.000 Einsprüche.

Was soll eine „Hebesatz-Differenzierung“ bringen?

Die schwarz-grüne Koalition steht beim Thema Grundsteuer derart unter Druck, dass sie auf den letzten Metern ein gewagtes Manöver unternahm. Finanzminister Optendrenk überraschte im März mit dem Vorschlag, den Kommunen eine stärkere Differenzierung der Hebesätze ermöglichen zu wollen. Gewerbeimmobilien könnten so lokal höher besteuert werden, Wohnimmobilien dafür niedriger. Das Gesamtsteueraufkommen von rund vier Milliarden Euro, mit dem die NRW-Städte planen, soll gleichbleiben. Schwarz-Grün feierte das „kommunale Selbstverwaltung“.

Warum entzweit die Grundsteuer Stadt und Land?

Nachdem NRW schon kein eigenes Landesmodell entwickelt hat, das die Lastenverschiebungen besser abfedert, erwarten die Städte zumindest die Verantwortungsübernahme in Düsseldorf durch einen für alle 396 Kommunen gültigen Korrekturmechanismus. Verwiesen wird auf andere Bundesländer, die längst die landesweite Messzahl so verändert haben, dass Gewerbeimmobilien etwas höher und Wohngrundstücke etwas niedriger besteuert werden. Finanzminister Optendrenk lehnt das bislang ab, weil dies unterschiedlichen Begebenheiten in Großstädten und ländlichen Räumen in NRW nicht gerecht werde. Belegen kann er das auf Nachfrage des FDP-Experte Ralf Witzel jedoch nicht. Die Kommunen kritisieren unisono, dass die Landesregierung nach jahrelanger Untätigkeit mit differenzierten Hebesätzen die Konflikte in die Kommunen tragen wolle. Im Kommunalwahljahr 2025 kann das dort niemand gebrauchen. Zudem sind die meisten Verwaltungen personell und technisch gar nicht in der Lage, Tausende neue Festsetzungsbescheid zu versenden.

Wie gefährlich ist die Grundsteuer politisch für die Landesregierung?

Die NRW-CDU ist eine Kommunalpartei und hat ihre Hochburgen in jenen Vierteln, in denen Wohnimmobilien ab 2025 deutlich höher besteuert werden dürften. Den Zorn vieler Bürgermeister über den dilettantischen Umgang der Landesregierung mit dem Dauerstreitthema Grundsteuer kann Ministerpräsident Wüst eigentlich nicht ignorieren. Ein Alarmsignal: Wüsts Freund und Heimatbürgermeister aus Rhede, Jürgen Bernsmann, beklagt in seiner Stellungnahme für eine Expertenanhörung im Landtag „ein Systemversagen der letzten zwei Jahre“ und schimpft über „blumige Worte“ aus Düsseldorf.