Heiligenhaus. Die Isenbügeler Straße scheint eine Baustelle ohne Ende zu sein: Nun muss ein Spezialunternehmen anrücken. Anfang Mai soll Verkehr wieder fließen.
Laut platschend klatscht die braune Masse von der Rutsche des schweren Mischer-Lkws in die Baugrube. Die Umstehenden müssen aufpassen, dass sie nicht von braunen Spritzern überzogen werden. „Das ist wie Kuchenteig, das Material kommt in jeden Hohlraum“, schaut Michael Gallinat erleichtert dem Vorgang zu. Für den Bereichsleiter Technik der Stadtwerke Heiligenhaus löst sich damit ein schwerwiegendes Problem, das unerwartet auftrat und die Fertigstellung der Verlegung von neuen Gas-, Wasser- und Stromleitungen verzögerte, so dass die Isenbügeler Straße nicht wie geplant Ende März wieder freigegeben werden konnte.
Die Kreisverwaltung begann im August mit dem Bau eines Regenrückhaltebeckens unter der Fahrbahn, der kommunale Energieversorger hängte sich an die Vollsperrung dran und nutzte die Möglichkeit, um Jahrzehnte alte Leitungen gegen neue auszutauschen. Eine durch Ampeln geregelte einstreifige Verkehrsführung entlang der Baustelle wäre nicht sinnvoll gewesen: „Das hätte den Fortschritt verzögert“, so Michael Gallinat, dem zum Ende der Bauphase im unteren Bereich der steilen Straße ein anderes Phänomen Kopfschmerzen bereitete: Dort fließt im Untergrund von den Hängen links und rechts Schichtenwasser wie in einem Trichter zusammen, das seinen Weg in Richtung Rinderbach sucht.
Heiligenhaus-Isenbügeler kostet Baustellen viele Nerven
Die übliche Sand- oder Kiesbettung würde mit der Zeit teilweise ausgeschwemmt, die darüber liegende Fahrbahn würde einsinken. Beton ist aufgrund seiner Eigenschaften ebenso ungeeignet. Michael Gallinat suchte im Internet nach passenden Lösungen und stieß auf das Forschungsinstitut für Flüssigboden in Leipzig. Dessen Chef Olaf Stolzenburg hatte gerade eine Baustelle im südlichen Niedersachsen und scheute nicht den Umweg ins Niederbergische, als ihn der Hilferuf aus Heiligenhaus ereilte.
Weil die Zeit drängte, um die unendliche Baustelle zu beenden, die von den Isenbügelern einiges abverlangt, wurde ganz unkonventionell an einem Wochenende im März zusammen mit dem Technikchef der Stadtwerke Heiligenhaus, zwei Geologen und dem Experten aus der sächsischen Metropole vor Ort beraten und eine Lösung entwickelt. Das institut-eigene Baustofflabor entwickelte einen Flüssigboden, der die gleichen Eigenschaften wie der vorhandene natürliche Boden hat und dabei in jede Ritze eindringt. Das verschafft den Leitungen optimalen Halt.
Unternehmen hilft auch der Deutschen Bahn
Das Schichtenwasser fließt nach der Herstellung des ursprünglichen Bodenaufbaus wieder in den unteren Schichten in Richtung Rinderbach. „Die Masse wird zwar sehr fest, aber nicht so hart wie Beton. Wenn es sein muss, kann ein normaler Bagger den Boden wieder ausheben“, beschreibt Michael Gallinat eine weitere willkommene Eigenschaft. „Der Flüssigboden ist kein Fremdkörper“, bringt es der Erfinder Olaf Stolzenburg auf den Punkt, der mit seinem Knowhow unter anderem der Deutschen Bahn bei schwierigen Gründungsproblemen helfen konnte und sogar in Malaysia erfolgreich tätig war.
Hauptbestandteil des flüssigen Bodens, den ein Werk in Bergheim anmischt, sind Tonminerale, wie sie zum Beispiel natürlicherweise im Lehm vorkommen. Die Stadtwerke Heiligenhaus haben 150 Kubikmeter bestellt, die in dieser Woche vorsichtig eingefüllt werden. Rohrverlegungshilfen sorgen dabei für den exakten Sitz. Wenn der flüssige Boden die Mischertrommel verlassen hat, wird der ganz schnell hart, weshalb sich die Mitarbeiter der Firma Krasniqi beeilen, den seitlichen Verbau zu entfernen.
Straße soll Anfang Mai wieder befahrbar sein
Bereits kurze Zeit später kann darüber das im Straßenbau übliche Verfüllmaterial eingebracht und verdichtet werden. Das sind schließlich die Vorbereitungen, um die endgültige Fahrbahndecke wieder herzustellen, so wie es bereits im oberen Bereich der Isenbügeler Straße geschehen ist. „Anfang nächsten Monats kann der Verkehr wieder fließen“, ist Michael Gallinat zuversichtlich.
>>> Eingriff gering halten
- Alle Baumaßnahmen sind mit Eingriffen in den Boden und seiner Struktur verbunden. Meistens ist ein kompletter Bodenaustausch notwendig, um die Funktionalität der errichteten Bauwerke zu gewährleisten.
- Die Verwendung von aufgearbeiteten Bodenaushub zur Verarbeitung von Flüssigboden ermöglicht die Herstellung von bodenähnlichen Zuständen, womit sich die Auswirkungen eines Eingriffes möglichst gering halten lassen. Physikalische Eigenschaften, wie Tragfähigkeit oder Wasserleitfähigkeit, bleiben weitgehend erhalten.
- Der Kreis Mettmann hatte im Mai 2021 mit den Vorarbeiten der Baumaßnahme begonnen; seit August ist die Isenbügeler Straße für den Verkehr vollgesperrt. Eigentlich sollte der Verkehr bereits im November wieder fließen – doch es kam immer wieder zu Verzögerungen.
- Der Kreis investiert rund 1,2 Millionen Euro in das Regenrückhaltebecken, die Stadtwerke 900.000 Euro in die komplette Erneuerung sämtlicher Leitungen.