Heiligenhaus. Kai Angermann ist Percussionist und unterrichtet an der Musikschule Heiligenhaus. Im August wird er in der Elbphilharmonie Hamburg performen.
Von Kai Angermann zu behaupten, er sei Schlagzeuger, wäre grundsätzlich erst einmal nicht falsch – würde dem 48-Jährigen aber in keiner Weise gerecht werden. Denn Kai Angermann ist mehr als das: Er ist Percussionist, Experimentalkünstler, Improvisationstalent, Klangkörpererfinder. Dazu ein angenehmer Mensch, freundlich, eher zurückhaltend. Kein selbstverliebter Künstler, der gern in den Mittelpunkt drängt, sich wichtig tut oder gar permanent auf die „Pauke haut“.
Schlegel aus Flummi und Schaschlikspieß

„Das hier ist einfach ein durchgeschnittener Flummi auf einen Schaschlikspieß“, erklärt der Musiker undhält einen kleinen Schlegel hoch, mit dem er dann über ein Schlagzeugbecken reibt. Mit der anderen Hand dämpft er die Schwingungen ab, je nach dem wie stark, entstehen Klangwellen, hohe, tiefe, kurze, lange. Dann legt Kai Angermann die selbst gebauten Drumsticks zur Seite und steht von seinem Schlagzeughocker auf, lächelt und sagt, fast ein wenig entschuldigend: „Eigentlich weiß ich vorher oft gar nicht, was ich hinterher mache, ich lasse es einfach geschehen“.
Ursprünglich sollte Stummfilm vertont werden
Dabei aber ist genau das der Grund, warum eben gerade er, Kai Angermann, freischaffender Musiker und Schlagzeuglehrer in Heiligenhaus, am 15. August, gemeinsam mit dem bekannten und bereits Oscar-nominierten Düsseldorfer Filmmusikmacher und Pianisten Hauschka, in der Hamburger Elbphilharmonie äußerst experimentell performen wird – seine Klangwelt ist schier grenzenlos. „Ursprünglich war geplant, dass wir den Stummfilm Vampyr – der Traum des Allan Gray“ von 1932 vor Publikum live vertonen. Coronabedingt gibt es aber dort derzeit keine Veranstaltungen mit Zuschauern vor Ort. Daher werden wir jetzt nur mit unseren Instrumenten auf der Bühne stehen und schauen, was sich daraus entwickelt.“
Schlaginstrumente und Stabspiele
In seinem Unterrichtsraum in der Musikschule Heiligenhaus stehen, neben zwei klassischen Drumsets, unzählige andere Instrumente: klassische Schlagwerke, Pauken, Trommel, Gongs, Congas, Bongos, aber auch zahlreiche Mallettinstrumente (Stabspiele) wie Xylofon oder Vibrafon. Dazu Effektgeräte, eine Loopmaschine – es darf auch gerne mal eine elektroakustische Klangwelt entstehen.
Früher mit Heiligenhausern Band Pennywise gegründet
Die Sonne blinzelt durch die Vorhänge und taucht den Raum in warmes Licht, an den Wänden hängen Konzertplakate. Kai Angermann zeigt mit einem Trommelstock auf ein besonders stark Vergilbtes: „Das ist von 1993, da hatten wir ne Band, die hieß Pennywise, wir haben damals mit anderen gemeinsam hier in Heiligenhaus gespielt.“ Er lacht, schüttelt ein wenig ungläubig die kurzen ergrauten Haare. „Mein Gott ist das lange her“.
Mit 12 Jahren Schlagzeugspiel begonnen
Bereits mit 12 Jahren hat der studierte Schlagzeuger mit dem Trommeln begonnen, nach dem Ende seiner Studienzeit an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz am Standort Wuppertal 2003, wurde ihm die freie Stelle als Musikschullehrer in Heiligenhaus angeboten. Seitdem unterrichtet Kai Angermann an zwei Nachmittagen in der Woche große und kleine Nachwuchspercussionisten, betreut das hauseigene Schlagzeugensemble. „Die Jüngsten sind sechs, mein ältester Schüler ist um die 60 und hat gerade erst begonnen, es war wohl immer sein Traum und jetzt hat ihm das seine Frau zum Geburtstag geschenkt.“
Sohn spielt Saxofon
An den anderen Tagen arbeitet der sympathische Düsseldorfer mit anderen Profimusikern in Projektarbeit zusammen, ist in musikpädagogischen Bereichen aktiv, spielt in festen Ensembles, unter anderem als Trio mit zwei Cellistinnen („InsaDonjaKai“), kümmert sich um seinen zehnjährigen Sohn. „Er hat gerade mit Saxofon begonnen, ich finde das spannend, er muss nicht Schlagzeug spielen, nur weil sein Papa das macht.“
Klänge durch Improvisation

Kai Angermann legt eine dünne Kette auf die einzelnen Metallplatten des Vibrafons, schlägt sie dann leicht mit den weichköpfigen Schlägeln an, die Klänge werden von einem leicht rauchigen, zarten Regengeprassel-Effekt untermalt. Der 48-Jährige grinst, erfreut sich ganz offensichtlich an dem, was er akustisch wahrnimmt. „Man kann alles miteinander kombinieren und ist immer wieder selbst fasziniert, was für Effekte und Töne daraus entstehen.“
Keine großen Proben
Großartige Vorbereitungen oder tagelange Proben wird es übrigens bei den beiden Profi-Improvisationskünstler Angermann und Hauschka vor ihrem großen Auftritt nicht geben. Klar ist nur, wer welche Instrumente mitbringt. Ein Schlagzeug im klassischen Sinne wird jedenfalls nicht dabei sein. Dafür eine alte Keksdose und eine leere Raviolidose ohne Boden, an einem Faden hängend. Was letztlich dann auf der Bühne passieren wird, weiß eigentlich niemand bislang so genau.
Elbphilharmonie einer der weltbesten Klangkörper
Aber: Alles andere wäre schließlich auch keine Improvisation. „Ich freue mich wahnsinnig, habe aber auch ehrlich gesagt ein wenig Angst. Ich meine, die Elbphilharmonie ist schließlich einer der weltbesten Klangkörper überhaupt“, fasst der Musiker seine derzeitigen Gefühle zusammen und klingt fast ein wenig ehrfürchtig, „und da ich nicht gerade mit dem allerbesten Selbstwertgefühl ausgestattet bin, denke ich manchmal: Bin das wirklich ich, dem das hier gerade alles passiert?“