Heiligenhaus. Die SPD-Abgeordnete für Niederberg und Ratingen, Kerstin Griese, ist auf Sommertour in der Region. Jetzt hat sie auch Heiligenhaus besucht.
Kerstin Griese wirkt ein wenig erschöpft: Vielleicht liegt es an der Hitze, vielleicht an ihrem straffen Sommertourprogramm, vielleicht an dem Verlust ihres Vaters, der vor wenigen Tagen verstarb. „Ich bin durch den Tod meines Vaters gerade mittendrin in der Thematik Kirche“, lässt die parlamentarische Staatssekretärin ihre Gesprächspartner bei ihrem Besuch im Haus der Kirche an der Alten Kirche wissen, „daher interessiert es mich ganz besonders, wie die Kirchen bisher mit der Coronakrise umgegangen sind.“
Es ist das zentrale Thema der SPD Abgeordneten für Niederberg und Ratingen auf ihrer diesjährigen Sommertour: Wie überleben, überbrücken, gestalten Vereine, Institutionen, Unternehmen, Verwaltungen, Kinos oder Schwimmbäder in der Region diese besonderen Zeiten?
Kontakt zur Gemeinde aufrecht erhalten
Pfarrerin Birgit Tepe gibt der 53-jährigen Politikerin einen ersten Einblick in das, was sich in der Kirchenarbeit verändert hat: „Nach dem Lockdown Mitte März ging ja erst einmal gar nichts mehr: Keine Gottesdienste, keine Gruppen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir auch noch nicht, wie es weitergehen sollte, wir wussten nur eins: Der Kontakt zu unseren Gemeindemitgliedern sollte unbedingt aufrecht erhalten bleiben.“
Kreativer Flow an Ideen
Schnell sei klar gewesen: Zu Ostern muss etwas geschehen. „Wir haben dann Ostergottesdienste per Video aufgenommen und diese online gestellt und die lokale Presse gebeten, eine kurze Predigt zum Osterfest zu veröffentlichen.“ Anschließend folgte ein regelrechter kreativer Flow: Alle Mitglieder über 70 Jahren wurden angeschrieben und auf die Einkaufsengel aufmerksam gemacht, junge Studenten, die Boten- und Einkaufsgänge übernommen haben. Jeden Tag wurde sowohl ein musikalischer Gruß von den Kirchenmusikern aufgenommen und gestreamt und von Pfarrerin Kirsten Düsterhöft, ebenfalls täglich, eine Kurzandacht per Mail versandt. Sonntags wurde vor der Kirche eine Schnur gespannt, an der kleine Aufmerksamkeiten hingen, die mitgenommen werden durften. „Da waren zum Beispiel Kaffeebohnen als Zeichen dafür, dass wir zu der Zeit zwar keine gemeinsamen Nachmittage verbringen konnten, aber trotzdem an einander gedacht haben“, ergänzt Birgit Tepe.
Kritik an Kirche unverständlich
Kerstin Griese hört aufmerksam zu, zeigt sich angetan. „Wahnsinn, wie viele kreative Ideen hier entstanden sind. Ich kann nicht verstehen, warum die Kirche in den Medien häufig so dargestellt wurde, als habe sie in den vergangenen Monaten viel zu wenig getan.“ Eine Kritik, die auch der Superintendent im Kirchenkreis Niederberg, Jürgen Buchholz, von sich weist. „Wir sind ins kalte Wasser gesprungen, eine solche Situation gab es vorher nicht, wir hatten keinen Verhaltensvorlagen, keine Erfahrungswerte“, erklärt Jürgen Buchholz, „die Verantwortung wurde immer mehr auf vor Ort übertragen, ich finde wir haben das bislang gut gemeistert. Vor allem, wenn man plötzlich auch die Menschen erreicht, die eigentlich mit Kirche nichts am Hut haben.“
Krise als Chance
Die Krise auch als Chance zu sehen, darin sind sich alle Gesprächsteilnehmer – darunter auch Küster Christian Groh, der ehemalige und der derzeitige Vorsitzende des Presbyteriums, Joachim Schmidt und Peter Wahlsdorf und, als Vertreter des SPD-Ortsvereins, Ingmar Janssen – einig. Und Kerstin Griese sieht Parallelen zur Politik. „Manchmal kann ich mich auch nur wundern, was bei uns in Berlin alles kurzfristig plötzlich so auf den Weg gebracht werden konnte.“
Außerdem: Die Krise hat zusammengeschweißt, Dinge und Menschen haben sich vernetzt, die vorher keine Berührungspunkte hatten. Dies alles auch später, nach der Krise, sinnvoll zu nutzen sei nun nächstes Ziel. „Wir können nicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben“, weiß der Superintendent, „vermutlich gehören etwa digitale Gottesdienste in fünf Jahren ganz normal dazu.“ Kerstin Griese nickt zustimmend. „Seien Sie zurecht stolz auf das, was sie gemeinsam entwickelt und geleistet haben.“
In den Arm nehmen ist wichtig
„Aber gerade in Bezug auf die digitalen Entwicklungen, lassen Sie uns die ältere Zielgruppe nicht vergessen.“ Birgit Tepe lacht: „Oh ja, das in den Arm nehmen ist so unendlich wichtig. Ich weiß, dass es vielen fehlt und mir geht es da nicht anders.“