Hattingen. Der Apothekerverband warnt vor einem Apothekensterben: „Das hat Folgen für Patienten“. In Hattingen haben schon viele Apotheken dicht gemacht.
Der Apothekerverband warnt vor einem Apothekensterben und fordert von der künftigen Bundesregierung ein Rettungsprogramm. Auch in Hattingen und Sprockhövel dünnt das Apothekennetz aus. Das hat Folgen für die Kunden, warnt Michael Mahl, Apothekersprecher im Ennepe-Ruhr-Kreis mit eigenen Apotheken unter anderem in Sprockhövel.
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Die Zahlen, die die Apothekenkammer auf Nachfrage liefert, lesen sich dramatisch. In den vergangenen 15 Jahren hat Sprockhövel 20 Prozent seiner Apotheken verloren. In Hattingen sind es sogar 37,5 Prozent. Der genaue Blick zeigt: In der Tat hat in Sprockhövel eine von damals fünf Apotheken geschlossen. Aktuell sind vier Apotheken bei der Kammer gelistet.
„Wenn das Apothekennetz weiter ausdünnt, dann werden Patienten künftig weite Wege auf sich nehmen müssen, gerade im Nacht- und Notdienst.“
In Hattingen ist die Lage schon etwas anders. Sechs Apotheken sind hier seit 2010 vom Markt verschwunden. Übrig bleiben jetzt noch zehn. Und von denen befinden sich viele in der Innenstadt. Allein sechs der verbliebenen Apotheken befinden sich direkter City-Lage zwischen Rathausplatz und Reschop Carré. Sieben sind es, zählt man die Apotheke an der Bruchstraße dazu. Bleiben in den Stadtteilen je eine in Winz-Baak, Niederwenigern und Welper. In Sprockhövel gibt es jeweils zwei Apotheken in Haßlinghausen und Niedersprockhövel.
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Der Apothekerverband warnt nun vor der Bundestagswahl: „Wenn das Apothekennetz weiter ausdünnt, dann werden Patienten künftig weite Wege auf sich nehmen müssen, gerade im Nacht- und Notdienst“, so Michael Mahl. Deshalb fordert der Verband ein 100-Tage-Sofortprogramm. „Nach 20 Jahren ohne echten Inflationsausgleich geraten derzeit immer mehr Apotheken in wirtschaftliche Schieflage. Täglich müssen ein bis zwei Apotheken für immer schließen. Jede zehnte Apotheke ist defizitär und jede dritte wirtschaftlich stark gefährdet“, betont Apothekersprecher Mahl.
Medikationsfehler vermeiden
„Wir können dazu beitragen, den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern – und gleichzeitig Folgekosten einzudämmen und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu erhöhen“, sagt Michael Mahl, Apothekersprecher im EN-Kreis. Weil Fachkräfte fehlen, die Gesellschaft aber immer älter werde, stehe das Gesundheitssystem unter hohem Druck.
„Hunderttausende Krankenhausaufenthalte gehen jedes Jahr auf Medikationsfehler zurück“, nennt Michael Mahl als Beispiel. Dort könnten Apotheken präventiv wirken: „Zwei Drittel davon ließen sich vermeiden, wenn das heilberufliche Potenzial der Apotheken besser ausgeschöpft würde.“ Das gehe allerdings nur, wenn es auch in Zukunft noch Apotheken gebe.
In Hattingen hat sich unterdessen die Zahl der Apotheken in den vergangenen Jahren nicht verändert. Die letzte Schließung liegt vier Jahre zurück. Anfang 2021 machte die Bismark-Apotheke auf der oberen Heggerstraße dicht. Schon Ende 2020 schloss Tasso Weinhold nach 16 Jahren seine Westfalen-Apotheke am EvK, weil die Umsätze nicht dem Aufwand entsprachen und es zunehmend schwieriger wurde, Personal zu finden. Weiterhin führt er die Apotheke in Welper auf der Thingstraße.
Auch im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis ist ein Rückgang bei den Apotheken zu beobachten. 28 vom damals 89 haben in den vergangenen 15 Jahren geschlossen. 61 bleiben also aktuell übrig. Übrigens gibt es auch in den anderen Städten oft eine große Apothekendichte auf engem Raum.
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Die bestehenden Standorte zu bewahren, könne nur mithilfe eines Rettungspaketes gelingen, betont aber der Apothekerverband. „Dazu gehört eine Anhebung des staatlich geregelten Apothekenhonorars, das seit nunmehr elf Jahren nicht mehr erhöht worden ist“, erläutert Mahl. Verbessert werden müsse auch die Vergütung für Leistungen wie zum Beispiel die Herstellung individueller Rezepturen: „Wenn wir in der Apotheke für einen Patienten individuell eine Salbe herstellen, die der Arzt verschrieben hat, bekommen wir derzeit sechs Euro – für oft mindestens eine Stunde Arbeit.“
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Neue Apotheken sind in Hattingen und Sprockhövel in den vergangenen Jahren nicht dazugekommen. Michael Mahl erklärte schon vor Jahren, dass die Hürden, eine Apotheke zu eröffnen oder zu übernehmen sehr hoch seien. Wie in vielen Bereichen, nannte auch er den enormen Bürokratieaufwand als einen der Gründe. Dafür seien Apotheken einfach nicht mehr rentabel genug.